Sallie Ann Robinson ist, wie sie sagt, eine „sixth-generation native of Daufuskie Island.“ Diese abgelegene Insel liegt inmitten der marschartigen Inselwelt vor der Küste South Carolinas, eingebettet zwischen dem Festland und Hilton Head Island. Keine Brücke führt hierher, keine Straße verbindet die Insel mit dem Rest der Welt.

Wer nach Daufuskie will, muss mit dem Boot kommen – meist von Hilton Head Island aus, rund 45 Minuten dauert die Überfahrt mit der Fähre. Und sie fühlt sich an wie eine kleine Zeitreise: Während hinter einem die Golfplätze und Resorts von Hilton Head verschwinden, taucht vor einem eine Welt auf, in der das Leben langsamer, ehrlicher und irgendwie echter erscheint.

Mittendrin: Sallie Ann Robinson
Daufuskie Island ist knapp 13 Quadratkilometer groß, autofrei (nur Golfcarts und Fahrräder sind erlaubt), ein Naturparadies mit alten Eichen, schaukelnden Moosgirlanden, Muschelwegen und weiten, menschenleeren Stränden. Doch es ist nicht nur die Natur, die hier beeindruckt – es ist die Geschichte, die in jedem Holzhaus, jedem Baum und jeder Stimme weiterlebt.
Mittendrin: Sallie Ann Robinson. Wenn man ihr begegnet, weiß man sofort: Diese Frau hat Pfeffer – nicht nur in ihren legendären Butterbohnen. Sie ist eine Naturgewalt, mit viel Schalk in den Augen, Würze im Herzen und einer Mission, die so groß ist wie der Atlantik, an dessen Ufer sie geboren wurde. Sallie Ann ist keine, die stillsteht. Nicht mit über 60 Jahren, nicht mit einem Kalender voller Veranstaltungen und neuen Projekten – und ganz sicher nicht, wenn es darum geht, das kulturelle Erbe der Gullah-Gemeinschaft lebendig zu halten.

Die Sprache der Großeltern
Die Gullah sind Nachfahren ehemals versklavter Afrikaner, die während der Kolonialzeit auf den abgelegene Inseln und Küstenregionen von South Carolina und Georgia lebten. Durch ihre geografische Isolation konnten sie über Generationen hinweg viele kulturelle Elemente ihrer Herkunft bewahren – von Sprache und Spiritualität bis hin zu Musik, Handwerkskunst und natürlich dem Essen. Die Gullah-Sprache ist ein Mix aus Englisch und westafrikanischen Dialekten – bildreich, rhythmisch und voll poetischer Kraft. Sallie Ann nennt sie liebevoll „die Sprache meiner Großeltern – und meiner Seele.“
Daufuskie hat keinen Supermarkt, kein Krankenhaus – aber einen eigenen Herzschlag, die sie prägt. „Wir hatten keine Läden. Wenn wir was essen wollten, mussten wir’s anbauen, aufziehen oder aus dem Wasser holen“, sagt sie. „Und wenn nicht – na, dann wurde halt gegraben, gejagt, gesammelt.“

Sallie Anns Kindheit?
Hart, aber herzlich. Es wurde gearbeitet, nicht gewünscht. Gegessen, was da war – und daraus wurde etwas gemacht, das heute Feinschmecker in Verzückung versetzt. „Smokin’ Joe Butter Beans“, „Ol’ ’Fuskie Fried Crab Rice“ oder „Sticky-Bush Blackberry Dumplings“ sind keine Fantasiegerichte, sondern gelebte Erinnerungen. Und inzwischen stehen sie in ihren Kochbüchern, die längst Kultstatus haben.
Die Frau, die Pat Conroy Ethel nannte
Sallie Anns Geschichte ist eng verwoben mit einem anderen großen Namen: Pat Conroy. Der spätere Bestsellerautor unterrichtete sie und eine Handvoll anderer Schüler an der Mary Fields School – der einzigen Schule für schwarze Kinder auf der Insel. Er beschrieb diese Zeit in The Water is Wide, ein Buch, das später verfilmt wurde. Die Figur der Ethel? Genau: Sallie Ann. „Er hat uns beigebracht, dass wir wertvoll sind. Dass unser Leben wichtig ist. Dass Bildung eine Waffe ist – zum Guten!“

Von der Gusseisenpfanne ins Rampenlicht
Heute ist Sallie Ann Köchin, Autorin, Geschichtenerzählerin und Tourguide. Eine, die ihre Kultur nicht nur bewahren, sondern feiern will. Ihre Gullah-Küche ist mehr als Kulinarik: Sie ist ein Lebensgefühl. „Wir haben aus dem, was wir hatten, Magie gemacht“, sagt sie. „Und das mache ich heute noch.“
Ob auf Magazincovern, in TV-Dokumentationen oder bei ihren Touren über die Insel – Sallie Ann ist so präsent, dass man sich fragt, ob die Insel nicht eigentlich ihr gehört. Wer sich von ihr führen lässt, bekommt Geschichte serviert, abgeschmeckt mit Humor und gewürzt mit echtem Herzblut. Jeder Baum, jeder rostige Nagel erzählt eine Story – und Sallie Ann kennt sie alle. Ihre Stimme klingt nach Kaminfeuer und Südstaatensommer.

„Wenn ein Älterer stirbt, schließt sich eine Bibliothek“
So lautet ein Sprichwort aus Westafrika – und es begleitet sie wie ein Leitstern. Denn die Gullah-Kultur, deren Sprache und Bräuche durch Isolation über Generationen erhalten blieben, ist bedroht. Nur noch ein paar Dutzend ursprüngliche Gullah leben auf Daufuskie. ‚“Aber wir geben nicht auf“, sagt sie. „Ich bin das Sprachrohr meiner Vorfahren. Solang ich sprechen kann, wird ihre Geschichte gehört.“
Sie verklärt nichts – sie erzählt mit Kraft und Klarheit. Mit Händen, die beim Reden tanzen, und Geschichten, die manchmal wehtun, oft lachen lassen, aber immer eines tun: berühren. Diese Frau hat keine Lust auf Kitsch, sondern auf Klartext.

Von Austern, Großmüttern und Gartenarbeit
Ein Thema, das bei ihr immer wieder auftaucht, sind Austern. Generationen ihrer Familie arbeiteten in den Shucking-Shacks der Insel, wo Frauen mit Socken an den Händen und Messern in der Faust die zähen Muscheln öffneten. „Pop-pop-pop hat das geklungen“, erinnert sich Sallie Ann. „Wie Musik – unsere Musik.“
Oder ihre Mutter, die das Haus picobello hielt und trotzdem zuließ, dass ihre Kinder sich beim Gärtnern richtig schmutzig machen durften. „Du durftest draußen spielen, aber wehe, du kamst mit Matschfüßen ins Haus. Es sei denn, du hattest Unkraut gejätet – dann war’s okay.“

„Every day was a new adventure“
So beschreibt sie ihre Kindheit. Und irgendwie ist das heute noch so. Jede Tour mit Sallie Ann ist ein Erlebnis, jedes Gespräch ein Geschenk. Sie spricht Gullah, kocht wie ihre Großmutter, erzählt wie eine Southern Queen und lacht wie ein Kind, das gerade eine Süßigkeit stibitzt hat.
Und wenn man sie fragt, was ihr größter Wunsch ist, sagt sie: „Dass die Leute wissen, wo sie herkommen. Und stolz drauf sind. Auch wenn’s manchmal hart war.“ Sallie Ann Robinson ist eine Botschafterin einer fast vergessenen Welt – und dabei so lebendig, so lustig, so leidenschaftlich, dass man sie einfach lieben muss. Sie ist das Gedächtnis von Daufuskie Island. Oder wie sie selbst sagt: „Ich bin wie ein Austernmesser – ich mach auf, was hart verschlossen ist.“
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