Julia Pallé gilt als eine der treibenden Kräfte, wenn es um nachhaltige Transformation im internationalen Spitzensport geht. Als Nachhaltigkeitsdirektorin der Formula E verantwortet sie eine Strategie, die ökologische Verantwortung, soziale Wirkung und technologische Innovation nahtlos miteinander verbindet.
Unter ihrer Leitung hat sich die rein elektrische Rennserie nicht nur als sportliches Spektakel etabliert, sondern auch als globaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz – mehrfach ausgezeichnet als „nachhaltigster Sport der Welt“. Im Gespräch gibt Pallé Einblicke in konkrete Maßnahmen, ehrgeizige Ziele und die Herausforderungen, die entstehen, wenn Wachstum, Spitzentechnologie und der Anspruch an Net-Zero-Standards miteinander in Einklang gebracht werden sollen.

Exklusives Interview mit Julia Pallé, Nachhaltigkeitsdirektorin der Formula E
Andreas Conrad: Frau Pallé, viele Unternehmen sprechen über Nachhaltigkeit – wie stellen Sie sicher, dass die Formel E diese nicht nur kommuniziert, sondern tatsächlich einen Transformationsprozess anstößt?

Julia Pallé: Für uns ist Nachhaltigkeit kein Strategiepapierthema – sie ist Teil unserer DNA. Bei der Formel E ist Nachhaltigkeit tief in allem verankert, was wir tun. Das Besondere ist: Sie bereichert den Sport, das Geschäft, die Technologie und unsere Innovationskraft. Es ist kein Kompromiss, der Abstriche macht – im Gegenteil, es verstärkt unsere Arbeit, unsere Abläufe und unsere Veranstaltungen. Unser Engagement zeigt sich auch daran, dass wir seit drei Jahren in Folge als weltweit nachhaltigster Sport in ESG-Rankings geführt werden. Kürzlich wurden wir als erster Sport der Welt nach dem neuen internationalen Net-Zero-Standard zertifiziert. So setzen wir einen Transformationsprozess in Gang, der auf unser gesamtes Ökosystem und alle Partner ausstrahlt.
Andreas Conrad: Welche konkreten Initiativen innerhalb der Formel E hatten den größten messbaren Einfluss auf Umwelt- und Sozialstandards?
Julia Pallé: Auf der Umweltseite wissen wir, dass rund 70 % unseres CO₂-Fußabdrucks aus der Logistik stammen. Letztes Jahr haben wir ein großes, disruptives Projekt gestartet: Statt drei Flugzeugen nutzen wir jetzt zwei, und wir erhöhen den Seetransport, um Material zu bewegen. Wir erwarten, dass wir damit die logistikbedingten Emissionen um etwa 20 % senken. Auf der sozialen Seite messen wir unseren Einfluss mithilfe eines Social-Return-on-Investment-Frameworks. Ein Beispiel: Unser Programm „Driving Force“ bietet Schulkindern Bildungsinhalte, um sie im Umgang mit Klimaangst zu unterstützen. Über 50.000 Kinder konnten wir damit bereits erreichen – dank unseres Partners PIF.

Andreas Conrad: Wie managen Sie Partnerschaften mit Austragungsstädten und Stakeholdern, die auf sehr unterschiedlichen Nachhaltigkeitsniveaus arbeiten – ohne Ihre eigenen Standards zu kompromittieren?
Julia Pallé: Als britisches Unternehmen müssen wir überall die Umwelt- und Sozialgesetze Großbritanniens einhalten. Darüber hinaus haben wir in unseren Event-Spezifikationen Nachhaltigkeit in jeden Schritt eingebettet – von nachhaltiger Beschaffung über Recyclingprozesse bis zur Einbindung lokaler Communities. Ziel ist, dass sich die Menschen vor Ort als Teil des Events fühlen und als Botschafter auftreten. Durch diese einheitlichen Standards stellen wir sicher, dass unsere Veranstaltungen weltweit gleichbleibend hohe Qualität haben – mit gleichzeitig kulturell angepasstem Ansatz.
Andreas Conrad: Welche Rolle kann eine Motorsportserie wie die Formel E dabei spielen, über das eigentliche Rennen hinaus das Bewusstsein für globale Umweltprobleme zu schärfen?
Julia Pallé: Die Formel E wurde mit zwei Zielen gegründet: die Elektrifizierung technologisch zu beschleunigen und die Kraft des Sports zu nutzen, um Menschen zu einem nachhaltigeren Lebensstil zu inspirieren. Wir zeigen bei unseren Events, dass nachhaltiges Leben machbar, zugänglich und nicht mit Einschränkungen verbunden ist. Besucher erleben, wie Elektromobilität und nachhaltige Lösungen funktionieren – und dass jeder sie umsetzen kann.

Andreas Conrad: Wie integrieren Sie Innovationen aus der Technologie- und Energiebranche in Ihre Nachhaltigkeitsstrategie – und wo sehen Sie die nächsten großen Hebel für Veränderungen?
Julia Pallé: Unser Ziel für 2050 ist es, die CO₂-Emissionen im Vergleich zu 2018 um 90 % zu senken – bei gleichzeitigem Wachstum von Fans, Rennen und Teams. Erneuerbare Energien, neue Technologien in der Luftfahrt, Biokraftstoffe, KI-gestützte Routenoptimierung – all das hilft uns, effizienter zu werden und gleichzeitig unsere sozialen und ökologischen Ziele zu erreichen
Andreas Conrad: Sie haben die Formel E zur ersten Sportserie mit Net-Zero-Zertifizierung gemacht. Was war die größte Herausforderung auf diesem Weg – und was ist der nächste Meilenstein?
Julia Pallé: Die Zertifizierung nach dem Net-Zero-Pathway des British Standards Institute ist für uns ein großer Erfolg. Bis 2030 wollen wir die energiebezogenen Emissionen um 50 % und alle übrigen um 27,5 % senken. Die größte Herausforderung ist, dass wir stark wachsen – was normalerweise die Emissionen erhöht. Mit effizienteren Prozessen, modernster Technik und Innovationen wie dem künftigen Gen4-Rennwagen, der Maßstäbe in Sachen Materialkreislauf setzt, schaffen wir es dennoch, unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren.
Einen Dank an Julia Pallé für ihre Zeit und die aufschlussreichen Antworten.

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