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Wie entsteht eine bedeutende Kunstsammlung? Was treibt eine Galeristin an, die nicht nur Werke präsentiert, sondern Räume für Begegnung und Diskurs schafft?

In einem exklusiven Interview gibt Andra Lauffs-Wegner, renommierte Kunstsammlerin und Inhaberin der Galerie KAT_A in Rhöndorf, Einblicke in ihre persönliche Sammelleidenschaft, die kuratorische Arbeit und die Rolle von Kunst in unserer Zeit. Ein inspirierender Blick hinter die Kulissen einer außergewöhnlichen Galerie und ihrer charismatischen Macherin.

Andra Lauffs-Wegner: Das erste eigene Kunstwerk erwarb sie mit 17 Jahren. Zu ihrem 21. Geburtstag wünschte sie sich ursprünglich eine Perlenkette, doch sie suchte sich eine Grafik von Joseph Beuys aus
Andra Lauffs-Wegner: Das erste eigene Kunstwerk erwarb sie mit 17 Jahren. Zu ihrem 21. Geburtstag wünschte sie sich ursprünglich eine Perlenkette, doch sie suchte sich stattdessen eine Grafik von Joseph Beuys aus / © FrontRowSociety.net, Foto: Annett Conrad

Exklusives Interview mit Andra Lauffs-Wegner, Kunstsammlerin und Inhaberin der Galerie KAT_A

Zwischen Leidenschaft und Vision – Im Gespräch mit Andra Lauffs-Wegner

Annett Conrad: Frau Lauffs-Wegner, was war für Sie der entscheidende Auslöser, selbst mit dem Sammeln von Kunst zu beginnen – und inwiefern war der Einfluss Ihrer Eltern dabei eher Inspiration oder Abgrenzung?

Andra Lauffs-Wegner: Ich habe schon früh mit meinen Eltern Messen besucht und bin mit ihnen zur Documenta und nach Krefeld ins Museum gefahren. Ich fand diese Besuche sehr inspirierend und erfüllend. Um später einen Einblick in das Funktionieren des Kunstmarktes zu bekommen, habe ich meine Diplomarbeit im Rahmen meines Betriebswirtschaftsstudiums über „Moderne Kunst als Kapitalanlage“ geschrieben. Mein erstes Kunstwerk, eine Gipsarbeit von George Segal, hab ich von meinem ersten Studentenwechsel gekauft. 

Annett Conrad: Ihre Eltern zählten in den 1960er- und 70er-Jahren zu den bedeutendsten Sammlern von Minimal- und Konzeptkunst. Wie ist Ihr heutiger Umgang mit dieser Sammlung – und inwiefern fließt sie in KAT_A mit ein?

Andra Lauffs-Wegner: Die Sammlung meiner Eltern wurde 2006 verkauft. Ich habe aber einige Arbeiten von meinen Eltern geschenkt bekommen, geerbt oder habe sie aus der Sammlung heraus gekauft. Insofern stelle ich hin und wieder Arbeiten aus der Sammlung meiner Eltern, d.h. Künstler der Sechziger und Siebzigerjahre, in einen Dialog mit „meinen“ zeitgenössischen Künstlern.

Annett Conrad: Ihre eigene Sammlung zeichnet sich durch starke zeitgenössische Positionen aus. Was macht für Sie ein Werk sammlungswürdig – konzeptuelle Stringenz, Marktresistenz, biografischer Bezug?

Andra Lauffs-Wegner: Zunächst muss mich ein Kunstwerk emotional ansprechen, und dazu gehört auch meine Vorstellung einer gewissen Ästhetik. Fotografie und Skulpturen sowie Installationen sprechen mich eher an als Malerei. Ich kaufe meist spontan und setze mich erst im Nachhinein mit dem Künstler auseinander. So habe ich beispielsweise eine Installation von Katja Novitzkova in Venedig gekauft, obwohl ich die Künstlerin nicht näher kannte.

Die Führungen übernimmt die Inhaberin selbst, jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag für lediglich 10 Euro pro Person. Zu jedem Werk erzählt sie Geschichten und Anekdoten, erfrischend und herzlich
Die Führungen übernimmt die Inhaberin selbst, jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag für lediglich 10 Euro pro Person. Zu jedem Werk erzählt sie Geschichten und Anekdoten, erfrischend und herzlich / © FrontRowSociety.net, Foto: Annett Conrad

Annett Conrad: Sie haben BWL und Kunstgeschichte studiert und eine Masterarbeit zum Thema „Moderne Kunst als Kapitalanlage“ geschrieben. Wie fließt dieses Wissen heute in Ihre Sammlungs- und Ausstellungspraxis ein?

Andra Lauffs-Wegner:  Impulsgeber für meine Diplomarbeit war Will Bongard, mit dem ich des Öfteren seinen Kunstkompass erarbeitete. Willi Bongard hat auch als erster über Kunst als Ware geschrieben, und wir haben viel über dieses Thema diskutiert. Neben der trockenen Betriebswirtschaftslehre fand ich die Auseinandersetzung mit dem Kunstmarkt wesentlich reizvoller. Ich glaube aber nicht, dass mich meine Arbeit in meiner Sammlungs- und Ausstellungspraxis wesentlich beeinflusst. Der Kunstmarkt hat sich seitdem extrem verändert, so dass ich dieses Thema gerne aus heutiger Sicht untersuchen würde.

Annett Conrad: Sie arbeiten aktuell mit Susanne Kleine von der Kunsthalle Bonn an der Ausstellung „KAT_A_10 – Alte und neue Freunde“. Was war der kuratorische Impuls dieser Jubiläumsschau – und was lernen Sie aus solchen Kooperationen?

Andra Lauffs-Wegner: In meinen vorausgegangenen Ausstellungen setzte ich jeweils zwei Künstler in einen Dialog. In meiner Jubiläumsausstellung wollte ich aber auch Künstler aus der Sammlung meiner Eltern zeigen und bin somit meinem Konzept des Dialog treu geblieben, da ich Künstler der sechziger und siebziger Jahre zu Künstlern aus meiner Sammlung ausgestellt habe. Da ich mich mit dieser Aufgabe aber überfordert fühlte, habe ich Susanne Kleine gebeten, die Ausstellung mit mir zu kuratieren. Die Zusammenarbeit mit Susanne Kleine war so inspirierend, dass wir sie bei der nächsten Ausstellung fortsetzen werden.

Annett Conrad: KAT_A ist kein klassischer White Cube, sondern ein persönlicher, fast intimer Ort. Warum war es Ihnen wichtig, Ihre Sammlung nicht nur zu besitzen, sondern in einem eigenen Raum öffentlich zugänglich zu machen?

Andra Lauffs-Wegner:  Ich empfinde es als Privileg, Kunst nicht nur zu sammeln, sondern auch zu kuratieren und zu vermitteln. Da ich die Führungen selber mache, komme ich mit den unterschiedlichsten Menschen zusammen und lerne andere Sichtweisen kennen. Wenn Kinder mit ihren Eltern gelangweilt in die Ausstellung kommen, am Ende aber engagierte Fragen stellen, ist das ein schöner Erfolg. Wenn Besucher mir Fotos schicken von einer Ausstellung einer meiner Künstler und ganz stolz sind, dass sie den Künstler schon in Rhöndorf gesehen haben. Einmal fragte mich eine Besucherin, ob der Pavillon im Park von Dan Graham sei. Als ich dies bejahte, sagte sie ganz überrascht: „Und der in Rhöndorf!“

Auf keinen Fall sollte man versäumen, den Skulpturenpark anzuschauen / © FrontRowSociety.net, Foto: Annett Conrad

Annett Conrad: Der KAT_A-Award ist ein konkretes Förderinstrument für Künstlerinnen. Wie kam es zu seiner Entstehung – und wie sehen Sie generell die Verantwortung von Sammler:innen in der Künstler:innenförderung?

Andra Lauffs-Wegner: Ich habe in Gremien mitgewirkt, die einen Preis verleihen, wie beispielsweise das Gremium bildende Kunst des BDI, die den ars Viva vergeben. Mich hat immer fasziniert, anhand welcher Kriterien die Preisträger ausgewählt werden, wie emotional die Auswahl ist und sich doch letztendlich Qualität durchsetzt. Ich sehe in meinen Ausstellungen schon eine Förderung der Künstler. Der Preis ist dann mit einem Preisgeld von 10.000 € und einer Ausstellung eine zusätzliche gezielte Förderung.

Annett Conrad: Wie beobachten Sie aktuell den Kunstmarkt – besonders im Hinblick auf die zunehmende Kommerzialisierung junger Positionen? Halten Sie langfristiges Sammeln in Zeiten von Hype und Algorithmen noch für möglich?

Andra Lauffs-Wegner: Kunst als Kapitalanlage ist heute ein selbstverständliches Thema im Gegensatz zu den siebziger Jahren, als ich meine Arbeit geschrieben habe. Was mich stört, ist das stromlinienförmige Kaufverhalten mancher Sammler. Die Sammlungen ähneln sich immer mehr und verlieren dadurch ihr individuelles Profil. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass langfristiges Sammeln nach wie vor eine Chance hat, vorausgesetzt, man sammelt was einem gefällt, und folgt nicht nur dem Mainstream. 

Annett Conrad: Welche Künstler:innen oder Werke Ihrer Sammlung begleiten Sie persönlich am stärksten – und warum? Gibt es Stücke, zu denen Sie eine besonders enge Beziehung haben?

Andra Lauffs-Wegner: Ich bin mit einem Galeristen durch meine Sammlung gegangen, um eventuell Arbeiten zu verkaufen, damit die Sammlung mehr Kontur bekommt. Ich habe letztlich mich von keiner einzigen Arbeit trennen wollen. Natürlich gibt es Arbeiten, die mir aus langer Tradition sehr am Herzen liegen wie mein erster Kunstkauf, eine Collage von Robert Rauschenberg oder eine Zeichnung von Joseph Beuys, die mir mein Vater schenkte. Aber auch jüngere Arbeiten wie ein Kopf von Andreas Schmitten oder die Nofretete von Isa Genzken liegen mir besonders am Herzen. Nicht zu vergessen der Januskopf von Thomas Schütte.

Ist das Sammeln von Kunstwerken Leidenschaft oder Obsession? Diese Frage stellt man sich unwillkürlich, wenn man mit Andra Lauffs-Wegner durch die ihre Galerie KAT_A geht / © FrontRowSociety.net, Foto: Annett Conrad

Annett Conrad: Wie sehen Sie die Zukunft von KAT_A? Planen Sie weitere Kooperationen, ein neues Format oder gar eine Transformation der Sammlung über die nächste Generation hinaus?

Andra Lauffs-Wegner: Ich habe nie geplant, darum werde ich es auch jetzt nicht tun. Das Kat_A ist spontan entstanden und hat sich Schritt für Schritt weiterentwickelt. Man muss eben Gelegenheiten sehen und wahrnehmen. So werde ich es auch in Zukunft handhaben und hoffen, dass ich nach weiteren zehn Jahren genauso erfüllt auf das zurückblicke, was ich realisiert habe, wie ich es heute tue. 

Mein Dank geht an Andra Lauffs-Wegner, die uns mit dem Interview sehr persönliche Einblicke in ihre Sammlertätigkeit gewährt. 

FrontRowSociety Herausgeberin Annett Conrad führte das Interview mit Andra Lauffs-Wegner im Juni 2025.

Weitere Informationen:

Andra Lauffs-Wegner
Galerie KAT_A / Kunst im Turm
Drachenfelsstr. 4-7
53604 Bad Honnef-Rhöndorf / Deutschland 

Wer noch mehr über die inspirierenden Ausstellungen in der Galerie KAT_A erfahren möchte, kommt über folgenden Link zu unserem Artikel:

Zeitgenössische Kunst in Rhöndorf – Galerie KAT_A entdecken