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Jedes Jahr im Mai und Juni werden die sonst so kargen Regionen in Marokko von feinem Pink und einem betörend-blumigen Duft durchzogen: Die Saison der Damaszener-Rose beginnt. Für eine kleine Frauenkooperative bedeutet die Blüte aber weit mehr als nur Farbenpracht. Sie bringt Einkommen, ist Hoffnungsträger einer Region – und einer neuen Generation an Frauen.

Unter den Füßen wirbelt leise der Staub auf. Ich spaziere entlang eines staubigen Weges, ringsum nichts als steinig-sandige Weiten in feinen Braunschattierungen. Nur ein paar Schritte entfernt, versteckt hinter brusthohem Gemäuer, offenbart sich eine ungeahnte Farb- und Duftwelt. Hier, inmitten der wilden Ödnis, erblüht ein sattgrünes Feld mit feinen rosa Tupfern so weit das Auge reicht: Damaszener Rosen.

Eine blühende Zukunft

Die Damaszener Rose ist bekannt für ihren betörenden Duft – das aus ihr gewonnene ätherische Öl kommt sowohl in Kosmetikprodukten als auch in Tees und der Aromatherapie zum Einsatz
Die Damaszener Rose ist bekannt für ihren betörenden Duft – das aus ihr gewonnene ätherische Öl kommt sowohl in Kosmetikprodukten als auch in Tees und der Aromatherapie zum Einsatz / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

Ich befinde mich unweit der marokkanischen Oasenstadt Kelâa M’Gouna im Rosental, an der Mündung zum Dades-Tal. Es ist ein Ort am Fuße des Hohen Atlas, der alljährlich zur Hauptstadt der Rose wird. Gemeinsam mit der Blüte der Damaszener Rose im Mai und Juni blühen hier auch die Möglichkeiten für die weibliche Bevölkerung der Region. Unter ihnen Zahara: Die sympathische Marokkanerin ist Leiterin einer Rosenkooperative im Tal der Rosen. Die Kooperative wurde 2003 von einem Frauenverein und mit Unterstützung des marokkanischen Landwirtschaftsministeriums ins Leben gerufen. Was mit nur vier Frauen begann, zählt mittlerweile über tausend Mitglieder in fünf Kooperativen. Zehn davon arbeiten aktuell im Team rund um Zahara.

Die 18.000-Seelen umfassende Oasenstadt Kelâa M’Gouna ist weithin als Rosenstadt bekannt
Die 18.000-Seelen umfassende Oasenstadt Kelâa M’Gouna ist weithin als Rosenstadt bekannt / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

Die Rosenzucht ist eine relativ neue Angelegenheit in Marokko. Erst in den 1940ern importierten die Franzosen die feinblütigen Blumen. Damals dachte allerdings noch niemand daran, aus dem duftenden Gewächs Geld zu machen. Vielmehr dienten die Rosenhecken den privaten Feldern, von denen fast jede marokkanische Familie eines besaß, als Schutz. Erst 1988 begann man damit, Rosenöl herzustellen. Die Rosen wurden dafür an französische Destillerien verkauft. Mit der Zeit stiegen Nachfrage und Preis; Rosengärten wurden angelegt und die Einheimischen begannen, selbst zu destillieren.

Vom Rosental in die Welt

Zahara, Leiterin der Rosenkooperative, vor dem Damaszener-Rosenfeld.
Zahara, Leiterin der Rosenkooperative, vor dem Damaszener-Rosenfeld / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

Anfang der 2000er bemühte sich die Regierung, den anhaltenden Analphabetismus in der weiblichen Bevölkerung zu reduzieren. Die Gründung eigener Vereine sollte den Frauen aus der Armut helfen – darunter auch die Rosenkooperative, die von Zahara geleitet wird. Die Marokkanerin, Jahrgang 1968, war unter den ersten ihrer Generation, die eine schulische Bildung genossen. Nachdem sie geheiratet und ihre Kinder großgezogen hatte, trat sie der Kooperative bei.

„Für den Verein musste ich mehrere Zusatzausbildungen machen, das waren eigene Schulungen vom Landwirtschaftsministerium. Vieles habe ich mir in den letzten Jahren auch selbst beigebracht“, so die Rosenspezialistin. Mittlerweile ist sie auf Messen weltweit unterwegs, fliegt nach Dubai und Berlin, um dort das marokkanische Rosenöl zu vermarkten. Der Staat fördert die Vereinigung, indem er die teuren Maschinen sponsert.

Die Kooperative stellt ihre Produkte in einem kleinen Werksgebäude in Kelâa M’Gouna her
Die Kooperative stellt ihre Produkte in einem kleinen Werksgebäude in Kelâa M’Gouna her / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

„Wir wollten nicht nur Produkte verkaufen“, erklärt Zahara, als sie unsere kleine Gruppe nach hinten in die Destillerie führt. „Unser Ziel war es immer, auch die Frauen hier stark zu machen. Viele konnten weder lesen noch schreiben.“ Hier, in einem etwa 50 Quadratmeter großen Nebenraum, gehen sie und ihr Team während des Frühsommers fast täglich ans Werk.

Vom Feld zum Destillat: Der Weg der Damaszener-Rose

Die Ernte

 
 
Die Damaszener-Rosen werden im Mai und Juni in sorgsamer Handarbeit gepflückt.
Die Damaszener-Rosen werden im Mai und Juni in sorgsamer Handarbeit gepflückt / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

Die Blüten für die Destillation werden zunächst in einem Feld unweit der Kooperative herangezogen. Die Erntehelferinnen sind als zusätzliche helfende Hände nur während der Saison im Mai und Juni vor Ort. In diesen Monaten stehen sie schon früh am Rosenfeld, pflücken das zarte Rosa per Hand und singen dabei eigene Rosenlieder. Der Feldhüter, ein gut gelaunter Mittfünfziger, düngt die Blumen mit dem Mist der Schafe, die weiter oben am Berg gehalten werden.

Die Erntearbeiten der Frauen finden im Freien, in der Hitze des Frühsommers, statt
Die Erntearbeiten der Frauen finden im Freien, in der Hitze des Frühsommers, statt / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

„Es ist eine Kette: Die Bergschäfer können den Dung der Schafe verkaufen. So profitieren auch sie von der Rosensaison. Je mehr Rosen es gibt, desto mehr Arbeit hat unsere Kooperative. Von dem Geld, das wir verdienen, können wir wiederum neue Rosen kaufen“, erklärt Zahara, während wir den Arbeiterinnen beim Pflücken und Singen zusehen.

Die Blütentrennung

Die Mitarbeiterinnen trennen die Rosenblüten von unerwünschten Pflanzenteilen
Die Mitarbeiterinnen trennen die Rosenblüten von unerwünschten Pflanzenteilen / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

Anschließend bringt der Feldherr die Ausbeute des Tages in die rund fünf Fahrminuten entfernte Kooperative. Die Rosen werden dort zunächst sorgsam von den harten Stängeln getrennt. Diese Arbeit erledigen zwei Frauen des etwa zehnköpfigen Teams per Hand. Ein langwieriger Prozess, der einiges an Geduld und Genauigkeit erfordert. Erst, wenn die Blütenblätter von unerwünschten Pflanzenteilen befreit wurden, kommen sie in einen Korb – und weiter in den großen Stahlkessel zur Wasserdampfdestillation.

Die Destillation

Die Mitarbeiterin gibt die Blüten zur Destillation in den Kessel
Die Mitarbeiterin gibt die Blüten zur Destillation in den Kessel / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

Die Rosenblüten befinden sich nun im Kessel. Über einen Einsatz werden sie vom darunter kochenden Wasser getrennt, sodass sie dem heißen Dampf ausgesetzt sind. Bei diesem Prozess lösen sich die ätherischen Öle aus den Blüten. Gemeinsam mit dem Dampf werden die Öle weiter in einen Kondensator transportiert. Dort wird dieser durch Kühlung wieder verflüssigt. Dabei entsteht ein Kondensat aus Wasser und Öl, das schließlich separiert wird. Was bleibt, sind geringe Mengen Rosenöl und das Rosenwasser. Eine erneute Destillation sorgt dafür, dass die Produkte der Kooperative besonders rein und qualitätsvoll sind.

Blühende Fantasie: Was die Zukunft bringt

Aus den Rosen entsteht eine Vielzahl an Produkten – von Öl über Wasser bis hin zum duftigen Potpourri
Aus den Rosen entsteht eine Vielzahl an Produkten – von Öl über Wasser bis hin zum duftigen Potpourri / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

Der ganze Prozess von der Ernte bis zum fertigen Destillat dauert etwa einen Monat. „Wir würden natürlich gerne mehr und länger produzieren. Dafür benötigen wir aber größere Mengen Damaszener-Rosen, die wir nicht haben. Die Nachfrage ist aber schon da“, so die Leiterin. Damit die Kooperative auch außerhalb der Damaszener-Saison Arbeit hat, arbeiten Zahara und ihre Frauen an neuen Produktideen. Arganöl kommt bereits zum Einsatz, zukünftig will man auch mit Datteln, die in Marokko ganzjährig gedeihen, Kosmetik herstellen.

Die Arbeit des Frauenteams ist mühsam, lohnt sich aber – am Ende wird die Kooperative mit wertvollem, duftenden Rosenöl belohnt
Die Arbeit des Frauenteams ist mühsam, lohnt sich aber – am Ende wird die Kooperative mit wertvollem, duftenden Rosenöl belohnt / © FrontRowSociety.net, Foto: Christina Horn

„Die Kooperative zu erhalten, ist natürlich nicht einfach. Es ist schon eine Herausforderung“, erzählt Zahara. „Unser Ziel ist es, neue Rohstoffe zu verwenden, damit wir das ganze Jahr über Produkte herstellen können.“ Auch hier, wie bei den Rosen, gilt: Gut Ding will Weile haben. Was die Zukunft den Frauen der Kooperative bringt, steht noch in den Sternen. Ein Blick in ihre Gesichter, die jedes Mal aufblühen, wenn sie von ihrer Arbeit erzählen, bestätigt aber: Der frauengeführte Betrieb wird auch in Zukunft weiter wachsen.

Lust darauf, den Südwesten Marokkos persönlich kennenzulernen? Mehr dazu im Beitrag Marokkos Tor zur Wüste: Ouarzazate.

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