Als teile sich die Neue Straße in Ulm extra für die kunsthalle weishaupt – diesen Eindruck gewinnt man nicht nur aus der Luft, sondern auch, wenn man aus Richtung Petrusbrunnen zu dem Privatmuseum schlendert.
Wer die Südseite des Hauses betritt, über dessen Kopf schwebt der gläserne Verbindungsgang zum Museum Ulm. Dabei passiert man weiter die Flanke des modern-monumentalen Gebäudes aus Glas und hellem Jurakalkstein, das historische Rathaus samt der astronomischen Uhr vor den Augen. Die Architektur der Kunsthalle wirkt konträr zum mittelalterlichen Ulm. Doch mitnichten ist sie eine Bausünde, sondern ein Kunstwerk an sich, das auf den pulsierenden Zeitgeist innerhalb der Stadt verweist.


Dialog zwischen Architektur und Kunst
Der Raum, der die Bühne für die Sammlung von Siegfried und Jutta Weishaupt bildet, könnte nicht besser gewählt sein. Im Herzen von Ulm gelegen, durch Glasfronten direkt mit der Umgebung verbunden, entsteht zwischen den Werken zeitgenössischer Kunst und dem Zeitgeschehen, dem Alltag, eine Verbindung. Wessen Handschrift den Stil des verantwortlichen Architekten Wolfram Wöhr prägte, fällt beim Betrachten des Licht-und-Schatten-Spiels sowie der Formsprache direkt auf. Wöhr formte die Schule des Amerikaners Richard Meier, der neben dem Stadthaus Ulm avantgardistische Gebäude wie das Daimler-Benz-Forschungszentrum sowie das Weishaupt-Forum hier verwirklichte.


Während der 2007 fertiggestellte Bau als solches fast brachial wirkt, nimmt sich jedoch sein Inneres zurück. Hier setzt die Architektur unverwechselbare Akzente, überlässt allerdings den Kunstwerken die Hauptrolle. Über die imposante Treppe mit Sogwirkung erreicht man die beiden Ebenen, die durch wechselnde Ausstellungen belebt werden. Im Reigen von natürlichem und künstlichem Licht treten die Arbeiten von Andy Warhol, Willem de Kooning, Keith Haring und Karl Gerstner mit den Besuchern in Dialog.


Sammlung wird Teil der Stadt
Siegfried und Jutta Weishaupt prägen mit ihrem Unternehmen Ulm, dessen Umgebung und seine Menschen. Ihre Leidenschaft für zeitgenössische Kunst kanalisieren sie im Sammeln von Objekten wegweisender und namhafter Künstler sowie von Neuentdeckungen der Kunstszene. Seit 1967 haben sie mehr als 400 Werke zusammengetragen. Diese werden nunmehr von ihrer Tochter, der Kunsthistorikerin Kathrin Weishaupt-Theopold, verwaltet und für Ausstellungen kuratiert. Das offene, lichtdurchflutete Foyer sowie das öffentliche Café unterstreichen die Symbiose von Kunsthalle und Stadt erneut. Familie Weishaupt spannt über durchlässige Glasfronten einen Bogen zwischen Umgebung und Kunst, einladend und offen.


Auch ist der „schwebende“ Steg zum Museum nicht nur ein architektonischer Coup, sondern ein echtes Bindeglied. Gegenwartskunst und Historie existieren nebeneinander und miteinander, verbunden durch einen gläsernen Brückenschlag. Der gemeinsame Nenner von Kunsthalle und Museum wird während der vorübergehenden Schließung des Museums Ulm verstärkt herausgearbeitet. Über den Zeitraum der Renovierung des Ulmer Museums zeigt die kunsthalle weishaupt auf der ersten Ausstellungsebene inzwischen den zweiten Teil der Ausstellung „Museum neu buchstabiert“. Somit schließt sich einmal mehr der Kreis zwischen der privaten Kunstsammlung, den Ulmer Bürgern und ihren Gästen.


Was zeigt ein neu buchstabiertes Museum?
Es ist sozusagen eine Mini-Serie bestehend aus zwei Teilen, diese Ausstellung „Museum neu buchstabiert“. Seit dem 14. Januar 2024 stehen Exponate des Ulmer Museums unter den Buchstaben A bis L versammelt in der Kunsthalle Weishaupt. Damit zeigt man jedoch nicht etwa nur einen Querschnitt, vielmehr spielen sich die Ausstellungsstücke den Ball zu. Besucher erleben während dieses Intermezzos das Museum Ulm aus einer neuen Perspektive, indem entlang der Buchstaben des Alphabets eine vielfältige Auswahl von Objekten, Bildern, Skulpturen und Geschichten präsentiert wird.


Die Fortsetzung widmet sich seit dem 23. November 2024 den Buchstaben M bis Z. Artefakte der Eiszeit- und Höhlenkunst der Schwäbischen Alb, Alltagsgegenstände sowie Skulpturen und Gemälde zeigen Parallelen sowie Differenzen beider Museen. Die Neugier wird in jedem Fall geweckt, interaktiv und analog. Beide Gebäude sind optisch und haptisch miteinander verbunden, und offensichtlich auch im Herzen.


Aktuelle Ausstellung: Anything But Flat
Noch bis zum 23. März diesen Jahres stellt die Ausstellung „Anything But Flat“ die Mehrdimensionalität in den Fokus. „Von der Fläche in den Raum“, heißt das Motto dieser teils raumfüllenden Ausstellung. Exponate von Lucio Fontana, Gotthard Graubner und John Chamberlain sind genauso auszumachen wie die Arbeiten von Katja Strunz und Imi Knoebel. Insgesamt lassen 30 Werke die Dreidimensionalität von Kunst begreifen. Sie befeuern unsere Fantasie und laden zum Betrachten aus unterschiedlichen Perspektiven ein. Schaffensformen der Künstler unserer Zeit regen zu Überlegungen für Zuhause an. So manches Exponat macht sich sicherlich gut im heimischen Kontext. Warum auch nicht? Man kann und darf sich durchaus anregen lassen, quasi vom Betrachten zum Sammeln überzugehen.



Aber vor allem wird man als Besucher zum Teilhaben eingeladen. Auf der zweiten Ausstellungsebene befinden sich Mitmachstationen. Stillen Beobachtern fällt auf, dass diese den Spieltrieb eines jeden zu Tage fördern. Direkt gegenüber der Arbeit „Modelle der Vergangenheit“ von Günther Uecker liegen Bretter und Nägel bereit, selbst Künstler:in zu sein. Die Spitze des Ulmer Münsters hat man dabei vor Augen. Darüber hinaus kann man sich an Imi Knoebels „Fishing Red II“ versuchen oder es Turi Simeti gleichzutun. Entdecken, gestalten und Kunst mit allen Sinnen erleben. Wer wird nicht gern selbst zum Schöpfer?



Hin und wieder sind kritische Stimmen in der Öffentlichkeit zu vernehmen, die sich auf bestimmte Aspekte der Präsentationen, etwa die Auswahl der Künstler:innen oder die Konzeption der Ausstellungen, beziehen. Doch es darf nicht vergessen werden, dass Familie Weishaupt ihre Sammlung in die Mitte unserer Gesellschaft transportiert, statt die Kunstwerke hinter verschlossenen Türen aufzubewahren.

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