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Theresa Olkus ist seit 2022 Geschäftsführerin des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) und prägt damit eine der zentralen Institutionen im deutschen Weinbau. Sie ist heute bei uns zu Gast im Interview. 

In einer Phase, in der der Konsum von deutschem Wein rückläufig ist und Winzerinnen und Winzer vor großen Herausforderungen wie Klima- und Strukturwandel stehen, setzt Olkus auf die Stärken des VDP: Herkunft, handwerkliche Qualität und die internationale Strahlkraft der Großen Gewächse. Zugleich betont sie die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Transparenz, um Vertrauen bei Konsumenten und Märkten zu schaffen. Im Interview spricht Olkus über die Zukunft des deutschen Weins, die Rolle des VDP als Hüter der Tradition und Reformmotor sowie über neue Impulse für den internationalen Wettbewerb.

Der Weinadler des VDP steht für unverfälschte Qualität, also Wein in seiner reinen Form
Der Weinadler des VDP steht für unverfälschte Qualität, also Wein in seiner reinen Form / © Redaktion FrontRowSociety.net

Exklusives Interview mit Theresa Olkus, Geschäftsführerin des VDP

Theresa Olkus, Geschäftsführerin des VDP, über die Zukunft des deutschen Weins, Große Gewächse und Nachhaltigkeit.

Annett Conrad: Frau Olkus, während die Zukunftsinitiative Deutscher Weinbau Alarm im Bezug auf Konsumrückgang und Winzersterben schlägt und dabei von einem historischen Einschnitt spricht, steht der VDP mit seiner langen Tradition und Strahlkraft für Kontinuität. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage – und welchen Beitrag kann der VDP in dieser Krise leisten?

Theresa Olkus: Ich finde die Kampagne „trinkt mehr deutschen Wein“ schwierig — sie setzt auf Appell statt auf Überzeugung. Natürlich wünsche auch ich mir mehr Selbstbewusstsein für unsere Produkte: Regionalität ist bei Fleisch, Brot oder Gemüse längst ein Wert — warum nicht auch beim Wein? Das aber funktioniert nur über Qualitätsarbeit, Erzählung und Erlebnisse, nicht durch Überreden. Der VDP kann hier Kompass sein: Klarheit schaffen, Zuversicht ausstrahlen und zeigen, dass Herkunft und handwerkliche Qualität zusammen funktionieren. Wir müssen erklären, warum deutscher Wein schmeckt, warum Terroir zählt — dann kaufen Menschen aus Überzeugung, nicht aus Pflichtgefühl.

Theresa Olkus, seit 2022 Geschäftsführerin des VDP / © Foto Peter Bender

Annett Conrad: Kritiker sagen, dass der VDP mit seinem Fokus auf Spitzenlagen und Top-Erzeuger zwar die Spitze des Eisbergs darstellt, aber nicht unbedingt die Breite der Winzerschaft im Blick hat. Wie begegnen Sie diesem Vorwurf?

Theresa Olkus: Für mein Empfinden war und ist es schon immer so, dass der VDP natürlich viel für seine Winzerinnen und Winzer, sprich seine Mitglieder tut, aber dabei stets den Gesamtdeutschen Weinbau im Blick hat und die richtigen Impulse setzt – sei es in der Nachhaltigkeit, der Imageprägung des deutschen Weines auch im Ausland, im ehrenamtlichen Engagement etc.

Annett Conrad: Die „Großen Gewächse“ gelten als Aushängeschild des deutschen Spitzenweins. Zugleich mehren sich Stimmen, die fragen, ob das Konzept in seiner aktuellen Form noch dem heutigen Weinbautrend und den Weingeschmäckern entsprechend ist. Braucht es eine Neujustierung?

Theresa Olkus: Große Gewächse sind per Definition nicht Trendprodukte, sondern die Interpretation von Lage und Persönlichkeit in der Flasche. Natürlich spiegelt jeder Jahrgang einen Zeitgeist und es gibt verschiedene Stilrichtungen — das soll auch so sein. Für mich überzeugt am Ende Kontinuität: der nachvollziehbare Aufbau von Gutswein, Ortswein, Erste Lage zu Große Lage – und so wird es international auch verstanden.

Ein GG ist ein trocken ausgebauter Wein höchster Qualität und stammt aus einer vom VDP klassifizeirten Großen Lage - die Krönung des VDP-Klassifikationsmodells
Ein GG ist ein trocken ausgebauter Wein höchster Qualität und stammt aus einer vom VDP klassifizeirten Großen Lage – die Krönung des VDP-Klassifikationsmodells / © Redaktion FrontRowSociety.net

Annett Conrad: Im gleichen Zusammenhang wird immer wieder bemängelt, dass einzelne Winzer mit ihrer Arbeit das Gütesiegel der Großen Gewächse verwässern. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um, und wie stellen Sie sicher, dass das hohe Qualitätsversprechen eingehalten wird?

Theresa Olkus: Stil ist wichtig — aber entscheidend bleibt die Qualität. Und da gibt es keine Kompromisse. Das Regelwerk der Großen Gewächse ist strikt, die Prüfungen sind es auch. Gleichzeitig leben 200 Weingüter vom individuellen Ausdruck; ein gewisses Maß an Individualismus muss möglich bleiben. Unser Instrumentarium muss aber dafür sorgen, dass Qualitätsversprechen belastbar bleiben: klare Regeln und eine nachvollziehbare Reputation.

Annett Conrad: Der VDP hat mit der Qualitätspyramide ein weithin anerkanntes System geschaffen. Halten Sie diese Struktur auch in Zukunft für tragfähig – oder sehen Sie konkrete Ansatzpunkte für Reformen und Neujustierungen, beispielsweise ähnlich der burgundischen Klassifizierung?

Theresa Olkus: Es gab und wird immer kleine Feinjustierungen geben, eine perfekte Klassifikation zu erreichen ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ich sehe die Pyramide aber als sehr weit entwickeltes System — wir lernen seit fast 30 Jahren dazu. Was bleibt: die Grundlogik ist richtig, aber Details lassen sich schärfen, Abläufe vereinfachen und Kommunikation verbessern. Wichtig ist, dass jede Änderung das Vertrauen der Verbraucher und der internationalen Märkte stärkt.

Eine VDP.GROSSE LAGE definiert die höchste Qualitätsstufe der Prädikatsweingüter Deutschlands / © Foto Peter Bender

Annett Conrad: Viele Weinkenner schätzen die Strahlkraft der Großen Gewächse im internationalen Wettbewerb. Welche Auslandsmärkte priorisiert der VDP künftig – und nach welchen Kriterien erfolgt diese Auswahl? Wie erlebt der VDP die Reputation von deutschen GG’s im Ausland?

Theresa Olkus: Wir erleben, dass Große Gewächse als deutsche „Grand Crus“ verstanden werden: das Konzept und das Logo funktionieren in Singapur, Melbourne genauso wie in London oder São Paulo. Priorität behalten für uns Märkte wie Skandinavien, Benelux, USA und UK — daneben Japan, China und selektive andere Märkte. Die Auswahl richtet sich nach Nachfrage und Imagewirkung. Das Ziel ist eine nachhaltige Präsenz.

Annett Conrad: Bei der jüngsten Präsentation der Großen Gewächse in Wiesbaden wurde diskutiert, ob die schiere Menge der präsentierten Weine noch im Sinne von Fachwelt und Winzern sind. Wie blicken Sie selbst auf dieses Spannungsfeld zwischen Vielfalt und Überfrachtung, sowie auf die Auswahl der Fachleute?

Theresa Olkus: Als nationale Präsentation — nicht gestaltet nach einem einzelnen Anbaugebiet, sondern mit ganz Deutschland — halte ich die Zahl der Weine für angemessen. Klar braucht es Vorbereitung und Fokussierung, um an den drei Tagen einen guten Überblick zu behalten. Die Gäste sind ja aber Profis. Auch deshalb wählen wir die Gäste sorgfältig aus: eine Mischung aus Gastronomie, Handel, Importeuren und Journalisten, national und international, damit die Vielfalt sinnvoll „gefiltert“ wird.

Zur jährlichen Verkostung der GG’s sind über drei Tage die besten Fachleute der Weinbranche geladen / © Foto Peter Bender

Annett Conrad: Nachhaltigkeit, biologische und biodynamische Bewirtschaftung werden für Winzer und Verbraucher immer wichtiger. Wie positioniert sich der VDP hier – und wie weit wollen oder können Sie Ihre Mitglieder stärker in diese Richtung verpflichten?

Theresa Olkus: Es ist so, dass bald mehr als die Hälfte der VDP-Betriebe biologisch arbeiten, einige sogar biodynamisch – und mit Ende 2025 alle nachhaltig zertifiziert sein werden. Das ist für eine Vereinigung unserer Größe ein echter Meilenstein. Wir positionieren uns damit klar, aber ohne Dogmatismus. Uns ist wichtig, dass jede Winzerin, jeder Winzer das ihm oder ihr Mögliche tut und sich kontinuierlich weiterentwickelt. Ein handwerklich gemachter, unverfälschter Wein mit Rücksicht auf die Natur – das stand ja schon in unseren Gründungsstatuten.

Annett Conrad: Mit dem Klimawandel gewinnen auch pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWI) an Bedeutung. Ist es denkbar, dass solche Sorten künftig in der VDP-Klassifikation berücksichtigt oder gar als „Große Gewächse“ zugelassen werden?

Theresa Olkus: Theoretisch ist vieles denkbar. Praktisch hängt eine mögliche Integration von PIWI-Sorten aber davon ab, ob sie die Kriterien erfüllen, die wir an unsere Klassifikation anlegen: Terroirwiedergabe, Lagerfähigkeit, dazu sollten die Rebsorten in der Spitze profilgebend für die Region / eine bestimmte Herkunft sein. Und da sind wir im Moment noch ein gutes Stück entfernt. Vor einer Aufnahme in die höchsten Klassen bräuchte es Langzeitversuche, sensorische Validierung und klare rechtliche Rahmenbedingungen. Kurz gesagt: Neugier und Forschung ja – auch Ausprobieren, was viele unserer Weingüter im Bereich des Gutsweines beispielsweise auch schon tun, (zu) schnelle Entscheidungen nein.

Die wertvollsten Weinberge einer Region zeichnen sich durch außergewöhnliche Terroirs, spezielle Rebsorten und ein hohes Reifepotenzial aus / © Foto Peter Bender

Annett Conrad: Wenn Sie einen Blick nach vorne werfen: Welche Rolle wird der VDP in den nächsten zehn Jahren spielen – nur als Wahrer der Tradition, oder auch als Reformmotor, der den deutschen Weinbau fit für die Zukunft macht?

Theresa Olkus: Der VDP bleibt Hüter der Herkunfts- und Qualitätsidee und diese Kontinuität gibt Vertrauen. Aber wir beschränken uns nicht darauf und werden auch weiterhin Reformmotor sein: beim Umgang mit dem Klimawandel, bei Nachhaltigkeit, bei der internationalen Kommunikation.

Vielen Dank, liebe Theresa Olkus, für die prägnanten und aufschlussreichen Antworten.

FrontRowSociety Herausgeberin Annett Conrad führte das Interview mit Theresa Olkus im September 2025. 

Weitere Informationen

Theresa Olkus
Verband Deutscher Prädikatsweingüter e. V.
Im Weinlagergebäude Zollhafen, Taunusstraße 61
55118 Mainz