Epigenetik, Schlaf & Sinn: Der Experte und ärztliche Leiter des Medical Spa im 5-Sterne-Hotel Villa Eden in Meran Dr. Emanuele De Nobili erklärt in einem Interview, wie wir Altern verlangsamen und gesunde Lebensjahre gewinnen können – jenseits von Trends & Mythen.
Längst geht es beim Thema Langlebigkeit nicht mehr nur um Lebensjahre, sondern um gesunde, erfüllte Jahre voller Vitalität. In unserem exklusiven Interview spricht ein führender Experte für Longevity-Medizin über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Rolle der Epigenetik und unterschätzte Faktoren wie Schlaf, Stressresilienz und soziale Verbundenheit. Außerdem verrät er, wie sich Lifestyle-Interventionen mit Hightech-Methoden verbinden lassen – für ein längeres, gesünderes Leben.

Exklusives Interview mit dem Longevity-Experten Dr. Emanuele De Nobili: Über die Wissenschaft der Langlebigkeit
Annett Conrad: Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Langlebigkeit – wie hat sich Ihr wissenschaftliches Verständnis von gesundem Altern im Laufe der Zeit entwickelt?
Dr. Emanuele De Nobili: Als ich meine Karriere begann, wurde Langlebigkeit oft im Zusammenhang mit Genetik und der reinen Lebensspanne betrachtet. Mit der Zeit hat sich mein Blickwinkel jedoch stärker auf die „Healthspan“ verschoben – also die Jahre, die wir in guter Gesundheit verbringen – und auf die enorme Bedeutung veränderbarer Faktoren. Fortschritte in Epigenetik, Stoffwechselwissenschaft und Systembiologie haben gezeigt, dass Altern nicht nur ein unvermeidlicher Abbau ist, sondern ein dynamischer Prozess, den wir beeinflussen können. Heute wissen wir, dass gezielte Ernährung, Stressmanagement, Schlafoptimierung und spezifische medizinische Interventionen biologische Systeme neu kalibrieren, die Zellalterung verlangsamen und sogar bestimmte Marker umkehren können. Gesundes Altern bedeutet weniger, Jahre hinzuzufügen, sondern vielmehr, diesen Jahren Vitalität zu verleihen.

Annett Conrad: Welche Rolle spielt Epigenetik in Ihrem Ansatz zur Förderung von Langlebigkeit, und wie können wir diesen Prozess konkret durch Lifestyle-Interventionen beeinflussen?
Dr. Emanuele De Nobili: Epigenetik ist zentral für meine Arbeit, weil sie erklärt, wie unsere Umwelt und unser Verhalten Gene, die mit Alterung, Entzündung und Krankheit verbunden sind, „einschalten“ oder „ausschalten“ können. Zwar erben wir unsere DNA-Sequenz, doch die Genexpression ist stark beeinflussbar. Durch umfassende Tests lassen sich biologisches Alter, organspezifisches Altern und entscheidende Abbauprozesse identifizieren. Darauf aufbauend können gezielte Maßnahmen – wie entzündungshemmende Ernährung, intermittierendes Fasten, Wiederherstellung des Mikrobioms, Stressreduktion, Bewegung und ausgewählte Nahrungsergänzungen – die Genexpression positiv umprogrammieren. Kurz gesagt: Epigenetik befähigt uns, aktive Gestalter unserer Gesundheit zu sein, anstatt passive Beobachter unseres genetischen Schicksals.
Annett Conrad: In der öffentlichen Diskussion wird Langlebigkeit oft auf Ernährung und Bewegung reduziert. Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht die meist unterschätzten?
Dr. Emanuele De Nobili: Ernährung und Bewegung sind grundlegend, aber nur ein Teil des Ganzen. Drei besonders unterschätzte Säulen sind:
- Schlafqualität – Tiefer, erholsamer Schlaf treibt die zelluläre Reparatur, das hormonelle Gleichgewicht und die Entgiftung des Gehirns voran.
- Stressresilienz – Chronischer Stress beschleunigt Entzündungen und Alterung; die Regulierung des autonomen Nervensystems ist daher entscheidend.
- Soziale Verbundenheit und Sinn – Enge Beziehungen und ein Gefühl von Bedeutung schützen die mentale Gesundheit, senken das Krankheitsrisiko und verlängern das Leben.
In meiner klinischen Erfahrung machen jene Menschen die größten Fortschritte in Lebensqualität und Healthspan, die diese Faktoren mit Ernährung und Bewegung kombinieren.

Annett Conrad: Wie beurteilen Sie aktuelle technologische Entwicklungen in der Langlebigkeitsmedizin – wie Bluttests zur Bestimmung des biologischen Alters oder personalisierte Supplementierung?
Dr. Emanuele De Nobili: Ich halte sie für bahnbrechend – sofern sie verantwortungsvoll eingesetzt werden. Tests zum biologischen Alter, insbesondere solche auf Basis von DNA-Methylierungsmustern, liefern wertvolle Einblicke in die Wirksamkeit von Lebensstil- und Therapieinterventionen. Sie ermöglichen uns, Fortschritte zu messen, die über klassische medizinische Tests hinausgehen. Personalisierte Supplementierung, gestützt auf moderne Diagnostik, führt uns weg von pauschalen Ratschlägen hin zu Präzisionsgesundheit. Doch diese Werkzeuge müssen im klinischen Kontext interpretiert werden. Ohne fachliche Begleitung droht Fehlnutzung – etwa durch unnötige Ergänzungen oder falsche Erwartungen. Richtig eingesetzt beschleunigen sie jedoch unseren Weg zu frühen und wirksamen Interventionen.
Annett Conrad: „Longevity als Lifestyle“ wird immer populärer. Wie gehen Sie mit der Spannung zwischen evidenzbasierter Medizin und dem Hype um Biohacking, Anti-Aging-Trends und kommerzielle Wellness-Produkte um?
Dr. Emanuele De Nobili: Mein Ansatz ist, Innovation anzunehmen, aber dabei wissenschaftliche Strenge zu bewahren. Viele Trends im Biohacking oder Anti-Aging beginnen mit spannenden Hypothesen, verfügen aber noch nicht über belastbare Evidenz. Bei Eden’s Health testen und integrieren wir nur Methoden, die in der klinischen Praxis messbare Vorteile zeigen und mit Peer-Review-Forschung übereinstimmen. Langlebigkeit als Lifestyle sollte nicht darin bestehen, der neuesten Mode zu folgen, sondern nachhaltige, personalisierte Strategien umzusetzen, die überprüfbar und anpassbar sind. So verbinden wir die Aufbruchsstimmung neuer Möglichkeiten mit der Verantwortung, Patient:innen vor unwirksamen oder gar schädlichen Methoden zu schützen.

Annett Conrad: Viele Menschen wünschen sich ein langes Leben, fürchten aber, es mit Einschränkungen verbringen zu müssen. Wie sieht Ihre Vision eines „gut gealterten Lebens“ aus – und wie realistisch ist sie heute?
Dr. Emanuele De Nobili: Ein „gut gealtertes Leben“ bedeutet für mich, dass ein Mensch bis ins hohe Alter körperlich unabhängig, geistig wach und emotional erfüllt bleibt. Es geht darum, die Phase der Krankheit zu verkürzen – also den Beginn altersbedingter Einschränkungen hinauszuzögern, sodass die letzten Jahre weniger von Leiden und mehr von Vitalität geprägt sind. Diese Vision ist heute zunehmend realistisch, dank Fortschritten in Präventivmedizin, frühzeitiger Risikodiagnostik und gezielten Interventionen. Allerdings setzt sie voraus, dass man frühzeitig aktiv wird. Wer rechtzeitig auf Lifestyle-Optimierung und regelmäßige Gesundheitschecks setzt, hat deutlich bessere Chancen auf gesunde Langlebigkeit.
Annett Conrad: Wenn Sie nur drei konkrete Empfehlungen für mehr gesunde Lebensjahre geben könnten – unabhängig von Alter oder Genetik – welche wären das und warum?
Dr. Emanuele De Nobili:
- Stoffwechselgesundheit priorisieren – Durch stabile Blutzuckerwerte, gesundes Gewicht und Insulinsensitivität mittels ausgewogener Ernährung und Bewegung lassen sich die meisten chronischen Erkrankungen vermeiden.
- In Erholung investieren – Schlaf, Stressmanagement und regenerative Praktiken sind ebenso wichtig wie Bewegung, um den Alterungsprozess zu verlangsamen.
- Beziehungen und Sinn pflegen – Starke soziale Bindungen und ein Gefühl von Bedeutung sind mächtige Prädiktoren für Langlebigkeit, die sowohl körperliche als auch mentale Gesundheit beeinflussen.
Diese drei Säulen sind für alle zugänglich, wirken in jedem Alter und sind wissenschaftlich klar belegt. Zusammen können sie nicht nur die Lebensdauer, sondern auch die Lebensqualität verlängern.
Ich bedanke mich bei Dr. Emanuele De Nobili für die aufschlussreichen Antworten.

Weitere Informationen
Villa Eden
Via Winkel 68
39012 Meran / Italien

























































