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Die Formel E hat sich in nur einem Jahrzehnt vom belächelten Außenseiter zum Innovationsmotor des Motorsports entwickelt. Mitten im Spannungsfeld von Technologie, Nachhaltigkeit und urbaner Mobilität steht eine Rennserie, die den Wandel nicht nur begleitet, sondern aktiv vorantreibt.

Seit 2023 lenkt Jeff Dodds als CEO die Geschicke der Formel E – mit klarer Wachstumsstrategie, digitalem Feingespür und einem unerschütterlichen Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. Im Gespräch mit FrontRowSociety spricht Dodds über seine Vision für die Zukunft der Serie, die Rolle der Formel E im globalen Mobilitätswandel – und darüber, warum elektrischer Rennsport mehr ist als nur ein Trend.

Jean-Éric Vergne aus Frankreich im DS E-Tense FE25 des DS Penske Teams (Startnummer 25) auf der Strecke während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin.
Jean-Éric Vergne aus Frankreich im DS E-Tense FE25 des DS Penske Teams (Startnummer 25) auf der Strecke während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin / © LAT Imageas, Foto: Joe Portlock

Exklusives Interview mit Jeff Dodds, CEO der Formel E

Andreas Conrad: Herr Dodds, Sie haben die Leitung der Formel E in einer Phase strategischer Veränderungen übernommen. Was ist Ihre langfristige Vision für die Serie – sowohl sportlich als auch kommerziell?

Exklusives Interview mit Jeff Dodds, CEO der Formel-E
Exklusives Interview mit Jeff Dodds, CEO der Formel-E / © LAT Images Foto: Simon

Jeff Dodds: Das Schöne an meiner Aufgabe ist, dass ich ein Wachstumsunternehmen leite. Und bei Wachstumsunternehmen gibt es im Grunde nur ein strategisches Ziel: Wachstum. Dieses Wachstum kann jedoch auf viele verschiedene Arten erfolgen.
Für die Formel E bedeutet das konkret: Wir wollen unsere weltweite Sichtbarkeit über Medienkanäle erhöhen – sei es über klassisches Fernsehen oder moderne Plattformen wie YouTube, Instagram, Twitch oder TikTok. Unser Ziel ist es, unser Produkt für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erweiterung des Rennkalenders. Für die nächste Saison haben wir bereits 18 Rennen angekündigt – und wir wollen weiter wachsen.
Außerdem legen wir großen Wert auf Leistung: schnellere Autos, spannendere Rennen, enge und intensive Wettbewerbe. Mit Gen4 steht bereits die nächste Fahrzeuggeneration in den Startlöchern, die genau das bieten wird.

Kurz gesagt: mehr spektakuläre Rennen an mehr Orten, mit mehr Marken, Teams und Fahrern – und das alles für ein größeres Publikum.
Unsere Strategie heißt Wachstum – die konkreten Maßnahmen können unterschiedlich sein, aber das Ziel bleibt dasselbe.

Andreas Conrad: In einem zunehmend wettbewerbsintensiven Sport- und Unterhaltungsmarkt: Wie wollen Sie die Formel E als global relevante Marke ausbauen, ohne dabei ihre nachhaltige DNA zu verwässern?

Jeff Dodds: Nachhaltigkeit ist für uns keine bloße Markenbotschaft – sie ist ein grundlegender Bestandteil unseres Selbstverständnisses. Es gehört zu unserer Philosophie, im Sport als Maßstab für Nachhaltigkeit zu gelten. Und daran wird sich unter meiner Führung nichts ändern.

Wir bringen unser Produkt an neue Zielgruppen – Menschen, die mit der Formel E bisher nicht in Berührung gekommen sind. Ein gutes Beispiel ist unsere Evo Sessions-Kampagne. Wir haben mit elf Content Creators zusammengearbeitet – darunter auch MrBeast – und damit über 600 Millionen Views erreicht, viele davon von Zuschauern, die vorher keinen Bezug zum Motorsport hatten.

Und das alles, ohne unsere Werte zu kompromittieren. Wir nutzen lediglich neue Plattformen, um unser nachhaltiges Produkt zu zeigen – das Produkt selbst bleibt unverändert.

Jake Dennis aus Großbritannien im Porsche 99X Electric Gen3 des Andretti Formula E Teams (Startnummer 27) auf der Strecke während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin.
Jake Dennis aus Großbritannien im Porsche 99X Electric Gen3 des Andretti Formula E Teams (Startnummer 27) auf der Strecke während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin / © LAT Images, Foto: Andrew Ferraro

Andreas Conrad: Welche Rolle spielt die Formel E bei der Transformation der Mobilitätsbranche – und wie kann sie als Brücke zwischen Technologie, Sport und Gesellschaft fungieren?

Jeff Dodds: Wir spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Formel E wurde ins Leben gerufen, um den Übergang vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb zu beschleunigen.
Trotz einiger aktueller Herausforderungen in der Automobilbranche wird weiterhin ein deutliches Wachstum bei Elektrofahrzeugen prognostiziert. Als wir begonnen haben, wurden weltweit etwa 300.000 E-Fahrzeuge pro Jahr verkauft – heute sind es zwischen 15 und 20 Millionen.

Unsere Herstellerpartner – Porsche, Nissan, Stellantis, Yamaha, Mahindra, Jaguar – nutzen die Formel E als Innovationslabor. Wir profitieren also nicht nur vom Wandel zur Elektromobilität – wir treiben ihn aktiv mit voran.

Jake Dennis aus Großbritannien im Porsche 99X Electric Gen3 des Andretti Formula E Teams (Startnummer 27) auf der Strecke während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin.
Jake Dennis aus Großbritannien im Porsche 99X Electric Gen3 des Andretti Formula E Teams (Startnummer 27) auf der Strecke während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin / © LAT Images, Foto: Andrew Ferraro

Andreas Conrad: Die Formel E spricht ein junges, urbanes Publikum an. Wie nutzen Sie digitale Plattformen und Medienformate, um diese Zielgruppe weiter zu binden und auszubauen?

Jeff Dodds: Wie schon erwähnt: Die Evo Sessions waren ein großer Erfolg – und heute haben wir zudem eine Partnerschaft mit MrBeasts Unternehmen Feastables bekannt gegeben. Damit sprechen wir die Jugendkultur direkt an.

Darüber hinaus integrieren wir Gamification-Elemente in unsere Rennen – etwa den Attack Mode, der eine zusätzliche strategische Komponente und ein interaktives Erlebnis wie in der Augmented Reality bietet. Wir beobachten ständig Trends im Bereich Gaming und Jugendmedien, um sie in unsere Renn-Experience einzubinden.

Dan Ticktum aus Großbritannien im CUPRA KIRO Porsche 99X Electric WCG3 (Startnummer 33) in der Boxengasse während des Qualifyings vor dem Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin.
Dan Ticktum aus Großbritannien im CUPRA KIRO Porsche 99X Electric WCG3 (Startnummer 33) in der Boxengasse während des Qualifyings vor dem Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin / © LAT Images, Foto: Andrew Ferraro

Andreas Conrad: Das Gen3-Auto war ein großer technologischer Schritt. Wie halten Sie die Balance zwischen Innovation, sportlicher Fairness und Kostenkontrolle?

Jeff Dodds: Eine sehr gute Frage. Aus Kostensicht wollen wir die Formel E inklusiv halten – nicht exklusiv. Das heißt: Wir wollen neue Hersteller und Teams gewinnen, indem wir die Kosten überschaubar halten.

Unser Kostendeckel liegt derzeit bei rund 15 Millionen US-Dollar (bzw. 14 Millionen Euro) für zwei Fahrzeuge pro Team – das ist ein Bruchteil des Formel-1-Budgets von etwa 150 Millionen.

Und trotzdem haben wir enorme technologische Fortschritte erzielt. Die Batterietechnologie entwickelt sich rasant weiter, sodass wir unsere Autos mit vergleichsweise geringem Mehraufwand deutlich leistungsfähiger machen können. Mit Gen4 gehen wir noch einen Schritt weiter: 600 kW Leistung, Allradantrieb, deutlich höhere Performance – und der Kostendeckel steigt nur im Rahmen der Inflation.

Weltmeister Oliver Rowland aus Großbritannien feiert auf der Strecke im Nissan e-4ORCE 05 des Nissan Formula E Teams (Startnummer 23) während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin.
Weltmeister Oliver Rowland aus Großbritannien feiert auf der Strecke im Nissan e-4ORCE 05 des Nissan Formula E Teams (Startnummer 23) während des Berlin E-Prix, dem 14. Lauf der FIA Formel-E-Weltmeisterschaft 2025, auf dem Tempelhofer Flughafenkurs am 13. Juli 2025 in Berlin / © LAT Images, Foto: Andrew Ferraro

Andreas Conrad: Was ist Ihrer Meinung nach der nächste große Entwicklungsschritt – die nächste „Revolution“ – im elektrischen Motorsport?

Jeff Dodds: Vermutlich die Batterietechnologie. Derzeit nutzen wir Lithium-Ionen-Batterien, aber Festkörperbatterien entwickeln sich sehr schnell weiter. Sollten wir es schaffen, innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre Festkörperbatterien einzusetzen, könnten wir das Batteriegewicht um 30 % reduzieren – bei gleichzeitig höherer Energiedichte und insgesamt besserer Leistung. Für mich ist das der nächste echte Quantensprung.

Herzlichen Dank Jeff, für Deine Zeit.

FrontRowSociety-Herausgeber Andreas Conrad führte das Interview mit Jeff Dodds, CEO der Formel E im Juli 2025.

Weiterführende Informationen:

Formula E
77 Fulham Palace Road
London, W6 8JA / UK