Zwischen Philosophie, Biodiversität und Weinvision: Wie ein fast vergessenes Weingut in Südtirol seine Wurzeln neu entfaltet. Willkommen auf dem Ansitz Dolomythos Sacker!
Inmitten der alpinen Landschaft Südtirols, dort wo die rauen Winde des Eisacktals auf uraltes Kulturland treffen, wächst nicht nur Wein – sondern eine Idee. Eine Idee, die nicht erst heute geboren wurde, sondern die bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht, als der Hof Sacker erstmals urkundlich erwähnt wurde. Damals holte sich die Kirche von hier ihren Messwein. Heute ist dieser Ort ein Refugium für biodynamischen Weinbau, für Denkfreiheit – und für Menschen, die an kosmische Zusammenhänge glauben als nur an reine Ökonomie.

Ein Name mit Bedeutung: Dolomythos
„Dolomythos“ – der Name erinnert nicht zufällig an Mythen und Götter. Die Weine tragen Namen wie Skythos oder Athos, eine Hommage an Griechenland, an Ursprünge, an verzweigte kulturelle Verbindungen. Doch dieser Bezug ist nicht nur symbolisch – er war gelebte Philosophie von Prof. Reiner Zierock, dem früheren Vordenker des Hofs.



Zierock war ein Agrarphilosoph mit Stuttgarter Wurzeln, Berater, Denker, Visionär. Er wusste, was auf welchem Boden gedeiht. Mit Beobachtungen, Erfahrungen und innerer Logik belegte er Theorien. Anfang der 2000er Jahre kam er nach Südtirol, bepackt mit Visionen und der tiefen Überzeugung, dass Wein Ausdruck von Kultur, Landschaft und Spiritualität ist.
Die Mission: Ursprünglicher Weinbau in Südtirol
Zierock brachte neben Fachwissen auch die anthroposophische Denkweise mit – beeinflusst durch Rudolf Steiner. Er glaubte an natürliche Rhythmen, an kosmische Zusammenhänge, an Wein als lebendiges Wesen. In einem Südtirol, das noch stark genossenschaftlich geprägt war, stieß er auf Skepsis. Seine Philosophie war zu früh, zu komplex – und wurde nicht verstanden. Doch sie blieb.

Der Hof wurde unter Zierocks Leitung mit Olivenbäumen, Granatäpfeln und einer neuen Idee bepflanzt. Der erste Jahrgang entstand um das Jahr 2000, der letzte unter seiner Ägide 2007. Zwei Jahre später, 2009, verstarb Zierock. Die Besitzerin des Hofs, die fest an ihn geglaubt hatte, folgte 2012. Was blieb, war ein ungeschriebener Kodex – eine mündlich überlieferte Philosophie, getragen von den Menschen, die zurückblieben.

Übernahme der Familie Marginter – Zwischen Verantwortung und Vision
Heute führt Brunhilde Marginter gemeinsam mit ihrem Sohn den Hof. Ihr Vater stammt aus Eppan, hatte 0,4 Hektar Reben in Tramin – klein, aber mit großer Erfahrung. Er lehrte sie, der Natur zu vertrauen, im richtigen Moment zu handeln – mit Präzision, Geduld und Respekt.

2013 ersteigerte Brunhilde den Hof aus dem San Michele-Insolvenzverfahren. Klar war von Anfang an: Es wird biodynamisch gearbeitet. Der Hof stand nie für schnelles Wachstum, vielmehr für eine ruhige Entwicklung. „Quanta re – alles fließt“, steht als Grundhaltung über ihrer Arbeit.
Heute bewirtschaftet sie 3,5 Hektar, davon 2,5 rund um den historischen Ansitz, der Rest verteilt in Kleinstparzellen. Wichtigster Wein: der Dolomythos Weiß – geprägt von den Winden des Eisacktals und einer eigenständigen Stilistik.
Terroir, Präparate und die Kunst der Umwandlung
Der Hof wird konsequent biodynamisch gepflegt. Brunhilde stellt heute eigene Präparate her. Die Reberziehung wurde von der traditionellen Pergel auf Goyot umgestellt – ein radikaler Schritt für Südtirol, aber notwendig, um die Qualität zu maximieren.

Symbolträchtig ist vieles auf dem Hof: Der Quastenflosser, als Wahrzeichen für evolutionäre Beständigkeit, die Badewanne voller Heu, das Boot des Dionysos auf dem Boden – das Etikett wird zum philosophischen Manifest. Der ehemalige Seminarraum, heute Brunhildes Wohnzimmer, ist ein Fünfeck – ein spiritueller Raum, in dessen Zentrum sich ein Granatapfel im Holzboden befindet: Symbol für Fruchtbarkeit und Bodenleben.

Vinifikation – Zeit, Gefühl und minimaler Eingriff
Die Weine entstehen mit reifem Lesegut, handgelesen. Das Pressen erfolgt traditionell in der Korbpresse, der Most ruht zwei Tage im Stahltank. Anschließend geht es in Zigarillo-Fässer aus französischer Eiche. Spontanvergärung, zehn Monate Bâtonnage, keine Schwefelgabe bis zur Abfüllung. Zwei Jahre liegt der Wein auf der Vollhefe, danach wird er leicht geschwefelt – unter dem gesetzlichen Grenzwert – und wird nochmals zwei Jahre in der Flasche gelagert. Im Stollen. Still. Dunkel.

Die Rotweine durchlaufen den kompletten BSA, liegen teils bis zu drei Jahre im Holz. Für die Amphorenweine wird alles in Ton vergoren: Gewürztraminer, Sauvignon Gris, Chardonnay – als Orange Wine. Zehn Monate Amphore, danach zwei Jahre Reife im Zigarillo-Fass, wieder zwei Jahre Flasche.
Tradition trifft Zukunft
Dolomytos Sacker ist kein Weingut wie jedes andere. Es ist ein Denkraum, ein Naturraum – und ein sozialer Ort. Zwischen Mai und September finden bis zu drei Veranstaltungen pro Woche statt: mit Südtiroler Küche, viel Wohlgefühl – und Zeit.

Denn genau das ist es, was dieser Ort bietet: Zeit, um zu schmecken, zu hören, zu fühlen, was Wein auch sein kann – ein Ausdruck von Landschaft, Mensch und Überzeugung.
Der Inhalt dieses redaktionell erstellten Artikels wurde unabhängig verfasst. Die Veröffentlichung wurde durch externe Unterstützung ermöglicht, ohne Einfluss auf die journalistische Ausarbeitung. Es gilt der Redaktionskodex.
Die Redaktion von FrontRowSociety informiert, dass Alkohol verantwortungsvoll genossen werden sollte. Jeder sollte dazu verpflichtet sein, Alkohol von Kindern fernzuhalten.



























































