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In der französischen Region Champagne, etwa 45 Minuten westlich von Reims, liegt ein geologisch und paläontologisch bedeutsamer Ort: La Cave aux Coquillages, die „Muschelhöhle“.

Die Fundstätte fasziniert mit außergewöhnlich gut erhaltenen Fossilien aus dem Eozän, einer Epoche des Tertiärs vor rund 45 Millionen Jahren. Einst Teil eines subtropischen Urmeeres, bietet die Höhle heute wichtige Anhaltspunkte für die Rekonstruktion vergangener Lebensräume und Klimabedingungen. Als Ort wissenschaftlicher Forschung liefert sie wertvolle Erkenntnisse über die Biodiversität einer längst vergangenen Zeit.

Tief in der französischen Region Champagne, etwa 45 Minuten westlich von Reims, liegt ein außergewöhnlicher Ort
Mitten in der französischen Region Champagne, etwa 45 Minuten westlich von Reims, liegt das Dörfchen Fleur-La-Rivière und wartet mit einem außergewöhnlichen Ort auf / © Redaktion FrontRowSociety.net

Entstehung einer prähistorischen Welt

Vor Millionen von Jahren war das heutige Gebiet der Champagne nicht von Weinreben bedeckt, sondern von einem warmen, flachen Meer durchzogen. Dieses Meer – Teil des Pariser Beckens – war ein idealer Lebensraum für zahlreiche maritime Lebewesen, darunter Schnecken, Muscheln, Korallen und andere wirbellose Meerestiere. Durch die allmähliche Ablagerung von Sedimenten und das Absterben unzähliger Organismen entstanden über Jahrmillionen dicke Kalk- und Mergelschichten, in denen sich die Überreste der Meeresfauna konservierten.

Auf geht's in die Höhle...
Auf geht’s in die Höhle … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... durch verschlungene Wege ...
… durch verschlungene Wege … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... vorbei an Ausstellungen, ...
… vorbei an Ausstellungen, … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... auch für Kinder eine spannende Reise...
… auch für Kinder eine spannende Reise / © Redaktion FrontRowSociety.net

Die Fossilien, die heute in La Cave aux Coquillages zu sehen sind, stammen aus einer Schicht, die als „Pierre de Léthières“ bekannt ist – ein besonders fossilienreicher Kalkstein. Jene besondere Zusammensetzung des Gesteins sowie der relativ konstante Druck und die ausgeglichenen Temperaturverhältnisse in der Tiefe begünstigten die außerordentlich gute Erhaltung der Fossilien.

Zurück in die Urzeit, ...
Zurück in die Urzeit, … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... mit Erklärungen ...
… mit vielen Erklärungen … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... so dass der Hobby-Höhlenforscher mit dem nötigen Wissen die Höhle wieder verlassen kann
… so dass der Hobby-Höhlenforscher mit dem nötigen Wissen La Cave aux Coquillages wieder verlassen kann / © Redaktion FrontRowSociety.net

Nutzung im Wandel der Zeit

Ursprünglich diente die Höhle als unterirdischer Kalksteinbruch. Bereits in der Antike wurde der leicht zu bearbeitende Kalkstein als Baumaterial verwendet. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nutzte man die Gänge vor allem zur Weinlagerung. Die konstante Temperatur und die hohe Luftfeuchtigkeit boten ideale Bedingungen für das Reifen von Champagner und anderen Weinen, was der Region wirtschaftlich natürlich zugutekam.

Die letzte Informationstafel, bevor es zu den Lagerstätten des Champagners geht
Die letzte Informationstafel, bevor es zu den Lagerstätten des Champagners geht / © Redaktion FrontRowSociety.net
Die Flaschen die hier zu sehen sind, lagern hier nur bis zur Verkostung
Die wenigen Flaschen die hier zu sehen sind, lagern nur bis zur Verkostung an dieser Stelle / © Redaktion FrontRowSociety.net

Erst im 20. Jahrhundert erkannte man den wahren geologischen Wert dieser unterirdischen Strukturen. Durch intensive Grabungen und paläontologische Untersuchungen wurde La Cave aux Coquillages als bedeutende Fossilfundstätte identifiziert. Seitdem hat sich das ehemalige Bergwerk in eine wissenschaftliche Schatzkammer verwandelt, die sowohl Forscher als auch Touristen gleichermaßen fasziniert.

Ein Naturmuseum unter der Erde

Heute ist La Cave aux Coquillages öffentlich zugänglich und bietet geführte Touren an, die Besucher in die Tiefen der Erdgeschichte entführen. Auf etwa 250 Metern begehbarer Strecke können die hervorragend erhaltenen Fossilien bestaunt werden, die direkt aus den Gesteinswänden herausragen. Anders als in klassischen Museen wurden die Fundstücke nicht herausgelöst und präpariert, sondern sind noch in ihrem natürlichen geologischen Kontext erhalten. Diese Besonderheit macht die Höhle zu einem authentischen, lebendigen Archiv der Erdgeschichte.

Auf etwa 250 Metern begehbarer Strecke können Gäste die hervorragend erhaltenen Fossilien bestaunen, die direkt aus den Gesteinswänden herausragen
Auf etwa 250 Metern begehbarer Strecke können Gäste die hervorragend erhaltenen Fossilien bestaunen, die direkt aus den Wänden hervorstehen / © Redaktion FrontRowSociety.net

Während der Führungen bekommt man spannende Informationen über die geologischen Prozesse an die Hand sowie Wissen über die damalige Tierwelt, die Lebensbedingungen im Eozän und die Arbeitsweise moderner Paläontologen vermittelt. Die Touren dauern rund 1,5 Stunden und werden von sachkundigen, mehrsprachigen Guides geleitet, die oft selbst an den Ausgrabungen beteiligt sind.

Was dort entdeckt wurde – ein Mikrokosmos der Urzeit

Die Vielfalt und Dichte der Fossilien in La Cave aux Coquillages ist überaus beeindruckend. Über 300 verschiedene Arten von Meerestieren wurden bisher dokumentiert, darunter zahlreiche Schnecken (Gastropoden), Muscheln (Bivalvia), Seeigel, Seesterne und sogar seltene fossile Korallen. Besonders spektakulär sind die überdimensional großen Schnecken der Gattung Campanile giganteum. Diese Art gehört zu den größten jemals entdeckten Meeresschnecken – einzelne Exemplare erreichen Längen von über 60 Zentimetern. Ihre spiralige Form, die gut erhaltenen Gehäusestrukturen und ihre Größe machen sie zu einem Hauptanziehungspunkt der Ausstellung.

Über 300 verschiedene Arten von Meerestieren wurden bisher dokumentiert
Über 300 verschiedene Arten von Meerestieren wurden bisher dokumentiert / © Redaktion FrontRowSociety.net

Neben den Schnecken wurden auch zahlreiche andere Organismengruppen identifiziert, die ein umfassendes Bild des damaligen marinen Ökosystems zeichnen. Filtrierer, Räuber, Detritusfresser – sie alle lebten in enger Symbiose und schufen ein komplexes ökologisches Gefüge, das mit dem heutigen tropischen Flachwasser vergleichbar ist.

Besondere Aufmerksamkeit gilt zudem den mikrobiellen Strukturen, die sich in den Sedimentschichten finden. Diese mikroskopisch kleinen Fossilien – darunter Foraminiferen – liefern wichtige Hinweise auf die klimatischen Bedingungen und die chemische Zusammensetzung des Urmeeres. Durch sie lassen sich Rückschlüsse auf globale Umweltveränderungen ziehen, die auch für heutige Klimamodelle von Bedeutung sind.

Vorteile der unterirdischen Lage

Die Lage der Fundstätte unter der Erde bietet nicht nur ideale Bedingungen für die Erhaltung der Fossilien, sondern auch für deren Präsentation. Die konstante Temperatur von etwa 12 Grad Celsius und die hohe Luftfeuchtigkeit von zirka 95 Prozent verhindern ein Austrocknen oder Zerfallen der empfindlichen Fossilstrukturen. Durch dezente moderne Beleuchtung kommt die natürliche Umgebung zur Geltung, ohne den historischen Eindruck zu verfälschen.

Die Höhle ist die ideale Lagerstätte für Champagner. Die konstante Temperatur von etwa 12 Grad Celsius und die hohe Luftfeuchtigkeit vom zirka 95 % sind förderlich
Die Höhle ist die ideale Lagerstätte für Champagner. Die konstante Temperatur von etwa 12 Grad Celsius und die hohe Luftfeuchtigkeit vom zirka 95 % sind förderlich für Flaschengärung / © Redaktion FrontRowSociety.net
Hier kann auch direkt das Champagner-Tasting durchgeführt werden
In diesem stimmungsvollen Rahmen kann auch direkt das Champagner-Tasting durchgeführt werden / © Redaktion FrontRowSociety.net

Für die Forschung eröffnet die Höhle ebenfalls zahlreiche Vorteile. Die Gesteinsschichten sind gut zugänglich und lassen sich ohne große technische Hilfsmittel untersuchen. Zudem erlaubt der direkte Vergleich von Fossilien an unterschiedlichen Positionen innerhalb der Gänge Rückschlüsse auf die räumliche Entwicklung des einstigen Meeresbodens. Diese Daten sind für die geologische Kartierung und für paläoökologische Rekonstruktionen von großer Bedeutung.

Betrieb und heutige Nutzung

Heute wird La Cave aux Coquillages von einem privaten Betreiber in enger Zusammenarbeit mit Geologen, Paläontologen und regionalen Behörden geführt. Der Betrieb liegt in den Händen der Familie Lorimy, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die wissenschaftliche Bedeutung der Fundstätte mit einem nachhaltigen Tourismusangebot zu verbinden. Neben Führungen und Forschungsarbeiten betreibt die Familie auch ein kleines angeschlossenes Museum sowie einen Shop mit geologischen Funden und Literatur. Durch diese Kombination aus privatem Engagement und wissenschaftlicher Kooperation konnte die Höhle als bedeutendes Kulturgut erhalten und zugleich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die Betreiber der Höhle sind auch Stolz auf ihren Champagne der nach eigenen Aussagen biodynamisch produziert wird
Patrice Legrand ist Winzer im Ruhestand, seit seiner Kindheit Fossilienliebhaber und Amateurpaläontologe / © Redaktion FrontRowSociety.net
Wie der Vater, so der Sohn
Thibault Legrand ist der Winzer des Hauses Legrand Latour / © Redaktion FrontRowSociety.net

Bedeutung für Wissenschaft und Öffentlichkeit

La Cave aux Coquillages ist nicht nur ein touristisches Ziel, sondern auch ein aktiver Forschungsstandort. Paläontologen aus ganz Europa reisen regelmäßig an, um neue Funde zu analysieren oder bestehende Sammlungen zu studieren. Die Ergebnisse dieser Arbeiten fließen in wissenschaftliche Publikationen ein und tragen zum besseren Verständnis der Evolution mariner Ökosysteme bei.

In der Höhle wird noch nach weiteren Funden Ausschau gehalten
In der Höhle wird ständig nach weiteren Funden Ausschau gehalten / © Redaktion FrontRowSociety.net

Gleichzeitig erfüllt die Höhle eine wichtige didaktische Funktion. Durch anschauliche Vermittlung geowissenschaftlicher Inhalte leistet sie einen Beitrag zur naturwissenschaftlichen Bildung. Schulen, Universitäten und naturkundliche Gruppen nutzen das Angebot regelmäßig für Exkursionen und Projektarbeiten.

La Cave aux Coquillages ist nicht nur ein touristisches Ziel,...
La Cave aux Coquillages ist nicht nur ein touristisches Ziel, … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... sondern auch ein aktiver Forschungsstandort, ...
… sondern auch ein aktiver Forschungsstandort, … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... der regelmäßig neue Schätze hervorbringt
… der regelmäßig neue Schätze hervorbringt / © Redaktion FrontRowSociety.net
Katalogisiert wird ....
Alles wird katalogisiert … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... und die schönsten Stücke werden wieder ausgestellt
… und die schönsten Stücke werden wieder ausgestellt / © Redaktion FrontRowSociety.net

Ein geschütztes Naturerbe

Angesichts der außergewöhnlichen wissenschaftlichen und kulturellen Bedeutung wurde La Cave aux Coquillages unter besonderen Schutz gestellt. Die Ausgrabungen erfolgen unter strengen Auflagen und in enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden. Ziel ist es, das empfindliche Gleichgewicht zwischen Erhaltung, Forschung und Tourismus langfristig zu sichern.

Eindrucksvolle sind die fossilen Fundstücke auftrapiert, ...
Eindrucksvoll sind die fossilen Fundstücke drapiert, … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... eine Vielzahl an wunderschönen Exponaten
… eine Vielzahl an wunderschönen Exponaten / © Redaktion FrontRowSociety.net

Auch Besucher werden auf verantwortungsvolles Verhalten hingewiesen. Das Anfassen der Fossilien ist untersagt, und die Gänge dürfen nur im Rahmen geführter Touren betreten werden. Diese Maßnahmen dienen nicht nur dem Schutz der Fundstätte, sondern auch der Sicherheit der Gäste.

Ein Fenster in eine vergessene Welt

La Cave aux Coquillages ist ein Ort, der in vielerlei Hinsicht beeindruckt. Als geologische Fundstätte bietet sie tiefe Einblicke in eine 45 Millionen Jahre alte Welt, in der gigantische Schnecken und exotische Meereslebewesen das Bild bestimmten. Die Kombination aus wissenschaftlichem Reichtum, musealer Inszenierung und authentischer Umgebung macht sie zu einem der bedeutendsten geologischen Schauplätze Frankreichs.

Ein Fenster in eine vergessene Welt
Ein Fenster in eine vergessene Welt … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... weit zurück in die Urzeit
… weit zurück in die Urzeit / © Redaktion FrontRowSociety.net

Der Besuch dieser einzigartigen Höhle ist eine Reise in die Vergangenheit, aber zugleich ein Appell zur Bewahrung unseres natürlichen Erbes. In einer Zeit, in der der Einfluss des Menschen auf die Umwelt immer deutlicher wird, mahnen Orte wie La Cave aux Coquillages zur Achtsamkeit – und erinnern daran, wie vielfältig, faszinierend und verletzlich das Leben auf unserem Planeten ist.

Und die Chance sich zu verlaufen, ist geringe, denn alle Gruppen erhalten eine fachkundige Führung
Und die Chance sich zu verlaufen, ist gering, denn alle Gruppen erhalten eine fachkundige Führung / © Redaktion FrontRowSociety.net

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