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In der mittelalterlichen Stadt Sermoneta, die bereits im 8. Jahrhundert n. Chr. bekannt war, befindet sich zwischen den trutzigen Mauern ein kleines Restaurant, das Ristorante Il Pomarancio. An den südlichen Ausläufern des Monti Lepini Gebirges gelegen, unterscheidet sich das Restaurant von Chefkoch Matteo Pistilli deutlich von allen anderen in diesem weitläufigen Gebiet. 
 

Sermoneta ist eine Stadt in der Provinz Latina. Nach Rom ist Latina die zweitgrößten Provinz der Region Latium. Auf einem Berg gelegen, konnte früher von Sermoneta aus das gesamte Gebiet des Agro Pontino beherrscht werden. So wurden von der Burg, die heute ein Touristenmagnet ist, die umliegenden See- und Flachlandgebiete kontrolliert. Wer heute den Berg in Sermoneta hinaufgeht, insbesondere Richtung Burg, der blickt über die weite Ebene, wo 1798 Napoleon seine Truppen positionierte.

Und an diesem Ort, zwischen den alten Mauern, der Burg, den Denkmälern und der Geschichte, befindet sich nun das Restaurant von Chefkoch Matteo Pistilli. Man findet es in der Mitte des Hauptplatzes von Sermoneta. Betritt man nun das Restaurant, ist sofort die prägende Historie der Monti Lermoneta greifbar. Doch weder Schilde noch Rüstungen erwarten uns hier, sondern der unverfälschte Kochstil von Matteo Pistilli.

Küchenchef Matteo Pistilli erfreut sich an seinen Gästen, die schon auf seine einzigartigen Kochkünste gespannt sind / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Matteo Pistilli und seine Idee des Kochens

Die Fröhlichkeit beim Empfang von Matteo Pistilli ist ansteckend. Kaum haben wir das Restaurant betreten, fühlen wir uns auch schon zuhause. Chefkoch Matteo Pistilli, der uns mit einem freundlichen Lächeln begrüßt, ist fest entschlossen, die kulinarische Kultur und die Idee des Kochens zu verändern. Er lebt und pflegt die Kultur des Kochens, wie sie traditionell an diesem Ort verankert ist. Voller Stolz zeigt uns Matteo sein Restaurant sowie die beiden unterirdischen Bereiche, die sich im Inneren des Gebäudes befinden. In einem dieser Räume hat er einen Weinkeller eingerichtet, der sehr gut mit lokalen, italienischen Etiketten bestückt ist. Allerdings schaffen es ein paar internationale Positionen in seinen Keller, denn Qualität ist da oberste Prinzip.

Der Innenraum des Restaurants Il Pomarancio, in welchem die Geschichte von Sermoneta zu spüren ist / @ FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Der andere Keller ist noch dunkler. Einst war dieser Raum ein Pulvermagazin, welches der ersten Verteidigung des Schlosses diente. Matteo richtete hierin einen kleinen Verkostungsraum ein, der nur für private Veranstaltungen geöffnet ist. Stolz, aber vor allem mit großer Bescheidenheit, zeigt uns der Chefkoch seine Küche. Sie ist eher klein, jedoch funktionell und wird erst über mehrere Stufen erreicht. Denn Matteo wollte die mittelalterliche Struktur des Räume nicht verändern.

Küchenchef Matteo Pistilli bei der Arbeit in seiner Küche. Eine kleine, aber funktionale Küche, in der alles vorhanden, was er braucht
Küchenchef Matteo Pistilli bei der Arbeit in seiner Küche. Eine kleine, aber funktionale Küche, in der alles vorhanden ist, was er braucht / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Für Matteo besteht keine Notwendigkeit, die Geschichte zu verzerren oder von ihr abzuweichen, nur um ein bequemes Leben in einer komfortablen Umgebung zu führen. Das ist in der Tat eine respektable Sichtweise. Wir haben nun die Qual der Wahl, ob wir in einem der beiden Innenräume oder auf der Außenterrasse Platz nehmen wollen. Von der Terrasse aus hat man einen herrlichen Blick auf die umliegenden Berge. Daher haben wir uns für einen Platz im Freien entschieden. Denn es ist nicht unbedingt alltäglich, unter Obstbäumen in einer ruhigen, zurückhaltenden Umgebung wie dem Restaurant Il Pomarancio zu Mittag zu essen.

Ristorante Il Pomarancio im Freien - gelegen zwischen mittelalterlichen Mauern und duftenden Orangenbäumen
Ristorante Il Pomarancio – gelegen zwischen mittelalterlichen Mauern und duftenden Orangenbäumen / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco
Ansprechende Details auf den Tischen der Terrasse
Ansprechende Details auf den Tischen der Terrasse / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Ein Mittagessen im Herzen von Sermoneta

Sobald wir uns an den Tisch gesetzt haben, kehrt eine gewisse Ruhe ein. Obwohl es sonnig ist, sitzen wir abgeschirmt vom Laub der Bäume im kühlen Halbschatten. So begleitet uns eine entspannte und angenehme Atmosphäre während der ganzen Verkostung.

Kaninchen | Guanciale di gola
Kaninchen | Guanciale di gola (Schweinebacke) / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Beim Lesen der Speisekarte des Restaurants Il Pomarancio ist sofort die Philosophie von Küchenchef Matteo Pistilli zu erkennen. Er verwendet traditionelle Gerichte aus den Monti Lepini, interpretiert sie jedoch neu auf eine moderne Weise. Mit seinen Gerichten baut der Chefkoch eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. Zudem möchte er seinen Gästen die kulinarischen Möglichkeiten der Region nahebringen, daher nutzt er ausschließlich lokale Produkte. Denn nach Matteos Philosophie ist es nicht nötig, Zutaten aus anderen Teilen des Landes zu verwenden. Nach seiner Auffassung ist das Gebiet der Monti Lepini reich an Produkten, die die Menschheit schon immer ernährt haben. Schließlich ist diese Region seit jeher eine der Reichsten des Latiums.

Bottoni con Maiale | Porro | Bufala
Bottoni con Maiale (Knöpfle mit Schweinefleisch) | Porro (Lauch)| Bufala (Büffelmorzarella) / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Die Gerichte erzählen sowohl von Innovationen als auch Traditionen. Wir können dies Dank der angewandten Techniken verstehen. Neben dem perfekten Garvorgang des Fleischs, der präzisen Vorbereitung des Tatars, ist das größte Kunstwerk die Kombination der richtigen, althergebrachten Zutaten.

Stracotto | Zwiebeln mit Safran| Haselnüsse
Stracotto (ital. Rinderschmorbraten) | Zwiebeln mit Safran | Haselnüsse / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Auch der Zubereitung des Brotes widmet der Küchenchef große Aufmerksamkeit. So steht der Sonntag ganz in Zeichen frischer Brote, die es zu backen gilt. An diesem Tag nutzt er sein Können für die Perfektion der Brote, die in der kommenden Woche im Restaurant Il Pomarancio serviert werden. Denn, wie Matteo erklärt, gebührt dem Brot tiefer Respekt, da dieses Gut einst nur wenigen vorbehalten war. Auch beim Brot bleibt er seiner Linie treu und stellt nur so viele Brote her, wie er für seine Gäste benötigt. Genau wie Chefkoch Luca Armellino liegt ihm die Vermeidung von Abfällen am Herzen.

Rote-Bete-Brot - eine der vielen Brotsorten, die Chefkoch Matteo Pistilli in seinem Restaurant immer sonntags backt
Rote-Bete-Brot – eine der vielen Brotsorten, die Chefkoch Matteo Pistilli in seinem Restaurant immer sonntags backt / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Nicht nur Brote, auch Käse, Salami und anderen Wurstwaren stellt Matteo entweder selbst her oder erwirbt diese bei vertrauenswürdigen Erzeugern. Nur so ist es ihm möglich., köstliche und schmackhafte Speisen mit eindeutigem Lokalkolorit zuzubereiten. 

Ferkel mit Kastanien, Tomaten und Pilzen
Ferkel mit Kastanien | Tomaten | Pilze / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco

Essen als Geschichtenerzähler

Die Gerichte des Küchenchefs erzählen von Traditionen, aber auch von dem Wunsch, den lokalen Produkten der Lepini-Berge eine Stimme zu verleihen. Laut Matteo ist es möglich, mit den richtigen Kochtechniken auch einem einfachen Produkt wie einer Karotte die richtige Bedeutung zu geben. Oder die Artischocke, ein weiteres simples, jedoch typisches Produkt der Region, wird von ihm ebenfalls in ein Gericht verwandelt, das von der Vergangenheit erzählt.
 
Zubereitung eines Gericht von der Speisekarte des Restaurants Il Pomarancio
Zubereitung eines traditionellen Gerichts von der Speisekarte des Restaurants Il Pomarancio / © FrontRowSociety.net; Foto: Francesco De Marco
Letztendlich ist es das, was Köche, insbesondere junge Köche, tun müssen: eine Geschichte erzählen. Sie müssen sich immer daran erinnern, woher wir kommen, um zu verstehen, wohin wir gehen müssen. In einer Zeit der unendlichen Verfügbarkeiten müssen wir zu unseren Ursprüngen zurückkehren. Wir müssen den Menschen begreiflich machen, dass man in der Küche nicht unbedingt bis zum Äußersten gehen muss. Warum sollte man mit den Zutaten übertreiben, wenn man auch mit den wenigen einfachen Zutaten, die bereits unsere Vorfahren zur Verfügung hatten, ein fabelhaftes Gericht zubereiten kann.
 
Originaltext italienisch: Francesco De Marco
Überarbeitet: Annett Conrad 
 

Dieses ist ein redaktionell erstellter Artikel, der durch externe Unterstützung möglich gemacht wurde. Die Unterstützung hat jedoch keinen Einfluss auf den hier abgebildeten Inhalt. Es gilt der Redaktionskodex.

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