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Die historischen Weinterrassen des Lavaux im Schweizer Kanton Waadt begleiten viele Superlative und das zurecht. In dieser malerischen Kulisse entstehen charaktervolle Weine auf 805 Hektar Land, dass die Menschen der Natur über Jahrhunderte abgerungen haben.

Die berühmten Weinterrassen des Lavaux liegen landschaftlich reizvoll am Nordufer des Genfersees / © Redaktion FrontRowSociety.net

Entstehung einer Kulturlandschaft

Vor 20.000 Jahren bedeckte der Rhonegletscher das Gebiet der heutigen südwestlichen Schweiz. Nach der kältesten Periode der letzten Eiszeit schmolz der Gletscher sukzessive ab und formte das Gebiet des Genfersees. Die Erosionskräfte schnitten tiefe Furchen in die unter den Eismassen begrabene Landschaft, was heute an den steil aufragenden Felswänden des Lavaux noch gut sichtbar ist.

Die steilen Felswände erschweren zusätzlich die Arbeit im Weinberg / © Redaktion FrontRowSociety.net

Bereits zu Zeiten des Römischen Imperiums verbanden Handels- und Militärrouten Rom und Germanien, die durch das Rhonetal vorbei an Genf und Lausanne führten. Schon damals soll hier Weinbau betrieben worden sein. Doch erst die Mönche der Benediktiner sowie Zisterzienser Orden verliehen dem Lavaux sein heutiges Antlitz.

Bereits vor über 800 Jahren begannen die Zisterzienser den Berg in Terrassen umzugestalten / © Redaktion FrontRowSociety.net

In der Spätantike verbreitete sich das Christentum in dieser Region. Es entstanden nach und nach Klöster, die die Entwicklung des Landes begünstigten. Im 12. Jahrhundert legten die ersten arbeitssamen Mönche des Zisterzienser Ordens Terrassen für den Weinbau an. Zu diesem Zweck schufen sie kilometerlange Steinmauern, um die steilen, unwirtlichen Hänge urbar zu machen.

Die Trauben profitierten vom Kontinentalklima, das der Genfersee noch abmildert. Während der Reifeperiode werden die Trauben mit bis zu 10 Sonnenstunden pro Tag verwöhnt, direkt oder durch den See reflektiert / © Redaktion FrontRowSociety.net

Das Erbe der Mönche übernahmen ambitionierte Winzer, die über Generationen die Terrassen mit ihren Stützmauern sowie den Weinbau pflegten. Bis heute blieb diese einzigartige Kulturlandschaft erhalten und wurde 2007 zum Weltkulturerbe der UNESCO deklariert.

Die Terrassen ziehen sich über zirka 800 Hektar und grenzen im Osten an des Weinbaugebiet Chablais, in westlicher Richtung liegt das Weinbaugebiet La Côte
Die Terrassen ziehen sich über zirka 800 Hektar und grenzen im Osten an des Weinbaugebiet Chablais, in westlicher Richtung liegt das Weinbaugebiet La Côte / © Redaktion FrontRowSociety.net

Wandern im Lavaux

Im größten und sicherlich reizvollsten Weinbaugebiet der Schweiz sind zahlreiche ausgeschilderte Wanderwege vorhanden. Entlang der gutausgebauten Straßen können die mittelalterlichen Orte mit Leichtigkeit entdeckt werden. Schautafeln geben allerhand Informationen zur Geschichte, Geologie und natürlich zum Wein preis.

Im gesamten Gebiet sind Schautafeln angebracht, die Wissenswertes über den Weinbau in drei Sprachen erzählen / © Redaktion FrontRowSociety.net

Mit der Schweizerischen Bundesbahn, kurz SBB, gelangen Wanderer und Spaziergänger an der Montreux-Rivera entlang zu den verträumten Orten des Lavaux. Von Vevey bietet sich die Fahrt bis Chexbres-Village an, um beispielsweise einen Spaziergang von Chexbres über Rivaz nach Saint-Saphorin zu unternehmen.

Die Schweizer Bundesbahn (SBB) bringt die Orte am Nordufer des Genfersees näher zusammen und das auch noch pünktlich / © Redaktion FrontRowSociety.net

Das grandiose Panorama, das der Genfersee mit den Schweizer sowie Französischen Alpen im Hintergrund bildet, ist bei jedem Schritt allgegenwärtig. Über 40 Ebenen schlängelt sich insgesamt 400 Kilometer Mauerwerk, das die fast 10.000 Terrassen bildet, auf denen zumeist Gutedel, hier Chasselas genannt, gedeiht.

Zirka 400 Kilometer Mauerwerk schlängelt sich durchs Lavaux / © Redaktion FrontRowSociety.net

Kleine und größere Vinotheken oder die Winzer selbst, laden zu Verkostungen ein. In den charmanten Orten warten hervorragende Restaurants auf ihre Gäste, mit unkomplizierten, jedoch köstlichen Gerichten.

In den romantischen Gassen bieten Winzer ihre Erzeugnisse zu Verkostung an, wie hier das Weingut von Christophe Chappuis / © Redaktion FrontRowSociety.net

Die Weinberge an den steilen Felsen mit ihren kleinen Häuseransammlungen scheinen in eine andere Epoche zu gehören oder als Filmkulisse zu taugen. Saint-Saphorin gehört zu jenen pittoresken Orten.

Das historische Saint-Saphorin wurde auf den Mauern der römischen Siedlung Glerula erbaut, die beim Erdrutsch im Jahr 563 von einer 16 Meter hohen Flutwelle zerstört wurde / © Redaktion FrontRowSociety.net

Schmalen Gassen winden sich durch das knapp 400 Einwohner zählende Dorf. Es gehört zu den kleinsten Gemeinden im Kanton Waadt und nicht ohne Grund ist Saint-Saphorin Mitglied im Verband „Die schönsten Dörfer der Schweiz“. Dieses malerische Örtchen war bereits zu Zeiten der Römer besiedelt. Jedoch fiel diese frühe Siedlung dem Tsunami zum Opfer, den der Tauredunum-Erdrutsch im Jahre 563 auslöste.

In Saint-Saphorin ist der Blick auf den zweitgrößten Binnensee Europas allgegenwärtig / © Redaktion FrontRowSociety.net

Später baute man eine neue Siedlung und errichtete um 560 die erste katholische Kirche des Lavaux. Die heutige protestantische Kirche stammt aus dem Jahr 1520. Die Überreste der antiken Siedlung sowie das Interieur aus katholischer Zeit sind wichtige Zeugen der Vergangenheit, die eine Besichtigung wert sind.

In der verträumten Dörfern finden sich überall Rastplätze, die uns staunend innehalten lassen / © Redaktion FrontRowSociety.net

Rastplatz

Das Restaurant Auberge de l’Onde ist nicht weniger bekannt als das Lavaux selbst. Charlie Chaplin liebte es, sonntags durch die Weinterrassen zu spazieren; die Auberge de l’Onde gehörte zu seinen Lieblingsrestaurants. Das Leben des Charlie Chaplin darf in Chaplin’s World in Corsier-sur-Vevey entdeckt werden.

Die Auberge de l’Onde ist bekannt für schmackhafte Gerichte (14 Punkte GM) und den lebensfrohen Sommelier Jérôme Aké Béda / © Redaktion FrontRowSociety.net

Gegenüber des plätschernden Dorfbrunnens steht das Haus aus dem Jahr 1730, das in jeder Hinsicht zu den schönsten Plätzen Saint-Saphorins gehört. In der Brasserie wird bodenständige Küche offeriert wie Thunfischtatar oder Perlhuhn, während in der Rôtisserie im Obergeschoss bestes Fleisch an edel gedeckten Tischen serviert wird.

In der Rôtisserie der Auberge de l’Onde im Obergeschoss speist man in einem rustikal-eleganten Rahmen … / © Redaktion FrontRowSociety.net

Wie nicht anders zu erwarten, kann sich die Weinkarte sehen lassen. Hauptaugenmerk liegt auf Schweizer Weinen, der nirgends sonst auf der Welt in solcher Vielfalt genossen werden kann, als in der Schweiz selbst.

… oder man genießt auf der Terrasse ungezwungen einen kleinen Imbiss im Sonnenschein / © Redaktion FrontRowSociety,net
Die Gäste der Auberge de l’Onde werden mit köstlichen Amuse bouche begrüßt: schwedisches Brot mit Hechtcreme und Kräutern / © Redaktion FrontRowSociety.net

Der unkonventionelle Sommelier Jérôme Aké Béda wuchs an der Elfenbeinküste auf, besuchte dort die Hotelfachschule und fand nach mehreren Stationen seine Wahlheimat zwischen den Chasselas Reben im Lavaux. Gäbe es ein besseres Zuhause für einen Sommelier, als zwischen Winzern in den Weinbergen zu leben und zu arbeiten, mitnichten.

Sommelier Jérôme Aké Béda fand hier seine Wahlheimat und ist überaus engagiert. Nur alle 20 bis 25 Jahre findet die Fête des Vignerons in Vevey statt. Organisiert wird dieses Weinfest von der Confrérie des Vignerons, der Winzerbruderschaft von Vevey. Der Place du Marché verwandelt sich während der Festtage in eine Arena, die 20.000 Besuchern Platz bietet. Im August 2019 nahmen über eine Million Besuchen an den Kulturveranstaltungen teil, bei denen Jérôme unter anderem mitwirkte / © Redaktion FrontRowSociety.net

Winzer und Wein

Die Terrassen an den steil aufragenden Felsen um Saint-Saphorin und Dézaley legten die Mönche des Klosters Hauterive vor mehr als 800 Jahren an. Heute zählen die Rebberge um die Gemeinden zu den Cru-Lagen und besitzen einen AOC-Status. Weine mit dieser geschützten Herkunftsbezeichnung dürfen den Ortsnamen auf dem Etikett führen.

Dézaley gehört zu den Filetstücken unter den Grand Cru-Lagen im Lavaux. Wegen des AOC-Status darf die Herkunftsbezeichnung auf dem Etikett geführt werden. Christophe Chappuis ist in der glücklichen Situation, Parzellen in diesem Bereich zu besitzen. Auch seine Vorfahren kelterten schon Weine dieser außergewöhnlichen Lage, wie das Etikett von 1904 beweist / © Redaktion FrontRowSociety.net

Neben Saint-Saphorin besitzen die Gemeinden Calamin und Dézaley – die als absolute Grand Cru-Lagen gelten – aber auch Chardonne, Epesses, Lutry, Montreux, Vevey und Vilette das AOC-Prädikat.

Ein Weingut reiht sich an das Nächste. Die Schweiz hat eine lange Weinbautradition, dennoch sind Weine aus der Schweiz im Ausland wenig bekannt. Jährlich werden zirka 800.000 Hektoliter Wein produziert, doch lediglich 14.000 Hektoliter gehen davon in den Export. Die Schweizer wissen halt was schmeckt / © Redaktion FrontRowSociety.net

In der flächenmäßig kleinsten Weinbaugemeinde Rivaz besuchen wir Monsieur Chappuis. Seine Familie ist seit dem 14. Jahrhundert am Genfersee ansässig und er betreibt in der 21. Generation Weinbau im Lavaux. Insgesamt 5 Hektar Rebfläche besitzt Christophe Chappuis. Seine Reben sind über verschiedene Terrassen verteilt, auch in den Grand Cru Lagen.

Christophe Chappuis (re.) ist Winzer in der 21. Generation, doch bereits seit 1335 ist seine Familie in dieser Region ansässig. Der Name Chappuis bedeutet Dachdecker, erzählte er FrontRowSociety-Redakteurin Annett Conrad (li.) / © Redaktion FrontRowSociety.net

Zu 80 Prozent hat er seine Flächen mit Gutedel, also Chasselas bepflanzt, der seinen besonders fruchtbetonten Charakter dem Terroir verdankt. Pino Noir ist seine wichtigste Rotweinsorte, dennoch verfügt er über einen kleinen Bestand Merlot, Shiraz und den für die Region typischen Gamay, die gemeinsam die hervorragende Cuvée Ambroisie ergeben.

Ambroisie – die Speise der Götter in der griechischen Mythologie, die Unsterblichkeit verheißen soll. Ein gewichtiger Name für diesen Rotwein aus der besten Grand Cru-Lage des Lavaux / © FrontRowSociety.net

Auch wenn die Landschaft zu den schönsten der Schweiz zählt, hat die Arbeit im Weinberg nicht viel mit Romantik zu tun. Der Einsatz von Maschinen verbietet sich durch die Steillage, übers ganze Jahr wird händisch gearbeitet.

Im Schutz der Stützmauern pflanzte Christophe Chappuis seine Rotweinreben. So profitieren die empfindlichen Pinot Noir Trauben von der Wärmeabstrahlung der Steine, auf denen sich tagsüber Lurche sonnen.

Die Rotweinreben pflanzte Christophe Chappuis entlang der Stützmauern, damit deren Traubenmaterial am Abend von der Wärmeabstrahlung profitieren / © Redaktion FrontRowSociety.net

Wer mit Monsieur Chappuis einen Termin vereinbart, ist eingeladen seinen Keller zu besichtigen und mehr über den Zyklus des Weins von der Rebe bis zur Flasche zu erfahren. Sein ältestes Holzfass aus Schweizer Stieleiche ist 200 Jahre alt, das auch mit einem Fassungsvermögen von 7000 Litern auftrumpft.

Winzerlatein im Keller der Familie Chappuis: Christophe hat drei Töchter, so dass hoffentlich in der 22. Generation das Weingut weitergeführt werden kann. Seine älteste Tochter ist bereits im Verkauf und im Keller tätig / © Redaktion FrontRowSociety.net

Um die aufwendige Arbeit in Berg und Keller zu veranschaulichen, bietet er eine Lavaux-Experience an. Nach der theoretischen Unterweisung darf im Weinberg mitgearbeitet werden. Anschließend wird die körperliche Anstrengung mit einer Verkostung belohnt. Das gemeinsame Abendessen in der Auberge de Rivas beschießt den Tag voller persönlicher Einblicke. Zu Hause darf dann der Chasselas genossen werden, für den das Lavaux im Besonderen bekannt ist.

Weinprobe vor dem beindruckendem Stammbaum der Familie Chappuis: Christophe Chappuis (li.) und Annett Conrad (re.) / © Redaktion FrontRowSociety.net

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