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Kräuter, jene stille Helden der Küche, sind mehr als hübsche Deko. Sie können einem formidablen Gericht das gewisse Etwas geben oder überdosiert angewendet, es komplett ruinieren. Ratsam ist deshalb, sich explizites Wissen anzueignen, um dann mit der grünen Vielfalt auf Aromenreise zu gehen.

Mit wissenden Augen durch die Natur zu gehen, beflügelt unsere Seele / © Redaktion FrontRowSociety.net

Seit der Mensch seinen Fuß auf unsere Erde setzte, begleiten ihn essbare Wildpflanzen. Von der Wurzel bis zur Blüte verzehrten unsere Vorfahren ihre saisonalen und regionalen Fitmacher. Auf diese Weise versorgten sie sich mit wichtigen Vitaminen und Spurenelementen, aber auch mit ätherischen Ölen.

Die Nachtkerze blüht nur eine Nacht und wird von Nachtfaltern bestäubt. Geschmacklich kommt der Nachtkerzensamen dem von Sesamöl sehr nahe. Von der Wurzel bis zur Blüte verzehrten unsere Vorfahren ihre saisonalen und regionalen Fitmacher / © Redaktion FrontRowSociety.net

Orientierung an den Jahreszeiten in Mode gekommen

Heute ist die Orientierung an den Jahreszeiten ein in Mode gekommener Maßstab im kulinarischen Kalender. Gleichsam spielen Herkunft sowie Ressourcenschonung weitere fundmentale Rollen in der gehobenen Küche. Glücklicherweise orientieren sich nicht mehr nur Spitzengastronomen an jenen Parametern. Die aromatischen Alleskönner, unbedingt aus biologischem Anbau oder bestenfalls dem eigenen Bett entstammend, halten in zahlreichen, genussorientierten Haushalten Einzug.

In früheren Zeiten wurden Öle, Essige und sonstige Erzeugnisse selbst hergestellt - das Wissen verblasst...
In früheren Zeiten wurden Öle, Essige und sonstige Erzeugnisse selbst hergestellt – das Wissen ist teilweise verblasst… experimentierfreudige Menschen versuchen das „Hausgemachte“ wieder zu reaktivieren / © Redaktion FrontRowSociety.net

Altes Wissen um Geschmack, Wirkung, Einsatz und Verarbeitung von Kräutern erlebt in weiten Teilen ein Comeback. So werden endemische Gewürzpflanzen oder auch heimisch gewordene Kräuter in breiter Masse kultiviert, wobei sich hierzu auch ein Blick in die Natur lohnt.

In unserer unmittelbaren Umgebung hat die Natur das Buch aufgeschlagen und wir sind angehalten, diese Botschaft zu entschlüsseln. Vor der Industrialisierung der Landwirtschaft gab es in jeder Dorfgemeinschaft eine Kräuterfrau bzw. einen Kräuterseppl. Im Südtiroler Ahrntal ist Mario der Connaisseur, wenn es um altes Kräuterwissen geht.

Im Südtiroler Ahrntal ist Mario der Connaisseur – er kennt alle Kräuter und weiß um ihre Wirkung und Geschmack / © Redaktion FrontRowSociety.net

Soweit er zurückdenken kann, ist Mario der regionalen, verzehrbaren Flora auf der Spur. Jedes grüne Hälmchen kann von ihm benannt, sogar bestimmt werden. Neben dem Sammeln und Verarbeiten von Kräutern aus der Natur für seine eigenen Zwecke, ist Mario im malerischen Ahrntal als Wanderführer unterwegs. Seine Begleiter sind kräuterhungrige Hobby- oder Profiköche, Familien, interessierte Heilkundler, Wissenschaftler und Pharmazeuten.

Unterwegs mit Mario erscheint die Flora des Ahrntals in einem neuen Licht / © Redaktion FrontRowSociety.net

Mit ihm können während einer leichten Wanderung Alpenorchideen, Brombeeren, Butterblumen und wilde Hyazinthen entdeckt werden. Er erklärt die unterschiedlichen Merkmale von echter Schafgarbe, Wiesenkerbel und Bibernelle, denn zu oft verwechseln ungeübte Sammler aus der Unkenntnis heraus diese Doldenblütler.

Genaue Kenntnisse über die Naturschönheiten ist ein unabdingbares Muss. Auf einer Wanderung mit Mario kann dieses Wissen erworben werden / © Redaktion FrontRowSociety.net

Über 50 Kräuterbauernhöfe verteilen sich über das Gebiet von Südtirol

Zirka 50 Kräuterbauernhöfe verteilen sich über das Gebiet von Südtirol. Die meisten sind Demeter zertifiziert. Gerade bei Kräutern bewegen sich die Grenzwerte für Rückstände von synthetisch hergestellten Spritzmittel im 1000stel Bereich. Das Versuchszentrum Laimburg des Landes Südtirol beschäftigt sich unter anderem mit diesen Fragen. In Meran, oberhalb der Gärten von Schloss Trautmannsdorf, widmet sich eine Handvoll Frauen der Kräuterforschung.

Über 50 Kräuterhöfe gibt es in Südtirol - Karin Thaler (li.) von dem Laimburg klärt Redakteurin Annett Conrad (re.) auf
Über 50 Kräuterhöfe gibt es in Südtirol: Karin Thaler (li.) von dem Laimburg informiert Redakteurin Annett Conrad (re.) über die Wachstumsbedingungen von Kräutern / © Redaktion FrontRowSociety.net

Auf einem Hektar werden Wachstumsbedingungen und Wechselwirkungen erforscht, ideale Bodenstrukturen und Standorte ausgetestet sowie Kräuter- und Teemischungen hergestellt.

Außerdem dienen die Kräuterfelder der Laimburg Schulungszwecken. Ambitionierte Bauern werden in Theorie und Praxis zum Thema biologischer Kräuteranbau geschult. Das Highlight für die Sternegastronomie sind jedoch die getrockneten Kornblumen von Karin Thaler.

Die Kräuter müssen nach der Ernte umgehend dem Trocknungsprozeß zugeführt werden, so dass eine hohe Qualität erzielt werden kann
Karin Tahler (li.) klärt auf: Die Kräuter müssen nach der Ernte umgehend dem Trocknungsprozeß zugeführt werden, so dass eine hohe Qualität erzielt werden kann / © Redaktion FrontRowSociety.net

Auch Alfons Schubeck überzeugte die Qualität

Auch Alfons Schubeck überzeugte die Qualität, insbesondere die intensive Farbe der getrockneten Korbblütler
Auch Alfons Schubeck überzeugte die Qualität, insbesondere die intensive Farbe der getrockneten Korbblütler, so Karin Thaler (vorn im Bild), Leiterin der Laimburger Kräuterfelder / © Redaktion FrontRowSociety.net
Die intensive Farbe der Kornblütler ist wirklich einmalig
Die intensive blaue Farbe der Kornblütler ist wirklich einmalig / © Redaktion FrontRowSociety.net

Auch Alfons Schubeck überzeugte die Qualität, insbesondere die intensive Farbe der getrockneten Korbblütler. Die Röhrenblüten der Kornblumen von Karin füllen nicht nur den Blütenrand, sondern den gesamten Blütenstand aus, der auch getrocknet noch außerordentlich gut zur Geltung kommt. In Teemischungen oder bei besonderen Gerichten sind diese farbenprächtigen Röhrenblüten das gestalterische I-Tüpfelchen.

Spitzenköchen wie Jean-Georges Klein, Martin Sieberer oder Tristan Brandt, denen wir bei der Veranstaltung „Kulinarischer Jakobsweg“ eine Kostprobe jener raren Kornblumen übergaben, waren genau wie Alfons Schubeck angetan von der Leuchtkraft der speziell getrockneten Blüten.

In Ischgl kamen sie zusammen: Schirmherr des Kulinarischen Jakobswegs, Eckhart Witzigmann (Mitte) versammelte die Akteure der Veranstaltung 2019 um sich. V.l.n.r. Paul Ivić (Tian), Alfons Parth (TVB Ischgl), Tristan Brandt (OPUS V), Eckhart Witzigmann, Jean-Georges Klein (Villa René Lalique), Onno Kokmeijer (Ciel Bleu), James Knappett (Kitchen table) / © Redaktion FrontRowSociety.net

Die Verwendung von kultivierten Kräutern in der Gastronomie ist zweifelsohne der sicherere Weg. Dennoch üben wilde Wald- und Wiesenkräuter einen besonderen Reiz aus. Jene wilden Artgenossen entfalten für unseren Gaumen nie gekannte Geschmacksnuancen. Authentisch erlebbar ist dieses gustatorische Wunder im Bergischen Land.

Kräuter, aber auch Samen sind in der Sterneküche gefragt
Kräuter, aber auch Samen sind in der Sterneküche sehr gefragt / © Redaktion FrontRowSociety.net

Hier ist das Zuhause von Buchautorin Anke Höller. Neben Wildkräutern sammelt sie essbare Wildsamen und kreiert damit Schmankerl, die trotz ihrer Einfachheit Gänsehaut bei jedem Feinschmecker erzeugen.

Was es in unserer Flora an gesunden Köstlichkeiten zu finden gibt, erfahren wir auf einer Wanderung durchs Bergische Land von Buchautorin Anke Höller / © Redaktion FrontRowSociety.net

Zubereitungen wie beispielsweise Nachtkerzen-Sesam-Butter oder Brennnessel-Gomasio werten die gesunde Küche gleichsam auf wie ein Saatenbrot mit Hagebuttensamen oder ein Möhren-Labkraut-Salat. Allerdings warnt jeder versierte Sammler vor den Gefahren, bei denen die Natur ihre Launen auslebt.

Deshalb sollte vor dem Gang durch die Botanik der Fachmann bzw. die Fachfrau zu Rate gezogen werden. Frauen wie Anke Höller oder die Französin Linda Louis, die uns mit ihrer wilden Waldküche die natürliche Ernährung nahebringt, lehren in ihren Büchern den respektvollen Umgang mit den Schätzen unseres empfindlichen Ökosystems.

Anke Höller macht aus diesem Samen beispielsweise eine Nachtkerzen-Besam-Butter – fantastisch / © Redaktion FrontRowSociety.net

Nun waren die grünen Gesellen schon immer gesunde Geschmacksunterstützer. Viele herausragende Köche haben die Verwendung der kleinen Zauberkünstler für sich entdeckt.

Sternekoch Toni Neumann fand während des Rheingau Gourmet & Wein Festivals Vogelmiere am Ufer des Rheins. Er gab mit dieser Vogelmiere seinem Steinbutt in Geflügeljus einen grünen, lokalen Fingerabdruck – Chickenjus & Chickweed ward geboren.

Im heimischen Lindau kümmert sich der Küchenchef persönlich um den Kräutergarten. In Hattenheim ging er auf Spurensuche und fand fast im Vorübergehen den letzten Schliff für den Steinbutt / © Redaktion FrontRowSociety.net

2 Sterneköchin Tanja Grandits pflegt ihren eigenen Kräutergarten

Die Basler 2 Sterneköchin Tanja Grandits pflegt hinter ihren Haus mit viel Liebe ihren eigenen Kräutergarten. Vom Apero bis zum Dessert vervollkommnet das geliebte Grün spannende Gerichte. Wie essenziell die würzige Vielfalt für die Grandits-Küche ist, hält sie in einem eigens den Kräutern gewidmeten Kochbuch fest.

2 Sterneköchin Tanja Grandits pflegt nicht nur ihren eigenen Kräutergarten hintern Haus, Sie hat auch ein Buch zu diesem Thema herausgebracht
2 Sterneköchin Tanja Grandits pflegt nicht nur ihren eigenen Kräutergarten hintern Haus, sie hat auch ein Buch zu diesem Thema herausgebracht / © Redaktion FrontRowSociety.net

Die gesamte kulinarische Bandbreite von selbstgesammelten Kräutern darf im Restaurant ARCANA ausgekostet werden. Familie Ebenkofler betreibt das Kräuter-Restaurant ARCANA in Sand in Taufers am Rande des Ahrntals.

Auf der Terrasse des Kräuterrestaurants ARCANA genießt man neben den hausgemachten Limonaden den Blick auf die Dorfkirche / © Redaktion FrontRowSociety.net

In der Früh bricht Kräuterexpertin Anneres Ebenkofler auf, um Wildkräuter zu sammeln. Mit Küchenchef Dominik Leiter wird nach ihrer Rückkehr experimentiert und extrahiert. Es entstehen unnachahmliche Speisen, welche die Sprache der Wildkräuter authentisch auf den Teller bringen.

Im Kräuter-Restaurant Arcana dreht sich alles um Kräuter, von der Vorspeise bis zum Dessert – und ist eine echte Empfehlung für alle, die Südtirol besuchen / © Redaktion FrontRowSociety.net

So war die Redaktion von FrontRowSociety weltweit unterwegs: in Südafrika, Singapur, Marokko oder Australien – um unseren gesamten Globus versuchen Menschen den Gewürzpflanzen ihre Geheimnisse zu entlocken.

Sternekoch Malcolm Lee (re.) im Gespräch mit FrontRowSociety - The Magazine Herausgeber Andreas Conrad
Singapur: Sternekoch Malcolm Lee (re.) im Gespräch mit FrontRowSociety – The Magazine Herausgeber Andreas Conrad. Auch bei dem aufstrebenden Spitzenkoch Malcolm stehen Kräuter hoch im Kurs / © Frontrowsociety.net Foto: Martin Scheidtmann
Sehr zu empfehlen ist auch der Lachs mit Fynbos Asche und Grün aus der Region
Auch Südafrika weist eine Vielzahl an Kräutern auf: Sehr zu empfehlen ist ein Gericht, bestehend aus Lachs mit Fynbos Asche und regionalem Grün / © Redaktion FrontRowSociety.net

Auf alten Handelsrouten wurden Gewürze gegen Gold aufgewogen oder gar mit Kräutern und Gewürzen gezahlt. Des Weiteren schaffen Kräuter kulinarische Identitäten. Meist sind es Gewürzmischungen, die einer Speise eine kulinarische Nationalität geben. Paracelsus sah den Menschen und die Natur als kosmische Einheit und Kräuter sind das starke Bindeglied.

... und erntet die Kräuter oder das Gemüse für das erlesene Dinner am Abend. Noris Conrad, Redakteur von FrontRowSociety - The Magazine ist mit von der Partie ...
Auf der Suche nach besonderen Kräutern: Noris Conrad, Redakteur von FrontRowSociety – The Magazine (hockend) ist mit Sternekoch Jens Rittmeyer (li.) im Kräutergarten des Biohofs Ottilie im Alten Land unterwegs / © Redaktion FrontRowSociety.net