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Das Konzept der “Color Fantasy” ist genauso modern wie zeitlos – tief unten im Schiff ein Autodeck, ansonsten aber Kreuzfahrt-Standard in allen Bereichen. „Color Line Cruises“ steht daher auch auf dem Rumpf des Schiffes.

Die COLOR FANTASY im Seehafen Kiel
Die COLOR FANTASY im Seehafen Kiel / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Mit der weltgrößten Nachtfähre “Color Fantasy” von Oslo nach Kiel

Der Wintersturm, der gestern noch über das Skagerrak hinweggefegt ist, hat sich gelegt, die norwegische Hauptstadt präsentiert sich an diesem Januarmorgen verträumt. Schnee liegt nicht, aber es ist kalt, und man muss aufpassen, auf seinem Weg von Oslos Innenstadt zum Color Line-Terminal nicht auf dem vereisten Boden auszurutschen. In Oslos Luxus-Shoppingviertel Aker Brygge mischen sich unter die Einheimischen ein paar deutsche Stimmen. Klar, sie kommen von der “Color Fantasy”, die um 10 Uhr unweit von Oslos moderner „Waterfront“ angelegt hat und ihren Minikreuzfahrtgästen nun Gelegenheit gibt, Oslo zu Fuß zu erkunden.

Das Einkaufsviertel „Aker Brygge“ entstand in den 1980er Jahren auf dem ehemaligen Gelände der Osloer Werft Aker Mekaniske Verksted, die 1982 geschlossen wurde
Das Einkaufsviertel „Aker Brygge“ entstand in den 1980er Jahren auf dem ehemaligen Gelände der Osloer Werft Aker Mekaniske Verksted, die 1982 geschlossen wurde / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Mein Zuhause auf der “Color Fantasy” ist Kabine 8610, eine äußerst geräumige Außenkabine mit XXL-Bullauge, einem herrlich breiten Doppelbett und einer edel vertäfelten Garderoben-/Schreibtischgarnitur. Einziger Schönheitsfehler ist das Fehlen eines Seifenspenders oder eines Stückchens Seife im Bad, und im Kabinenfernsehen gibt es dreimal mehr Radio- als Fernsehprogramme. Aber wir sind ja schließlich nicht zum Fernsehen hier.

Luxus-Außenkabine der „Color Class“ an Bord der „Color Fantasy“. Minibar und Gratis-W-LAN sind bereits im Preis inbegriffen
Luxus-Außenkabine der „Color Class“ an Bord der „Color Fantasy“. Minibar und Gratis-W-LAN sind bereits im Preis inbegriffen / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Zeit zur Eingewöhnung an Bord ist fürs erste auch nicht, denn keine halbe Stunde nach Beginn der Einschiffung ist die “Color Fantasy” abfahrbereit. Die meisten Passagiere versammeln sich zur Abfahrt auf dem großen achteren Sonnendeck. An Steuerbord kappt die Besatzung die Landstromverbindung mit dem Schiff, und schon kann die “Color Fantasy” pünktlich um 14 Uhr die Leinen los machen.

Abfahrt aus Oslo. Das frühlingshaft anmutende Bild täuscht, die Szenerie zeigt einen schneelosen Januar-Nachmittag
Abfahrt aus Oslo. Das frühlingshaft anmutende Bild täuscht, die Szenerie zeigt einen schneelosen Januar-Nachmittag / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Über Oslos Museumsinsel Bygdøy liegt am frühen Nachmittag keine Wolke, Norwegens Hauptstadt glänzt in strahlendem Wintersonnenschein. Dafür sind die bewaldeten Ufer des Oslofjords schneefrei, auch hierzulande ist der Winter offenbar nicht mehr das, was er einmal war. Als ich 2007 das erste Mal mit der “Color Fantasy” gefahren bin, lag rund um das königliche Schloss in Oslo zur selben Jahreszeit noch knöcheltiefer Schnee, und die Landschaft an Backbord wie an Steuerbord war eine Symphonie aus Dunkelgrün und Weiß. Nichts davon im Jahr 2020, nur kalt ist es immer noch.

An den Ufern des Oslofjords fügen sich typisch skandinavische Holzhäuschen in rot und weiß harmonisch in die waldreiche Landschaft
An den Ufern des Oslofjords fügen sich typisch skandinavische Holzhäuschen in rot und weiß harmonisch in die waldreiche Landschaft / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Orte

Unter Deck hat derweil die zentrale Shopping-Promenade des Schiffes auch 15 Jahre nach dessen Indienststellung nichts von ihrem Wow-Faktor eingebüßt. Über der Promenade schwebt vorne eine überdimensionale Fliege und achtern ein riesiger Kronleuchter, die Beleuchtung changiert je nach Außenlicht und Tageszeit in allen Farben des Regenbogen, und wer statt einer Außen- eine Promenadenkabine gebucht hat, kommt sogar in den Genuss, das Geschehen dort wahlweise in Ausgeh-Garderobe oder im Schlafanzug durchs Kabinenfenster beobachten zu können.

Die zentrale Innenpromenade ist das Herz der „Color Fantasy“. Innenkabinen verfügen hier über Fenster mit Blick über das Geschehen zwischen Shops und Cafés
Die zentrale Innenpromenade ist das Herz der „Color Fantasy“. Innenkabinen verfügen hier über Fenster mit Blick über das Geschehen zwischen Shops und Cafés / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Im Donkey Pub unterhält bereits seit der Abfahrt Troubadour Ivan seine Gäste; später am Abend übernimmt das „Galya Trio“ mit Country-, Western- und Rock-Hits quer durch die Jahrzehnte. Außerdem öffnen mit der Abfahrt der “Color Fantasy” aus Oslo auch das Badeparadies „Aqualand“, das Kasino, die Parfümerie, der große Tax Free Market, der Color Shop, die Fashion Boutique und der Tower Night Club ihre Pforten. Heimlicher Star unter den öffentlichen Räumen an Bord ist aber ausgerechnet eine Lounge, die nicht an der zentralen Promenade gelegen ist, sondern hoch oben auf Deck 15: die schöne Observation Lounge nebst angegliederter Observation Library. Sie sind die einzigen Räumlichkeiten an Bord, die praktisch immer voll besetzt oder zumindest gut besucht sind. Nicht nur die abgeschiedene Lage im Schiff zieht die Gäste an, auch das Ambiente aus Bar und Piano tut das seine dazu. Die Bibliothek kann sogar mit echten leder-gebundenen Ausgaben norwegischer Klassiker punkten, da kann sich so manches Kreuzfahrtschiff eine Scheibe von abschneiden.

Die Observation Lounge ist der beliebteste Ort auf der „Color Fantasy“. Freie Tische bekommt man hier nur spät abends, früh morgens oder mit sehr viel Glück
Die Observation Lounge ist der beliebteste Ort auf der „Color Fantasy“. Freie Tische bekommt man hier nur spät abends, früh morgens oder mit sehr viel Glück / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

So richtig Leben kommt aber erst in die “Color Fantasy”, als das Schiff am frühen Abend den Oslofjord verlassen und das offene Meer erreicht hat. Die meisten Passagiere haben zu dieser Zeit zu Abend gegessen, in der Observation Lounge wagt man zum unvermeidlichen „Girl from Ipanema“ das erste vorsichtige Tänzchen, und vor der Fantasy Show Lounge, dem großen Bordtheater, steht während der ersten Vorstellung ein Schild mit dem Hinweis „Full House“. Das kommt übrigens nicht von ungefähr. Wir sehen uns die zweite Vorstellung um 20:30 Uhr an, und „I love NY“ ist schlicht grandios. Das Künstler-Ensemble kommt überwiegend aus Großbritannien und Skandinavien, bringt jedoch den „New York State of Mind“ nicht nur in Form des Songs mit demselben Titel von Billy Joel überzeugend auf die Bühne. Die Stimmen sind kraftvoll, die Kostüme witzig, die Song-Versionen pfiffig und die Performance temperamentvoll. Bravo!

Showtime. Zweimal am Abend findet im Bordtheater eine 45minütige Show statt. Zwei verschiedene im täglichen Wechsel, damit Minikreuzfahrt-Passagiere in den Genuss von beiden kommen
Showtime. Zweimal am Abend findet im Bordtheater eine 45minütige Show statt. Zwei verschiedene im täglichen Wechsel, damit Minikreuzfahrt-Passagiere in den Genuss von beiden kommen / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Konkurrenzlos ist das Geschehen in der Fantasy Show Lounge deswegen aber noch nicht. Im Donkey Pub auf der Promenade ist der Alleinunterhalter von vorhin mittlerweile zu einem Duo angewachsen, und über ein volles Haus kann er sich genauso freuen wie soeben seine Kollegen weiter vorne im Schiff. Bei Hits wie „Have you ever seen the Rain“ und „It’s a Heartache“ ist die Stimmung irgendwo zwischen Nordjütland und Göteborg prächtig und Kiel und der deutsche Alltag noch weit weg. Ohnehin geht es auf der “Color Fantasy” nicht so zu wie auf anderen Nord- und Ostseefähren. Die wenigsten sind hier an Bord, um einfach von A nach B zu gelangen. Es fehlen z. B. die Schulklassen, die so manche Englandfähre im Handumdrehen in Beschlag nehmen, aber auch die „Sauftouristen“, die man auf vielen schwedischen und finnischen Fähren zuhauf trifft. Stattdessen stellen zwischen Kiel und Oslo tatsächlich Minikreuzfahrer das Gros der Passagiere. Auf der “Color Fantasy” gibt es keine Kabinen unter dem Autodeck, kein wildes Übernachten in den öffentlichen Räumen oder auf den Kabinenkorridoren und auch keine Kabinenpartys bei offener Tür.

Im gemütlichen Donkey Pub wird vom Nachmittag bis spät in die Nacht Live-Musik geboten. Gleich gegenüber lädt der Color Shop zum Einkaufen von Souvenirs, Norweger-Pullis u. v. m. ein
Im gemütlichen Donkey Pub wird vom Nachmittag bis spät in die Nacht Live-Musik geboten. Gleich gegenüber lädt der Color Shop zum Einkaufen von Souvenirs, Norweger-Pullis u. v. m. ein / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Als unser Schiff am nächsten Morgen den Langelandsbelt durchquert, ist es draußen noch stockfinster. Hell erleuchtet ist dafür schon zu früher Stunde die Promenade des Schiffes, was ihr ein bisschen den Reiz nimmt, den sie gestern in der Schummrigkeit der abendlichen Party-Beleuchtung ausgestrahlt hat. Doch noch haben die müden Augen Zeit, sich an den Tag zu gewöhnen. Am opulenten Frühstücksbüffet z. B., das man sich auf diesem Schiff auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Dabei spielt es keine Rolle, ob man eine Drei- oder eine Vier- bzw. Fünf-Sterne-Kabine gebucht hat. Letztere berechtigen einen zwar zum Frühstück im edlen Oceanic-Restaurant am Heck des Schiffes, wo man am Morgen eine herrliche Sicht auf den Tagesanbruch über der Ostsee hat. Doch auch das „Grand Buffet“ Restaurant auf Deck 6 macht seinem Namen alle Ehre, wähnt man sich hier doch zwischen großen Wandgemälden und der eleganten Einrichtung in Rot-, Beige- und Brauntönen wie auf einem Art Déco-Liner der 1930er Jahre. Beides ist gleichermaßen herrlich.

Das „Oceanic Restaurant“ am Heck der “Color Fantasy“ erinnert mit seinen geschwungenen Treppen und Balustraden an die große Zeit der Transatlantik-Liner
Das „Oceanic Restaurant“ am Heck der “Color Fantasy“ erinnert mit seinen geschwungenen Treppen und Balustraden an die große Zeit der Transatlantik-Liner / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Da darf es ruhig in Strömen regnen, als das Schiff in die Kieler Förde einläuft, um das letzte Wegstück bis zum Norwegenkai zurückzulegen. Von Bord gehen möchte man dort eigentlich nicht, so zeitlos schön ist die “Color Fantasy” auch nach 15 Jahren noch. Es war ein Wiedersehen mit einem Traumschiff, und hoffentlich nicht das letzte!

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