Was treibt Reisende nach Heidelberg? Ist es die Verheißung einer heilen Welt, besungen in lobpreisenden Dichtungen der Romantik? Oder geht es um das Nachempfinden einer alten Sehnsucht nach allem Schönen, die Orte wie Heidelberg auf jeder Must-See-Liste von Touristen erscheinen lässt. „Ich hab‘ mein Herz in Heidelberg verloren, …“, das Singspiel von Fred Raymond befeuerte das Bild eines romantischen Heidelbergs und verklärte bisweilen das Bild der Stadt, die vielen anderen Regionen in punkto Bildung, Wissenschaft und Modernität einiges voraus hat.
So wie viele touristische Hotspots hatte auch Heidelberg vor der Pandemie mit Overtourism zu kämpfen. Vor allem Tagesausflügler überschwemmten die Altstadt. Als begehrtes Ziel des Bustourismus war eher Quantität statt Qualität gefragt. Mal schnell die ’sehenswerten‘ Orte aus dem Reiseprospekt abhaken und zu guter Letzt noch eine Schunkelfahrt bei Kaffee und Kuchen auf dem Neckar mitnehmen. Und Zuhause erzählt man „Ja, schön war’s!“ und hat Heidelbergs Schönheit nicht wahrhaftig kennengelernt.
In den durchorganisierten Aufenthalten der Reiseveranstalter ist kein Platz für Individualismus. Gastronomen haben oft das Nachsehen, da für das Entdecken und Einkehren keine Zeit bleibt. Schade, denn genau dieser Umstand macht doch das Reisen so spannend. Wollen wir hoffen, dass in Zukunft mehr Menschen diese schöne Stadt als Ganzes erkennen. Bei jeder Reise geht es doch im Prinzip darum, die Gegenwart eines Landes, einer Region, einer Stadt im Kontext mit der Vergangenheit wahrzunehmen.
In Heidelbergs Altstadt unterwegs
Um einen ersten Eindruck von der Stadt zu bekommen, bietet sich eine professionelle Stadtführung an. Neben Daten und Fakten zur Geschichte, sind solche Führungen mit Anekdoten und vielen Insider Tipps gespickt. Dennoch ist eine gute Vorbereitung hilfreich. Zu viel Zeit würde sonst mit weniger Interessantem verschwendet werden.
Wer auf dem Kornmarkt in Heidelberg steht, hat unter seinen Füßen die Fundamente des Heilig-Geist-Spitals. Als Blick in die bewegte Vergangenheit wurden die Umrisse der Kapelle mit Pflastersteinen sichtbar gemacht. Von diesem Knotenpunkt mit seiner markanten Mariensäule ist der Aufstieg zum Heidelberger Schloss über den Burgweg möglich.
Wendet man sich in die andere Richtung, betritt man die längste Fußgängerzone Europas. Diese nimmt ihren Anfang am Bismarckplatz und verläuft parallel zum Neckar. Auf ihren zirka 1,6 Kilometern reihen sich romantische sowie bedeutende Bauwerke, die glücklicherweise im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurden. Dennoch hat auch vor Heidelbergs pittoresker Kulisse die Globalisierung nicht halt gemacht. Wo einst lokale Händler ansässig waren, stehen heute die Filialen weltweit agierender Konzerne, gastronomische Urgesteine mussten Franchise-Backshops weichen.
Angekommen am Marktplatz zeigt sich das Postkartenszenario mit Rathaus, Herkulesbrunnen, Heiliggeistkirche sowie dem Renaissance-Haus zum Ritter, dem ältesten Wohnhaus der Stadt. Barocke Fassaden sowie goldene Wappen befeuern weiter den Mythos des romantischen Heidelbergs. In dem schmucken Rathaus aus dem 17. Jahrhundert werden noch heute die Geschicke Heidelbergs gelenkt. Und wie anno dazumal versammeln sich an Markttagen die Händler um die Heiliggeistkirche. Jenes Gotteshaus beherbergte bis zum Dreißigjährigen Krieg die sagenumwobene Bibliotheca Palatina.
Alles vorhandene Wissen der damaligen Zeit versammelte sich in 3.500 Handschriften und 12.000 Drucken, die 1623 nach dem Einmarsch der katholischen Truppen in die Vatikanische Apostolische Bibliothek transportiert wurden. Die Zeugnisse unserer Zivilisation waren über die Jahrhunderte Grund hitziger Diskussionen. Schließlich konnten nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses Anfang des 19. Jahrhunderts wenigstens die deutschsprachigen Handschriften an Heidelbergs Universität zurückkehren. Gemeinsam mit dem berühmten Codex Manesse bilden diese mittelalterliche Handschriften eine fast vollständige kulturhistorische Sammlung.
Um zu einem weiteren Ort von Glauben und Bildung zu kommen, muss man Heidelbergs Flaniermeile Richtung Heugasse verlassen und findet sich an der Jesuitenkirche wieder. Die schlichte Kirche entstand Anfang des 18. Jahrhunderts bildet seither das Zentrum der Heilig-Geist-Gemeinde Heidelbergs. Gleichzeitig wurde an die Kirche das Jesuitenkolleg gebaut. Die umfassend gebildeten Jesuiten waren durchgehend als Lehrbeauftragte an Heidelbergs Universität tätig. Und auch jetzt lebt die katholische Gemeinde weiter, mit der Kirche in ihrer Mitte.
Sich weiter in Richtung Ruprechts-Karls-Universität haltend, erblickt man am Universitätsplatz eine Kupferplakette. Diese etablierte man hier im Lutherjahr 1983. Sie soll der 1623 stattgefundenen Heidelberger Disputation ein Denkmal setzen, als Martin Luther seine 95 Thesen verteidigen musste. An dieser Stelle befindet man sich mitten im Bildungszentrum von Heidelberg.
Die älteste Universität Deutschlands bringt seit ihrer Gründung 1386 brillante Gelehrte hervor, die in Wissenschaft sowie Gesellschaft Geschichte schrieben. Doch die Zeit bleibt nicht stehen und mit der steigenden Anzahl von Studierenden bedurfte es baulicher Erweiterungen. Die neue Universität entstand 1933 an der ehemaligen westlichen Stadtbefestigung. Letztes Relikt ist der Hexenturm, ein mittelalterlicher Wehrturm, der zwischenzeitlich als Gefängnis diente.
Natürlich sollte man nicht versäumen, auf den Spuren des intellektuellen Erbes zu wandeln und der Universitätsbibliothek sowie dem Studentenkarzer einen Besuch abstatten.
Lässt es das Aufkommen an Touristen zu, kann man entspannt durch die Gassen der Altstadt spazieren. Hier und da findet sich ein lauschiges Plätzchen zum Verweilen, ehe man seine Füße Richtung Neckar wendet. Man passiert das Theater, das Kurpfälzische Museum oder auch die Zeughaus-Mensa am Marstall als identitätsstiftende Plätze Heidelbergs.
Von hier aus erblickt man schon Wahrzeichen der Stadt, die Karl-Theodor-Brücke oder auch Alte Brücke genannt. Heidelbergs klassisches Panorama wird maßgeblich von der Brücke mit ihrem Tor bestimmt. Dieses herzergreifende Bild beflügelte die Gedanken von Dichtern, die nachhaltig das Image dieser Stadt formten.
Heidelbergs Schloss
Ende des 17. Jahrhunderts im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört und nur zum Teil wiederaufgebaut, lässt die Ruine Raum für Träumerein. Wie jedem Relikt wohnt auch ihr etwas Mystisches inne, das die Fantasie beflügelt. Tugendhafte Ritter, holde Damen, rauschende Feste, Herrscher in Prunk – es sind wohl die Märchen und Sagen, die Gedankenspiele bei den Besuchern zulassen.
Nimmt man die Mühe auf sich und geht zu Fuß hinauf zum Schloss, wird man mit einer grandiosen Aussicht über Heidelberg, den Stadtteil Neuenheim und das Neckartal belohnt. Belohnt werden jedoch auch jene Besucher, die mit der ältesten Bergbahn Deutschlands angekommen sind.
Der ausgedehnte Schlosspark verspricht Weite im satten Grün, wild bewachsene Mauerreste oder Abgründe. Vielleicht hat man Glück und es werden gerade Kunstobjekte im Park ausgestellt.
Im Schlosshof demonstriert der Friedrichsbau Präsens. Zu seiner rechten Seiten befindet sich der Apothekerturm, der heuten einen Teil des Deutschen Apothekenmuseums beherbergt. Wendet man sich nach links, kommt man zum Fassbau. Dieser wurde speziell für das Grosse Fass konstruiert und befindet sich direkt neben dem Königssaal. Das erste große Fass kam 1591 auf das Schloss und konnte mit 127 Tausend Litern Wein gefüllt werden. Der heutige Touristenmagnet könnte fast doppelt so viel Wein aufnehmen, wenn das Riesenfass denn dicht wäre.
Gleichfalls wie das überdimensionale Fass, avancierte sein Wächter zur Berühmtheit. Perkeo, der kleinwüchsige Hofnarr, soll nicht nur schlagfertig, sondern auch trinkfest gewesen sein. Auf die Frage, ob er denn das ganze Fass leer trinken könnte, antwortete der aus Italien stammende Mann „Perchè no – Warum nicht?“, was ihm den Rufnamen Perkeo einbrachte.
Um die Historie des Schlosses zu verdauen, stattet man der Schlossweinstube von Martin Scharff einen Besuch ab. In dem Gourmet-Restaurant, welches sich ebenfalls im Innenhof befindet, genießt man eine zeitgemäße Küche mit Blick auf die idealisierte Ruine. In dem eleganten Restaurant kommen neu interpretierte Klassiker auf die Speisekarte, die mit ausgezeichneten Weinen den Weg zum Gast finden. Und direkt is(s)t man wieder im Hier und Jetzt, trifft Heidelberger, die sich über jene neue Gelassenheit auf dem Teller freuen.
Die Zeit bleibt nicht stehen
Schaut man zur anderen Uferseite der Lebensader von Heidelberg, erblickt man den Stadtteil Neuenheim. In dem attraktiven Bezirk reihen sich Villen und große Grünanlagen aneinander. Aus den Medien bekannte Gesichter oder Spitzensportler haben hier ihr Domizil. Doch an dieser Uferseite liegen nicht nur der beschauliche Philosophengarten und der Südhang des Heiligenbergs oder schlängelt sich der Philosophenweg mit seinen einmaligen Ausblicken, hier ist Heidelbergs Zentrum der Wissenschaft.
Nach dem Bau des Chemischen Instituts 1951 siedelten sich weitere namhafte Forschungseinrichtungen wie das renommierte Deutsche Krebsforschungszentrum oder das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen an. Mit der Verlegungen von Sparten der Universitätsklinik wurde dieses Stadtviertel zur Schnittstelle von Wohnen und Forschen.
Ein weiteres Projekt, das modernes Leben und Arbeiten ermöglicht, entstand mit der Heidelberger Bahnstadt. Hier schufen Stadtentwickler auf dem Geländes des ehemaligen Güterbahnhofs zukunftsorientiertes Wohnen. Seit 2012 ist das Wohnen auf dem noch nicht fertigen, 116 Hektar umfassenden Areal möglich. Der neue Stadtteil bietet Wohnraum für 6.500 Menschen in klimaneutralen Passivhäusern, für weitere 6.000 Menschen wurden Arbeitsplätze in kleinen Gewerbeeinheiten sowie in Forschung und Bildung geschaffen.
Bei der Verkehrsplanung legte man das Augenmerk auf ausgeklügelte Wegführungen für Radfahrer, Fußgänger sowie öffentliche Verkehrsmittel. Jeder Anwohner des Quartiers findet entsprechend seiner Bedürfnisse die passenden Rahmenbedingungen mit Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen im In- und Outdoor-Bereich.
Kulinarische Verführungen erfuhren wir während des Gourmet & Wein Festival No. 4 auf dem Heidelberger Schloss von Martin Scharff und Harald Wohlfahrt, sowie von Julien Schon, dem Küchenchef von Deutschlands herzlichstem Stadthotel, dem Europäischen Hof.
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