In der ersten fünf Monaten des Jahres 2020 war es nicht so einfach, in den Genuss von Torsten Michels Kochkünsten zu kommen. Am 5. Januar diesen Jahres zerstörte ein Brand die Schwarzwaldstube, jene kulinarische Instanz unseres Landes, in der Torsten Michel bis dahin 15 Jahre tätig war. Ab 2017 leitete er das Gourmet-Restaurant, welches seit 1992 ununterbrochen mit drei Michelinsternen aufwartete.
Der Erschütterung folgte Pragmatismus. Familie Finkbeiner, Inhaber des 5 Sterne Superior Hotels Traube Tonbach in Baiersbronn, strebte eine Zwischenlösung an, damit Freunde der Küche von Torsten Michel nicht zu lange auf ihr Gourmetglück warten müssen. Mit dem niederländischen Unternehmen Neptunus realisierte man binnen kurzer Zeit einen semi-permanenten Anbau auf dem Dach des Parkhauses.
Seit Pfingsten empfängt Küchenchef Michel nun seine treuen Stammkunden sowie neugierig gewordene Feinschmecker im „temporaire“, einem lichtdurchfluteten Restaurant, das obendrein noch einen traumhaften Ausblick über das Tonbachtal gewährt.
Zwischen Brand, Pandemie und Wiederaufbau war der Küchenchef samt Crew keinesfalls untätig. Während einige Teammitglieder diese Zeit für Weiterbildungen in anderen Spitzenrestaurants nutzen, gastierte Torsten Michel beispielsweise auf den Rheingau Gourmet & Wein Festival.
Der Ruf aus Baiersbronn lockte 145 Gäste nach Hattenheim ins Hotel Kronenschlösschen, die mit einem nicht minder exzellenten Menü verwöhnt wurden.
Kulinarisches Glück auf dem Gourmetfestival
Der Tradition seit über 20 Jahren folgend, werden auf dem Rheingau Gourmet & Wein Festival Amuse und Aperitif im Empfangszelt gereicht. Langsam stimmt man sich auf den kommenden Abend ein und genießt dabei die Vorfreude, von einem fabelhaften Küchenhandwerker bekocht zu werden.
Immer wieder wird Torsten Michel nach seinem Stil gefragt. Und immer noch sind es die französischen Wurzeln, die seine Gerichte prägen. Ganz in der Manier von Altmeister Witzigmann steht das Produkt im Zentrum des Geschehens. Eine hohe Qualität gibt den Ton und wird von harmonierenden Aromen wie Satelliten umkreist.
Den Auftakt bildete eine Terrine von der marinierten Entenleber. Für diesen sehr ausgewogenen Einstieg kombinierte Torsten Michel Entenleber mit Wachtelbrust und Kalbsbries als dreilagige Terrine und umhüllte diese mit Jurançongelee. Komplettiert wurde der Teller von Nocken aus eingelegten Früchten, süßen Honigweincoulis sowie getrockneten Aprikosen.
Die beiden Fischgänge zeigten auf, dass Torsten Michel gern über den Tellerrand schaut, ihm die Regionalität zu beschränkt ist. Jene Disziplin überlässt er gern jungen Aufsteigern, orientiert sich dabei selbst am Besten, was das Wasser zu bieten hat. Dennoch ist die zur Zeit oft bemühte Nachhaltigkeit für ihn kein Fremdwort. Von Hand gefangener Fisch ohne den Einsatz von Schleppnetzen wäre da beispielhaft zu erwähnen. Außerdem wird von jedem edlen Meerestier gerade so viel geordert, wie benötigt wird.
Im ersten Fischgang rückte man Kalmar in den Fokus und stellte ihm edle Meeresbewohner wie Bretonischen Hummer, Jakobsmuschel und Riesengarnele an die Seite. Alles fügte sich mit Krustentiersud, pikantem Gurkensalat, Spänen von grünen Äpfeln sowie Mumbai Curry zu einem großen Ganzen zusammen.
Mit dem Färöer-Lachs stellt der Küchenchef der Schwarzwaldstube oder des „temporaire“ erneut ein erstklassiges Produkt in den Vordergrund. Auf der entlegenen Inselgruppe im Nordatlantik produziert der örtliche Fischereiverband Lachse in artgerechter Zucht. Nach der Aufzucht werden die Lachse in geringen Populationen in großzügigen Offshore-Anlagen gehalten. Das beständig kalte Wasser lässt die Lachse einen ausreichenden Fettanteil entwickeln, der sich im Geschmack niederschlägt.
Das Team aus Baiersbronn verwendet den exklusiven Vertreter des Nordmeers in einer mildgeräucherten Variante. Eine geschmacklich fantastische Symbiose stellten die Beilagen auf Rotweinbasis dar – Rotweinschalotten sowie geschmorter Kohl in Rot- und Weißweinbuttersauce.
Weine aus dem Elsass
Auf dem Rheingau Gourmet & Wein Festival spielt Wein keine untergeordnete Rolle, vielmehr dreht sich das Menü um die roten und weißen Tropfen. Das Food-and-Wine-Pairing macht sozusagen eine 180 Grad Wende und etabliert nicht selten den Wein als Protagonisten.
Das Traditionsweingut Hugel befindet sich lediglich 2 Autostunden von Baiersbronn entfernt. Es liegt im malerischen Riquewihr im Nordosten der Vogesen. Seit 1639 besteht der Familienbetrieb und gilt als Vorreiter im qualitativen Weinbau. Handarbeit im Weinberg, strenge Selektion des Traubenmaterials und eine schonende Pressung sind nur einige Bausteine der Philosophie bei Hugel.
Zirka die Hälfte des 25 Hektar Reblands ist als Grand-Cru eingestuft. Aus einer dieser Cru-Lagen offerierte Hugel den 2011 Gewürztraminer „Grossi Laüe“ zur Entenleberterrine sowie einen 2013 Riesling „Grossi Laüe“, der mit seinem leicht salzigen Geschmack das Terroir der Spitzenlage widerspiegelte und zum Klamar überzeugte.
Ähnlich eines genossenschaftlichen Zusammenschlusses kauft Familie Hugel Trauben für die Vinifizierung von benachbarten Winzern an. Jedoch verwenden sie für ihre Estate-Kollektion ausschließlich Weine ihrer eigenen Weinberge. Der 2015 Estate Pinot Gris gilt als typischer Terroirwein und wurde ebenfalls zur Entenleberterrine gereicht. Seine weiche Fülle verdankt er dem Boden aus Kalkstein und Lehm.
Wer erstklassige Weine aus dem Elsass sucht, kommt am Riesling „Schoelhammer“ nicht vorbei. Diese Lage darf durchaus als Filetstück der Familie Hugel bezeichnet werden. 6.300 Quadratmeter werden biologisch bewirtschaftet. Keupermergel aus dem Trias sowie Sedimente eines Urmeeres aus dem Mesozoikum schaffen elegante Rieslinge, deren Potential sich außerordentlich gut zu Fisch und Meeresfrüchten entfaltet.
Weine aus dem Piemont
Das rote Pendant zum Menü stellte Pio Cesare aus dem Piemont. Auch diese Familie verschreibt sich seit Generationen dem Weinbau und verfügt über 70 Hektar Weinberge rund um die historische Stadt Alba. Ihre Rebflächen sind in den besten Lagen verteilt. Noch immer folgen sie der klassischen Methode, Barbaresco und Barolo herstellen. Ihre Weine repräsentieren die gesamte Region, jeder Weinberg, jede Parzelle ist in einer Flasche mit eingebunden.
Im Barbaresco Gebiet verfügt die Familie über knapp 30 Hektar, die zu 45 Prozent mit Nebbiolo Reben bestockt sind. Zu dem Färöer-Lachs offerierte man einen 2011 Barbaresco aus der Magnumflasche sowie einen 2008 Barbaresco Il Bricco, dessen Trauben in Treiso auf 390 Metern Höhe wachsen, eine der höchsten Erhebungen in dieser Region. Kalkstein sowie Lehm verleihen ihm eine leichte Säure. Die eleganten, nicht zu wuchtigen Tannine vervollkommnen die großartigen Wein und machen ihn zu einem absolut runden Geschmackserlebnis.
Zu dem Hauptgericht von Chef de Cuisine Torsten Michel offerierte Familie Cesare zwei Vertreter ihres Barolo-Portfolios. Auf zirka 20 Hektar gedeihen Nebbiolo-Trauben, die durch eine bedachte Arbeit im Berg und Keller zu großartigen Weinen mit hohem Lagerpotential heranreifen. Der 2008 Barolo Ornato stammt aus Serralunga d’Alba. Hier erreichen die Rebflächen ebenfalls eine Höhe von 380 Metern, die sich wie ein Amphitheater aufbauen. Die Trauben genießen die pralle Sonne Norditaliens in einer Süd- bzw. Süd-West-Ausrichtung. All diese Faktoren geben dem Barolo Pio Cesare eine kräftige Struktur mit langem Abgang, der hervorragend mit Wildgerichten harmoniert.
Königlicher Wildhase aus dem Burgenland
Der Wildhase königlicher Art ist nicht einfach ein Wildgericht zum Hauptgang, sondern die Visitenkarte von Torsten Michel. Dieser royale Wildhase entstammt der klassischen französischen Küche, dessen Historie ins Frankreich am Vorabend der Revolution führt. Rezepte des „Lièvre à la Royale“ finden sich einige, auch bei Kochlegende Jean Paul Bocuse.
Torsten Michel investiere kreative und mühevolle Stunden in seine Interpretation, nicht nur nur am Herd. Die Schwierigkeit bestand darin, den Wildhasen in der passenden Qualität zu finden. Im österreichischen Burgenland wurde er schließlich fündig. Seit 10 Jahren bezieht er für sein Signature-Dish nun den Hasen aus dieser Jagd.
Für seine Variation wird das Tier von Kopf bis Fuß oder „from nose to tail“ verwendet. So wird aus dem Blut des Hasen eine unglaublich dichte Rouennaiser Sauce, die ihresgleichen sucht. An der Seite des Hasen fanden glasierter Muskatkürbis und schwarzer Trüffel ihren Platz.
Die Pâtisserie
Nicht nur in der Führungsetage der Küche des 3-Sterne Restaurants Schwarzwaldstube vollzog sich der Generationswechsel. Der Elsässer Logan Seibert folgte 2018 dem altgedienten Chef der Pâtisserie Pierre Lingelser. Seit einiger Zeit ist Pierre Lingelser Jury- Mitglied beim Wettbewerb „Pâtissier des Jahres“ und sorgt mit seinen Engagement für den Nachwuchs des Konditorhandwerks.
Die Kreationen von Logan Seibert fallen durch ihre komplexe Aromendichte auf. Kunstvoll beschließen seine Werke einen genussvollen Abend, die eher durch Leichtigkeit als Opulenz überzeugen.
Mit einem Sorbet von Moro-Blutorangen, Campari-Baba, Hammam-Chantilly, Bergamotte, Blutorangencoulis und Olivenöl versetzte er die Gäste des Festival noch einmal ins Schwärmen. Aus dem Hause Hugel gesellte sich ein 2010 Gewürztraminer Vendange Tardive hinzu. Dieser edelsüße Wein ist eine Rarität, der ausschließlich in Ausnahmejahren erzeugt werden kann. Zirka vier bis sechs Wochen nach der „normalen“ Lese werden die überreifen Trauben von Hand geerntet.
Was noch zu sagen bleibt
Der Verlust des Restaurants ging mit der Einbuße der Michelin-Sterne einher. Das schmälert jedoch mitnichten die Expertise des Küchenteams der Schwarzwaldstube. Bis Ende 2021 soll der Wiederaufbau des Stammhauses andauern. Auch wenn schon jetzt im „temporaire“ ein neues Kapitel der Haute Cuisine in der Traube Tonbauch aufgeschlagen wurde, wird der Neustart Symbolwirkung haben.
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