Kräuter, jene stille Helden der Küche, sind mehr als hübsche Deko. Sie können einem formidablen Gericht das gewisse Etwas geben oder überdosiert angewendet, es komplett ruinieren. Ratsam ist deshalb, sich explizites Wissen anzueignen, um dann mit der grünen Vielfalt auf Aromenreise zu gehen.
Seit der Mensch seinen Fuß auf unsere Erde setzte, begleiten ihn essbare Wildpflanzen. Von der Wurzel bis zur Blüte verzehrten unsere Vorfahren ihre saisonalen und regionalen Fitmacher. Auf diese Weise versorgten sie sich mit wichtigen Vitaminen und Spurenelementen, aber auch mit ätherischen Ölen.
Orientierung an den Jahreszeiten in Mode gekommen
Heute ist die Orientierung an den Jahreszeiten ein in Mode gekommener Maßstab im kulinarischen Kalender. Gleichsam spielen Herkunft sowie Ressourcenschonung weitere fundmentale Rollen in der gehobenen Küche. Glücklicherweise orientieren sich nicht mehr nur Spitzengastronomen an jenen Parametern. Die aromatischen Alleskönner, unbedingt aus biologischem Anbau oder bestenfalls dem eigenen Bett entstammend, halten in zahlreichen, genussorientierten Haushalten Einzug.
Altes Wissen um Geschmack, Wirkung, Einsatz und Verarbeitung von Kräutern erlebt in weiten Teilen ein Comeback. So werden endemische Gewürzpflanzen oder auch heimisch gewordene Kräuter in breiter Masse kultiviert, wobei sich hierzu auch ein Blick in die Natur lohnt.
In unserer unmittelbaren Umgebung hat die Natur das Buch aufgeschlagen und wir sind angehalten, diese Botschaft zu entschlüsseln. Vor der Industrialisierung der Landwirtschaft gab es in jeder Dorfgemeinschaft eine Kräuterfrau bzw. einen Kräuterseppl. Im Südtiroler Ahrntal ist Mario der Connaisseur, wenn es um altes Kräuterwissen geht.
Soweit er zurückdenken kann, ist Mario der regionalen, verzehrbaren Flora auf der Spur. Jedes grüne Hälmchen kann von ihm benannt, sogar bestimmt werden. Neben dem Sammeln und Verarbeiten von Kräutern aus der Natur für seine eigenen Zwecke, ist Mario im malerischen Ahrntal als Wanderführer unterwegs. Seine Begleiter sind kräuterhungrige Hobby- oder Profiköche, Familien, interessierte Heilkundler, Wissenschaftler und Pharmazeuten.
Mit ihm können während einer leichten Wanderung Alpenorchideen, Brombeeren, Butterblumen und wilde Hyazinthen entdeckt werden. Er erklärt die unterschiedlichen Merkmale von echter Schafgarbe, Wiesenkerbel und Bibernelle, denn zu oft verwechseln ungeübte Sammler aus der Unkenntnis heraus diese Doldenblütler.
Über 50 Kräuterbauernhöfe verteilen sich über das Gebiet von Südtirol
Zirka 50 Kräuterbauernhöfe verteilen sich über das Gebiet von Südtirol. Die meisten sind Demeter zertifiziert. Gerade bei Kräutern bewegen sich die Grenzwerte für Rückstände von synthetisch hergestellten Spritzmittel im 1000stel Bereich. Das Versuchszentrum Laimburg des Landes Südtirol beschäftigt sich unter anderem mit diesen Fragen. In Meran, oberhalb der Gärten von Schloss Trautmannsdorf, widmet sich eine Handvoll Frauen der Kräuterforschung.
Auf einem Hektar werden Wachstumsbedingungen und Wechselwirkungen erforscht, ideale Bodenstrukturen und Standorte ausgetestet sowie Kräuter- und Teemischungen hergestellt.
Außerdem dienen die Kräuterfelder der Laimburg Schulungszwecken. Ambitionierte Bauern werden in Theorie und Praxis zum Thema biologischer Kräuteranbau geschult. Das Highlight für die Sternegastronomie sind jedoch die getrockneten Kornblumen von Karin Thaler.
Auch Alfons Schubeck überzeugte die Qualität
Auch Alfons Schubeck überzeugte die Qualität, insbesondere die intensive Farbe der getrockneten Korbblütler. Die Röhrenblüten der Kornblumen von Karin füllen nicht nur den Blütenrand, sondern den gesamten Blütenstand aus, der auch getrocknet noch außerordentlich gut zur Geltung kommt. In Teemischungen oder bei besonderen Gerichten sind diese farbenprächtigen Röhrenblüten das gestalterische I-Tüpfelchen.
Spitzenköchen wie Jean-Georges Klein, Martin Sieberer oder Tristan Brandt, denen wir bei der Veranstaltung „Kulinarischer Jakobsweg“ eine Kostprobe jener raren Kornblumen übergaben, waren genau wie Alfons Schubeck angetan von der Leuchtkraft der speziell getrockneten Blüten.
Die Verwendung von kultivierten Kräutern in der Gastronomie ist zweifelsohne der sicherere Weg. Dennoch üben wilde Wald- und Wiesenkräuter einen besonderen Reiz aus. Jene wilden Artgenossen entfalten für unseren Gaumen nie gekannte Geschmacksnuancen. Authentisch erlebbar ist dieses gustatorische Wunder im Bergischen Land.
Hier ist das Zuhause von Buchautorin Anke Höller. Neben Wildkräutern sammelt sie essbare Wildsamen und kreiert damit Schmankerl, die trotz ihrer Einfachheit Gänsehaut bei jedem Feinschmecker erzeugen.
Zubereitungen wie beispielsweise Nachtkerzen-Sesam-Butter oder Brennnessel-Gomasio werten die gesunde Küche gleichsam auf wie ein Saatenbrot mit Hagebuttensamen oder ein Möhren-Labkraut-Salat. Allerdings warnt jeder versierte Sammler vor den Gefahren, bei denen die Natur ihre Launen auslebt.
Deshalb sollte vor dem Gang durch die Botanik der Fachmann bzw. die Fachfrau zu Rate gezogen werden. Frauen wie Anke Höller oder die Französin Linda Louis, die uns mit ihrer wilden Waldküche die natürliche Ernährung nahebringt, lehren in ihren Büchern den respektvollen Umgang mit den Schätzen unseres empfindlichen Ökosystems.
Nun waren die grünen Gesellen schon immer gesunde Geschmacksunterstützer. Viele herausragende Köche haben die Verwendung der kleinen Zauberkünstler für sich entdeckt.
Sternekoch Toni Neumann fand während des Rheingau Gourmet & Wein Festivals Vogelmiere am Ufer des Rheins. Er gab mit dieser Vogelmiere seinem Steinbutt in Geflügeljus einen grünen, lokalen Fingerabdruck – Chickenjus & Chickweed ward geboren.
2 Sterneköchin Tanja Grandits pflegt ihren eigenen Kräutergarten
Die Basler 2 Sterneköchin Tanja Grandits pflegt hinter ihren Haus mit viel Liebe ihren eigenen Kräutergarten. Vom Apero bis zum Dessert vervollkommnet das geliebte Grün spannende Gerichte. Wie essenziell die würzige Vielfalt für die Grandits-Küche ist, hält sie in einem eigens den Kräutern gewidmeten Kochbuch fest.
Die gesamte kulinarische Bandbreite von selbstgesammelten Kräutern darf im Restaurant ARCANA ausgekostet werden. Familie Ebenkofler betreibt das Kräuter-Restaurant ARCANA in Sand in Taufers am Rande des Ahrntals.
In der Früh bricht Kräuterexpertin Anneres Ebenkofler auf, um Wildkräuter zu sammeln. Mit Küchenchef Dominik Leiter wird nach ihrer Rückkehr experimentiert und extrahiert. Es entstehen unnachahmliche Speisen, welche die Sprache der Wildkräuter authentisch auf den Teller bringen.
So war die Redaktion von FrontRowSociety weltweit unterwegs: in Südafrika, Singapur, Marokko oder Australien – um unseren gesamten Globus versuchen Menschen den Gewürzpflanzen ihre Geheimnisse zu entlocken.
Auf alten Handelsrouten wurden Gewürze gegen Gold aufgewogen oder gar mit Kräutern und Gewürzen gezahlt. Des Weiteren schaffen Kräuter kulinarische Identitäten. Meist sind es Gewürzmischungen, die einer Speise eine kulinarische Nationalität geben. Paracelsus sah den Menschen und die Natur als kosmische Einheit und Kräuter sind das starke Bindeglied.