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Lebensader Main. Das erkannten schon die alten Römer um 100 n. Chr. Wovon heute noch die blühende Region am Mainknie, dem Herzstück des Flusses, ein beredtes Zeugnis ablegt. Mainfranken ist schon längst kein unterfränkisches Niemandsland mehr am Rand von Hessen, Bayern und Baden-Württemberg.

Römische Feldherren allerdings machten sich erst mal nur den strategischen Wert der Region zunutze, indem sie in der Nähe den nach Süden verlaufenden Schutzwall „Vorderer Limes“ am Flussufer schlossen. Bis sie quasi die Binnenschifffahrt als Transport- und Lebensader entdeckten. Per Treidel- oder Segelschiff, je nach Flussrichtung, wurden auf dem Main Truppen- und Güter transportiert. Da jedem Legionär pro Tag zwei Liter verdünnter Wein zustanden, waren auch viele Fässer an Bord. Vom 2018er-Trendwein Blanc de noire wussten sie allerdings noch nichts.

Römischer Transportsegler en miniature
Römischer Transportsegler en miniature / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Im Mittelalter herrschten hier die Churmainzer Bischöfe. Heute wirbt die fränkische Region an der „Nasenspitze des bayerischen Löwen“ als Churfranken für ihre landschaftlichen, kulinarischen, architektonischen und historischen Vorzüge. „Wo der Main am schönsten ist“ meint eine Fremdenverkehrsbroschüre.

Freuden der Langsamkeit

Neben Frachtschiffen, die auch Wein in ihren Spezialtanks transportieren, dieseln inzwischen ganzjährig bis zu 135 Meter lange Kreuzfahrtschiffe auf dem Fluss.

Ein Flusskreuzfahrtschiff zu Berg unterwegs bei Wörth
Ein Flusskreuzfahrtschiff zu Berg unterwegs bei Wörth / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

2018 wurden 584 Anläufe und 17 Schiffe gezählt mit bis zu 200 internationalen Passagieren, also rund 116.800 insgesamt. Zwischen Bamberg und Mainz ist er auf 386 Kilometern schiffbar. Bis zu 50 Euro fließen pro Passagier in die Kassen der Miltenberger Geschäftsleute, weiß man in der Tourismus-Information. Speziell teure Koffer und Lederjacken werden gekauft. Unter den Gästen häufig ehemalige Kriegsteilnehmer und Menschen mit jüdischen Wurzeln.

Ein großer Tanker fährt unterhalb der Henneburg vorbei
Ein großer Tanker fährt unterhalb der Henneburg vorbei / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Drei Liegeplätze stehen zur Verfügung, davon nur einer mit Landstromanschluss für Übernachter, um Belästigungen von Anwohnern zu vermeiden. Daher sei die Stimmung unter ihnen auch sehr gemischt. Wohingegen sich die Passagiere sehr diszipliniert und angenehm verhalten, hört man weiter.

Wer jedoch nicht gleich auf die große Flusskreuzfahrt zum Beispiel von Köln nach Passau oder weiter gehen kann, dem sei die preiswertere Variante mit der weißen Flotte von Reederei Henneberger in Miltenberg empfohlen.

Ihre vier Schiffe MS ASTORIA (51 x 9 m; 2 x 480 PS, 850 Pers.), BACCHUS (65 x 10,95 m; 2 x 430 PS, 1000 Pers.), MOZART (42 x 8,20m; 2 x 250 PS, 600 Pers.) und SIVOTA (41 x 10,40 m; 2 x 320 PS, 400 PS) bieten von Mai bis November täglich große und kleine Rundfahrten ab Wertheim und Miltenberg an, aber auch Tagesfahrten auf Main und Rhein sowie Abendfahrten und Sonderfahrten mit Musik und Büffet. Da lassen sich die Freuden der Langsamkeit genießen, während das Ufer in romantischer Beschaulichkeit vorübergleitet.

MS ASTORIA wird an ihrem Liegeplatz passiert
MS ASTORIA wird an ihrem Liegeplatz passiert / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Felsklippen und Weinhänge

Die kurze Rundfahrt dauert nur eine Stunde. Wir sind in Miltenberg an Bord der SIVOTA gegangen. Die steuert Kapitän und Eigner Edwin Herbert im Tonnen-Slalom durch die Schlingen des Mains, der seit den Römern eine lange Schifffahrtstradition aufweist.

Schiffsführer und Reeder Edwin Herbert am Ruder
Schiffsführer und Reeder Edwin Herbert am Ruder / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Neben Flussschiffen wurden auf der Erlenbacher Schiffswerft – man glaubt es kaum – sogar Seeschiffe gebaut. Von Herbert erfährt man auch, dass die SIVOTA zuvor BONNA hieß und 1989 auf der Bonner Lux-Werft gebaut wurde. Und Bundeskanzler Helmut Kohl, der das Schiff charterte, zeigte so manchem Staatsgast von der Reling aus seine rheinische Heimat.

Wie ein Film passieren an Back- und Steuerbord malerische Dörfer, waldbestandene Felsklippen und Weinhänge. Dazu satte Ufernatur, steile Hänge mit exzellenten Weinlagen, dichtes Gebüsch. Dutzende Nachtigallen und Spötter scheinen um die Wette zu schmettern. Idylle pur.

Fahrt vorbei an der romantischen Mainhölle
Fahrt vorbei an der romantischen Mainhölle / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Bis voraus wieder die Türme von Miltenberg auftauchen, der denkmalgeschützten „Stadt in Stein und Holz“.  Ein Schild am Anleger verkündet: „Perle des Mains“. Die kann man auch, sofern man Ruderer ist, vom gegenüber liegenden Ruderclub aus erkunden. Etwas schweißtreibender zwar, aber in Augenhöhe mit der Natur.

Dazu sollte man sich rechtzeitig bei Ludwig Martin Büttner anmelden. Der pensionierte Manager ist auch im Ältestenrat des Deutschen Ruderverbandes aktiv und nebenbei ein beschlagener Fremdenführer auf der Mildenburg.

Doppeldreier des Ruderclubs vor der Stadtkulisse
Doppeldreier des Ruderclubs vor der Stadtkulisse / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Kein schöner Land

Auf dem Programm für einen Nachmittag: Landpartie mit Einsichten. Die Zeit sollte man nutzen, entweder geführt oder individuell-aktiv und – mit dem Flair des Besonderen.

Wie wärs mit einem Elektrofahrrad, neudeutsch E-Bike genannt? Einige Verleihstationen findet man ganz in der Nähre des Schiffsanlegers oder man informiert sich vorab beim Tourismusverband Spessart-Mainland e.V., Tourenvorschläge kann man sich unkompliziert auf sein Smart- oder iPhone laden.

Wir haben uns aufgemacht, um von Miltenbergs Nachbarort Markt Bürgstadt aus mit Gästeführerin Marianne Krommer die „6. Etappe des Fränkischen Rotwein-Wanderwegs“ zu erkunden. Der führt – mühelos, weil elektrisch sanft unterstützt – vom Historischen Rathaus steil hinauf in die Weinberge der Hohenlinde – mit einem atemberaubenden Blick auf die Stadt – aber auch in die Mainhölle, wie die auf der anderen Mainseite gelegene Weinberganlage genannt wird.

Blühende Wiese mit Blick vom Spessart auf den Odenwald
Blühende Wiese mit Blick vom Spessart auf den Odenwald / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Ein Schlückchen Rotwein samt Käse und Brot zur entspannenden Radelpause zaubert sie dabei wie selbstverständlich aus ihrem Gepäck. Dazu fällt einem nur das alte Volkslied ein „Kein schöner Land in dieser Zeit…“. Wir jubeln fröhlich und machen, leicht angesäuselt, einfach „weinschöner“ draus. Das haben wir den alten Römern zu verdanken, die bis ins 2. Jahrhundert nach Christus in der Region lebten und schon damals Weinbau betrieben.

Am Schnatterloch im Schwarzviertel

Eine flache Alternative wäre die Radrundtour am Main entlang: vom ersten Haus am Platze, dem Hotel „Adler“ in Bürgstadt, nach Dorfprozelten. Dort gehts hoch hinauf zur mächtigen Henneburg mit Führung durch den „echten“ Deutschordens-Ritter Jürgen, einen freundlichen Riesen mit Geographie-Doktortitel.

Links der Autor mit Ritter Doktor Juergen auf der Henneburg
FrontRowSociety-Autor Peer Schmidt-Walther (re.) mit Ritter Doktor Jürgen (li.) auf der Henneburg / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Auf der anderen Seite gehts über einen fantastischen Radweg wieder zurück. 40 Kilometer bei Schwierigkeitsgrad Null. Man muss auch keine Angst haben, dass einem der „Saft“ ausgeht, denn es gibt überall in der Region gut ausgeschilderte Ladestationen.Trainiert muss man für solche Strecken nicht sein. Umso mehr kann man die Flussaue, Tiere wie ägyptische Enten, Grau- und Kanada-Gänse samt Bergpanorama genießen.

Im Mittelalter verlief neben dem Main eine wichtige Handelsstraße, was Miltenberg durch das Stapelrecht von Waren großen Reichtum bescherte. Die frühere Bedeutung der Stadt erkennt man am malerischen Ensemble prächtiger Fachwerkbauten wie dem Alten Marktplatz mit seinem achteckigen Brunnen – bekannt als “Schnatterloch“-, im historischen „Schwarzviertel“ mit seinen Baudenkmälern oder an der frisch restaurierten romantischen Mildenburg hoch über der Stadt. Der Bummel durch Gassen und Winkel gerät zur Entdeckungstour durch Gegenwart und Vergangenheit.

In der Altstadt von Miltenberg
In der Altstadt von Miltenberg / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Radeln und Wandern

Wobei man in der Hauptstraße ganz von selbst auf das prachtvolle Gasthaus „Zum Riesen“ aus dem 11. Jahrhundert stößt. Es nennt sich „ältestes Deutschlands“. Schon Kaiser Karl VI., Hans Albers, Heinz Rühmann oder auch Elvis Presley kehrten hier ein und genossen mittelalterliche Lebensfreude und Gastlichkeit. Die sollte man sich unbedingt gönnen. Entweder bei lokalem, rustikalen Faust-Bier oder die edlen Tropfen der bekannten Weingüter Höflich und Fürst.

Deutschlands älteste Gaststätte Zum Riesen
Deutschlands älteste Gaststätte „Gasthaus Zum Riesen“ / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Die auf roten Buntsandstein-Verwitterungsböden mit Lösslehmauflage gereiften Trauben können sich einfach gut schmecken lassen: ob Rebsorten wie Silvaner, Riesling, Bacchus, Müller-Thurgau, Kerner, Blauer Spätburgunder und Portugieser. Weißburgunder, Frühburgunder, Regent und Dornfelder hingegen sind Neulinge für die Weinmacher, die ihr Handwerk mit Leib und Seele betreiben. Wie Reinhold Hillerich und seine Frau aus Erlenbach, zu der uns Julia Kompatscher, eine junge Südtirolerin, von Churfranken e.V. führt. Reinhold führt durch seinem Weinberg, nur einen Hektar groß, aber der hat es in sich.

Am „Fränkischen Rotwein-Wanderweg“  liegen einige Betriebe, deren Eigentümer sich wie Hillerich über Gäste freuen, die eigenständige Weine zu schätzen wissen wie Chardonnay und Rotwein-Cuvees im Barrique gereift oder Winzersekt. „Nach dem Motto: Radeln und Wandern müssen keine trockene Angelegenheit sein“, bläst Julia wieder zum Aufbruch. „Auch nicht die Weinlese“, ergänzt Reinhold,  „wer helfen möchte, ist willkommen“. Der IT-Ingenieur und Winzer ist bekannt für seinen Spitzen-Portwein „Hillpure“ und sein universelles Wein-Wissen.

Churfränkische Häckerwirtschaft

Unbedingt sollte man sich auch den Gaumenfreuden hingeben, die der agile Küchenchef Ralf Restel kredenzt. Leicht erreichbar ist sein Traditions-Gasthaus „Zur Krone“ in Großheubach. Wir hatten Zeit, um geschmorten Rehrücken zu genießen, der auf der Zunge zerging. Und sich vorab von seiner Frau Niki, studierte Sommelière in Sachen Wein, beraten und informieren zu lassen. Rustikaler gehts in der „Churfränkischen Häckerwirtschaft“ von Benedikt Baltes in Klingenberg zu. Natürlich mit lokalem Gutsausschank. Zum Bacchus ein gebratener Leberkäs mit frischem fränkischen Kartoffelsalat. Lecker!

Volles Haus in der urfränkischen Häckerwirtschaft zu Klingenberg
Volles Haus in der Häckerwirtschaft zu Klingenberg / © FrontRowSociety.net, Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther

Gruselig indes wird es, wenn man von der düsteren Vergangenheit Miltenbergs hört. Im Ort werden gern mehrere Plätze gezeigt, auf denen öffentliche Prozesse und Hinrichtungen stattfanden. Grund dafür war der Hexenwahn, wobei die Main-Stadt zu den Hauptverfolgungsorten gehörte. Zwischen 1590 und 1630 ließen hier rund 200 Menschen ihr Leben, nachdem sie zuvor im Hexengefängnis bestialisch gefoltert wurden.

Warum das so war? Wirtschaftlicher Neid und Ernteausfälle bei Wein und Getreide werden heute als eine der wesentlichen Ursachen angesehen. Darunter litt auch so mancher wohlhabender „Riesen“-Wirt, der mit seiner Familie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Unter dem Vorwand, dass vor dem Gasthof die Hexen tanzten.

Mittelalterliche Gruselgeschichten, die den Kreuzfahrern aus den USA und Australien Schauer über den Rücken jagen und genügend abendlichen Stoff bieten für die Weiterfahrt mit Kurs auf die Kulturstadt Aschaffenburg.                                                                     

Info:

Der Main fließt in vielen Mäandern und wurde von den Kelten daher Schlange genannt, von den Römern Moenus. Er hat einen doppelter Ursprung: als Roter Main in der Fränkischen Alb und als Weißer im Fichtelgebirge. Beide Quellflüsse vereinigen sich südwestlich von Kulmbach zum 553 Kilometer langen Main. Schiffbar ist er auf 386 Kilometern Länge zwischen Bamberg und Mainz.

Dieses ist ein redaktionell erstellter Artikel, der durch externe Unterstützung möglich gemacht wurde. Die Unterstützung hat jedoch keinen Einfluss auf den hier abgebildeten Inhalt. Es gilt der Redaktionskodex.

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