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Die Weindegustation – Weinverkostung

Weinprobe: Degustieren, probieren, tasten (engl.), schmecken, abschmecken sind unter anderem die Begriffe, welche ein Weinexperte für das Verkosten von Weinen nutzt. Letztendlich kann auch der Laie mit ein wenig Übung Wein von gutem Wein, aber auch guten Wein von exzellentem Wein unterscheiden. Einen Ausnahmewein oder einen Jahrhundertwein zu identifizieren, bedarf jedoch etwas mehr Erfahrung, als das reine Durchprobieren von verschiedenen Weinen. Worauf bei einer Weinprobe explizit geachtet werden sollte, wird in den nächsten Abschnitten kurz erläutert.

Unscheinbarer Protagonist: Was wäre ein Weinfest ohne Weinglas! Bei großen Festivals werden schon einmal 16.000 Gläser! geordert
Unscheinbarer Protagonist: Was wäre ein Weinfest ohne Weinglas! Bei großen Festivals werden schon einmal 16.000 Gläser! geordert / © Redaktion FrontRowSociety.net

Sensorische Aufnahmefähigkeit bei der Weinprobe

Die sensorische Aufnahmefähigkeit ist vor dem Mittag- bzw. vor dem Abendessen am höchsten, so dass in dieser Zeit das zielführendste Ergebnis bei einer Weinprobe zu erwarten ist.

Neben der sensorischen Aufnahmefähigkeit spielt auch der Ort eine Rolle, an welchem man sich befindet. Hier auf den Seychellen wird der Rotwein von Winzer Andi Kollwentz einen ganz anderen Geschmack entwicklen, da ist sich auch Sommelier Avi des Luxushotels Château de Feuilles auf Praslin sicher / © Redaktion FrontRowSociety.net

Charakter und Reihenfolge der Weinverkostung

Selbstredend ist, dass leichte Weine vor gehaltvollen, kräftigen Weinen probiert werden sollten. Verständlicherweise werden auch keine Dessertweine bzw. liebliche Weine vor leichten oder auch trockenen Weinen degustiert. Zudem gilt die Regel, Weißwein stets vor Rotwein zu verkosten. Wobei jüngere Weine grundsätzlich vor älteren Weinen den Weg in das Glas finden sollten.

Wer sich auf einem Weingut einen Termin zur Verkostung bucht, wird vom Winzer bei der Probe fachkundig beraten. Hier in Bild zu sehen FrontRowSociety Mitherausgeberin Annett Conrad und Winzer Gert-Jan Posthuma vom Weingut Aaldering, bei einer Weinprobe in Stellenbosch/Südafrika / © Redaktion FrontRowSociety.net

Essen und Wein verkosten

Zu einem guten Essen gehört ein guter Wein oder andersherum, während zu einem exzellenten Wein ein erstklassiges Gericht genossen werden sollte. Das mag beim Wine and Food Pairing im Restaurant seine Berechtigung haben. Wer jedoch eine reine Weinprobe durchführen möchte, sollte auf ein üppiges Mahl verzichten. Frisches Weißbrot und ein wenig Salz können da eher helfen, die Geschmacksknospen bei dem Tasting etwas zu neutralisieren. Was aber ganz sicher zu einer echten Weinverkostung gehört, ist stilles Mineralwasser. Nicht nach jedem Probeschluck, aber immer vor dem Griff zum neuen Glas sollte der Gaumen freigespült werden.

Alles muss zusammen passen: das perfekte Steak, der Spitzenwein und ein stilles Wasser, welches die Geschmacksknospen wieder neutralisiert und ein angenehmes Mundgefühl gibt, so wie etwa der Wein Einzelstück vom Weingut Markus Schneider hier im Bild  / © Redaktion FrontRowSociety.net

Ausschanktemperatur von Wein

Da Menschen sehr unterschiedliche Geschmacksvorlieben haben, wäre es vermessen, eine absolute Temperatur vorzuschreiben, bei welcher der Wein genossen werden muss. Allein die Außentemperatur während der Degustation spielt eine große Rolle. Oder – ob der Wein aus einem Silberbecher oder einem Glas getrunken wird. Allerdings wird bei einer professionellen Weindegustation grundsätzlich aus Gläsern getrunken, so dass wir den vorgenannten Faktor vernachlässigen können.

Obwohl der PINO 3000 sein Potenzial bei 18 Grad Celsius am besten entfaltet, reift er in kühleren Lagen. Bis zur Abfüllung schlummert er im Eichenholzfass auf über 3.000 Metern Höhe bei größtenteils frostigen Außentemperaturen / © Redaktion FrontRowSociety.net

Da die Temperatur einen wesentlichen Einfluss auf die Sensorik hat, gelten der Vergleichbarkeit wegen folgenden Richtwerte für die Verkostungs- bzw. Genusstemperatur:

Schwerer Rotwein mit sehr viel Tannin: zirka 20 Grad Celsius
Mittlere bis leichtere Rotweine: zirka 12 bis 18 Grad Celsius
Weißwein: zwischen 7-12 Grad Celsius
Champagner und Schaumwein: zwischen 5 und 8 Grad Celsius

Die Ausschanktemperatur von Champagner sollte zwischen 5 und 8 Grad Celsius liegen
Die Ausschanktemperatur von Champagner sollte zwischen 5 und 8 Grad Celsius liegen / © Redaktion FrontRowSociety.net

Bei der Weinprobe den Wein ausspucken?

Wer zu einem professionellen Weintasing geladen ist, sollte sich nicht schämen zu spucken. Profis spucken den Wein grundsätzlich aus. Das liegt darin begründet, dass im Laufe des Tastings die Konzentration nachlassen würde. Wie wir alle wissen, hat Alkohol einen maßgeblichen Einfluss auf unser Gehirn. Und schließlich ist das Gehirn auch bei der Weinverkostung das Schaltzentrum. Eine differenzierte sensorische und olfaktorische  Beurteilung kann nur erfolgen, wenn man sich an bereits gespeicherte Gerüche und Geschmäcker erinnern kann – Alkohol würde dieses unabdingbare Erinnerungsvermögen stark beeinträchtigen.

Zu einer Weinprobe gefüllt man die Gläser mit 0,1 bis 0,2 Liter Wein, damit sich das Bouquet richtig entfalten kann. Jedoch kann nicht jedes Glas geleert werden, da sonst die Konzentration verloren gehen würde / © Redaktion FrontowSociety.net

Farbe, Geruch und Geschmack von Wein

Genau in dieser Reihenfolge wird Wein beurteilt; und nicht nur der Wein. Dieser Ablauf ist bei jedem Tasting maßgebend, egal ob Sake, Whisky, Gin oder Wodka. Zuerst schaut sich der Kenner die Farbe des flüssigen Inhaltes an.

Giuseppe Lauria – einer der bekannten Weinexperten – ist immer über jede Neuentdeckung erfreut / © Redaktion FrontRowSociety.net

Die Farbe des Weins

An der Farbe lässt sich beispielsweise das Alter des Weines erkennen – vorausgesetzt, es handelt sich um keinen gepantschten Wein. Daher wird bei der professionellen Weindegustation auch nicht aus Silberbechern oder Kelchen getrunken. Nur durch ein klares Glas kann der Weintester die farblichen Spiele im Glas für seine Beurteilung heranziehen. Hierfür wird das Glas gedreht und geschwenkt. So kann ein Wein als junger Rotwein an der bläulich-roten Färbung erkannt werden, die sich an der Kante bildet. Am fast braunen Rand, werden reife alte Weine identifiziert. Zudem müssen in den Verkostungsnotizen Aussagen zur Klarheit, der Farbtönung, der Oberfläche, der Konsistenz sowie zur Farbtiefe getroffen werden. Übrigens, während des Alterungsprozesses werden Weißweine dunkler und Rotweine heller.

Chateau Lafite Rothschild: Bereits 1855 wurde das Weingut mit dem Rang eines Premier Cru Classé gekürt
Um einen Wein hinsichtlich seiner Farbe beurteilen zu können, sollten die idealen Lichtverhältnisse herrschen. Dann kann man im Glas auch die Griffigkeit des Weines erkennen. Chateau Lafite Rothschild: Bereits 1855 wurde das Weingut mit dem Rang eines Premier Cru Classé gekrönt / © Redaktion FrontRowSociety.net

Der Geruch des Weins

Hier stehen Aussagen zu Aromen, Reintönigkeit und Intensität im Vordergrund. Zur olfaktorischen Beurteilung wird das Glas geschwenkt und mehrmals zur Nase geführt. Geübte Verkoster können hierbei die Rebsorte oder gar den Rebsortenverschnitt identifizieren. Wir können uns an die Aussage erinnern, welch große Rolle die im Gehirn gespeicherten Geschmacks- und Geruchsdaten sind. Das setzt allerdings voraus, dass zuvor ein Training stattgefunden hat. Dabei geht es nicht nur um den Geruch einer bestimmten Rebsorte, sondern vielmehr um das Bukett verschiedenster Düfte wie beispielsweise Apfel, Lakritz, Johannisbeere, Nuss und vieles mehr. All das sollte in den Schubladen unseres Gedächtnisses hinterlegt sein. Sind jene Erinnerungen abrufbereit, kann der Duft eines Weins explizit beschrieben werden.

Weinprobe: Beim Geruch stehen Aromen, Reintönigkeit und Intensität im Vordergrund. FrontRowSociety.net-Redakteurin Annett Conrad macht sich Notizen zu jedem genossenen Wein
Weinprobe: Beim Geruch stehen Aromen, Reintönigkeit und Intensität im Vordergrund. FrontRowSociety.net-Redakteurin Annett Conrad macht sich Notizen zu jedem genossenen Wein / © Redaktion FrontRowSociety.net

Der Geschmack des Weins

Der Geschmack ist der ausschlaggebendste Faktor. Dabei ist unser Geschmack antrainiert, jeder Mensch ist sozusagen individuell geprägt. Für die Entwicklung unserer gustatorischen Wahrnehmung spielt beispielsweise die Region, in welcher wir aufgewachsen sind, eine entscheidende Rolle. Je nach Kulturkreis unterscheiden sich die Speisen und Getränke, die wir emotional mit Wohlgeschmack verbinden. Daher können die Verkostungsnotizen nur eine grobe Richtung beschreiben, in welche sich der Wein bewegt. Hier sollte sich kein Laie beirren lassen, wenn er an einer Weinprobe teilnimmt und nicht auf die exakt gleichen Ergebnisse kommt wie sein Gegenüber.

Der Austausch ist unerlässlich
Bei einer Verkostung ist der Austausch unerlässlich / © Redaktion FrontRowSociety.net

Wein und seine Punkte – die professionelle Weinprobe

Es gibt eine große Anzahl an Käufern, die ihre Weine anhand der vergebenen Punkte erwerben. Allerdings kann anhand der vergebenen Punkte nicht festgestellt werden, ob dieser Wein den persönlichen Geschmack trifft. Punkte geben lediglich über die Qualität eines Weins Auskunft. Von Vorteil ist hierbei, einen Weinhändler seines Vertrauens zu kennen. Wer sich dennoch beim Kauf auf das Punktsystem verlassen möchte, sollte erst einmal entscheiden, welchen Weinkritiker er für seine Auswahl heranzieht. Dabei arbeiten die bekanntesten Kritiker für ihre Beurteilung nach einem der drei nachfolgenden Punkte-Schemata.

David Schwarzwälder kennt sich rund ums Thema Wein bestens aus. Er stellt als Dozent an der Universität Geisenheim und der Fachhochschule Wäderswil in der Schweiz sein Wissen zur Verfügung / © Redaktion FrontRowSociety.net

Weinbeurteilung 0 bis 5 Punkte

Das wäre das einfache Punkte-Schema:

0 = deutlich fehlerhaft
1 = leicht fehlerhaft
2 = befriedigend
3 = gut
4 = sehr gut
5 = ausgezeichnet, erstklassig

Dieses Schema scheint für Weinneulinge oder für amtliche Prüfungen das Übersichtlichste zu sein, wird dem Facettenreichtum der Weine jedoch in keinster Weise gerecht.

Master Sommeliere Stefanie Hehn (li.) beurteilt jeden Wein ohne Vorurteil und ohne jegliche Eitelkeit. Diesen Leitspruch lehrt sie auch Sommelier Noris Conrad (li.)
Master Sommeliere Stefanie Hehn (li.) beurteilt jeden Wein ohne Vorurteil und ohne jegliche Eitelkeit. Diesen Leitspruch lehrt sie auch Sommelier Noris Conrad (li.) / © Redaktion FrontRowSociety.net

Das 20 Punkte-Schema

Das 20 Punktesystem ist etwas zu umfangreich, um es hier im Detail erklären zu können. Daher empfehlen wir einen Blick auf Wikipedia. Hier ist jenes Punkte-Schema aufgelistet und ausführlich erklärt. https://de.wikipedia.org/wiki/Weinbewertung

Mit Charme und Wissen vermittelt auch Romana Echensperger – Master of Wine – auf emotionaler Ebene das Thema Wein. Da kommt es zu Beginn gar nicht auf die Anzahl der vergebenen Punkte an / © Redaktion FrontRowSociety.net

Das 100 Punkte-Schema

Dieses Punkte-Schema ist das weltweit verbreitetste seiner Art. Unter anderem nutzt einer der anerkanntesten Weinkritiker – Robert Parker – dieses System und hat es wohl auch so populär gemacht. In diese Bewertung fließen die Parameter der individuellen optischen, olfaktorischen sowie gustatorischen Analyse des jeweiligen Weintesters ein. Bewertet wird wie folgt:

Gesamtpunktzahl von 50 bis 75: eher schwach
Gesamtpunktzahl von 75 bis 79: durchschnittlich
Gesamtpunktzahl von 80 bis 84: gelungen
Gesamtpunktzahl von 85 bis 89: spannend
Gesamtpunktzahl von 90 bis 95: bemerkenswert
Gesamtpunktzahl von 96 bis 100: außergewöhnlich

Ein wirklich außergewöhnlicher Wein wurde mit 100 Punkten in Robert Parkers „The Wine Advocate“ bewertet – der 2009 Barolo Riserva aus dem Hause Vietti.

Hier geht es zur FrontRowSociety.net-Reportage über den 100 Punkte Wein 2009 Barolo Riserva Villero von Vietti

100 Parker Punkte: Wein muss aber auch schmecken! Hier einer der besten Grappa zusammen mit dem 100 Parker-Punkte Wein von Vietti  / © FrontRowSociety.net, Foto Annett Conrad

Weinkenner werden 

Um sich intensiv mit dem Thema Wein zu beschäftigen oder um tiefer in diese komplexe Materie einzusteigen, bietet die „Europaen Wine Education“ mit Sitz in München zertifizierte Weinkennerkurse an. Bequem können diese Kurse online zuhause durchgeführt werden. Die entsprechenden Weine werden zum gebuchten Kurs geliefert. Sind die Kurse absolviert und jeder Wein degustiert, wird nach einer schriftlichen Online-Prüfung das Zertifikat als Weinkenner von den Inhabern Andre Vesti und Jean Jacques Marcel ausgestellt. 

Hier geht es zur FrontRowSociety.net Reportage über den Weinkennerkurs an der „Europaen Wine Education“. 

„Wer genießen kann, trinkt keinen Wein mehr, sondern kostet Geheimnisse“, Salvador Dalí.