Bei Kreuzfahrten in der Westlichen Karibik steht das beschauliche Key West fast immer auf dem Programm. Und damit auch 907 Whitehead Street, das ehemalige Wohnhaus von Ernest Hemingway.
Viele Passagiere sind bereits um 6:30 Uhr auf den Beinen, als die „Carnival Victory” noch fast im Dunkeln in Key West anlegt. Schnell zum Frühstücksbüffet, um bis zum Mittag etwas im Magen zu haben, und schon geht es zum Landgang auf Deck 0, wo einem die Crew einen Stapel Zettel mit Shopping-Tipps in die Hand drückt. Denn auch das ist Key West: ein Shopping-Paradies, zumal an den Tagen, wo große Kreuzfahrtschiffe im Hafen liegen. Insofern unterscheidet sich die selbsternannte „Conch Republic“ nicht von anderen Karibik-Inseln.
Doch das war nicht immer so. Als Ernest Hemingway 1928 hier eintraf, nannte er Key West „das St. Tropez der Armen“. Amerika unterlag der Prohibition, so dass der Schmuggel mit Alkohol aus Kuba florierte. Und mit ihm kamen Glücksspiel und Prostitution; das als Außenposten der USA zudem chronisch klamme Key West genoss also nicht gerade den besten Ruf. 1935 zerstörte ferner ein Hurrikan die Bahnlinie zum Festland; der Highway, der als Ersatz gebaut wurde, war nicht vor 1938 fertig, und dann kam auch schon der Zweite Weltkrieg. Doch die abgeschiedene Lage, das subtropische Klima und der Mix aus amerikanischen und karibischen Einflüssen haben in Key West immer schon Touristen angezogen.
Audubon House und Sloppy Joe’s Bar
Als der britische Schauspieler und Reiseschriftsteller Michael Palin Key West 1999, im 100. Geburtsjahr von Ernest Hemingway, besuchte, stellte er fest, dass die Stadt eines der Dinge ist, die man in den USA nur sehr selten finde: eine Ortschaft, die man sich erlaufen kann. Und nicht nur das. Über die Caroline Street wackeln gackernd ein paar Hühner (ein Erbe der Hahnenkämpfe, an denen in den 1930er Jahren auch Ernest Hemingway seinen Spaß hatte), und hinter Palmen liegt verschlafen das Audubon House. Der gleichnamige Ornithologe und Autor des Standardwerkes „Birds of America“ hatte 1832 an dieser Stelle 18 neue Vogelspezies beschrieben und gezeichnet.
Im Tiefschlaf befindet sich an diesem Morgen auch noch Sloppy Joe’s Bar, Hemingways Stammkneipe in der Duval Street. Seit 2006 steht das Gebäude unter Denkmalschutz, und noch immer gibt es dort den „Papa Doble“, einen extrastarken Cocktail aus Bacardi und Grapefruitsaft, der seinerzeit speziell für Hemingway kreiert wurde und für den „Papa“ bei Sloppy Joe (eigentlich Joe Russell) lebenslang nur einen Freundschaftspreis bezahlen musste.
Auf den Spuren von Ernest Hemingway
Von Sloppy Joe’s sind es dann nur noch wenige Gehminuten bis zu jener Attraktion, die gegenüber dem alten Leuchtturm von Key West nicht nur Schriftsteller- und Buchhändlerherzen höher schlagen lässt: Hemingways Wohnhaus in der Whitehead Street, das seit 1964 Besuchern als Museum offensteht. 1931 war er hier mit seiner zweiten Frau Pauline eingezogen. Hier wuchsen seine Söhne Patrick und Gregory auf, hier entstand neben diversen Romanen und Kurzgeschichten der „Papa“-Mythos, und hier wohnte auch „Snow White“, die Stammhalterin jener polydaktilen (mehrzehigen) Katzen, die bis heute Haus und Grundstück bevölkern.
Das Haus selbst ist sehenswert. Es mag nicht mehr so eingerichtet sein wie zu Hemingways Lebzeiten, aber die Artefakte, Möbel und Ausstellungsstücke geben einen guten Eindruck von Hemingways Leben in Key West. Genauso „Papa“s Arbeitszimmer, das den Anschein erweckt, der große Autor wäre nur mal eben für einen Papa Doble im Sloppy Joe’s verschwunden. Und so ist das „Ernest Hemingway Home & Museum“ wie ganz Key West ein Ort voller Magie. Auf der Terrasse schweift der Blick über Palmen hinweg zum Hafen, hinter Glas sind jene Schreibmaschinen ausgestellt, auf denen Hemingway Weltliteratur verfasst hat, und im Garten streichen einem die Nachfahren jener Katzen um die Beine, die in den 1930er Jahren schon dem großen Autor Ablenkung und Zerstreuung geboten haben.
Doch auch direkt am Hafen wird Historie lebendig. Etwa im Shipwreck Treasures Museum, das die Geschichte der „Wrecker“ nachzeichnet, jener Seeleute und Kapitäne, die aus den Strandungen von Schiffen in den tückischen Gewässern rund um Key West Kapital schlugen. Wer damit nichts anfangen kann, lässt am Mallory Square die Seele oder im Yachthafen die Beine ins Wasser baumeln. Nur das berühmteste Schiff von Key West sucht man hier vergeblich: Hemingways „Pilar“, mit der er von hier aus unzählige Male auf Hochseeangelausflüge in See gestochen ist. Seine geliebte „Pilar“ hat Hemingway mitgenommen, als er 1939 von Key West nach Kuba übergesiedelt ist. Doch das ist eine andere Geschichte.
Türkisblaues Meer und eine grüne Oase
In der Nacht lassen wir die Marquesas und die Dry Tortugas hinter uns, die wirklich letzten Bastionen US-amerikanischen Territoriums in der Westlichen Karibik. Bis hierher hatte sich Hemingway auf seinen oft tagelangen Streifzügen mit der „Pilar“ gewagt, von denen er dann mit meterlangen Schwertfischen und Merlins zurückkehrte. Beide Inselgruppen sind heute Vogelschutzgebiete, Hochseeangeln ist in den Gewässern ringsum aber weiter erlaubt. Die „Carnival Victory” nimmt am dritten Tag der Kreuzfahrt Kurs auf Cozumel in Mexiko, das wir um 12 Uhr mittags erreichen. Nicht nur Europa, sondern auch Nordamerika liegt hier plötzlich hinter einem. Andere Vögel zwitschern in den Büschen und Bäumen, andere Blumen und Pflanzen wachsen neben der Straße, und selbst andere Gerüche liegen in der Luft. In Cozumel selber gibt es eine schöne lange Hafenpromenade, ein gekentertes Segelschiff mitten im Hafen und plötzlich sogar einen subtropischen Regenschauer, vor dem einen kein Reiseführer warnt.
Am vierten Tag der Kreuzfahrt geht es zurück in Richtung Miami. Ein Seetag, dabei ist Kuba nicht weit. Mit einem Stopp in Havanna wäre die Seereise auf Hemingways Spuren perfekt gewesen, aber im Moment dürfen nur wenige westliche Kreuzfahrtschiffe Kuba anlaufen. Früh am Morgen danach ist die „Carnival Victory” zurück in Miami. Doch bis zum Flug nach Deutschland am Abend ist noch Zeit für einen Abstecher in die Everglades. Das tropische Marschland im Süden Floridas wird oft für ein Sumpfgebiet gehalten, ist tatsächlich aber ein Fluss, der aufgrund seiner niedrigen Tiefe von oft nur wenigen Zentimetern fast flächendeckend mit Seegras und Mangroven bewachsen ist. Die Vogelwelt der Everglades ist einzigartig, genauso wie die Ruhe, wenn nicht eines der Speedboote seine Motoren aufheulen lässt. In den Gewässern leben Alligatoren und Krokodile, weshalb man bei einem Bootsausflug nie, nie, nie die Hand über die Bordwand halten sollte. Wir tun wie geheißen und werden dafür mit dem Anblick derselben belohnt, wie sie am Ufer in der Sonne baden. Und fühlen uns dabei ein bisschen wie Hemingway auf Großwildjagd.
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