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Vier Holzstühle und zwei kleine Tische stehen vor einer rostbraun verputzten Hauswand. Man sieht ihr schon von Weitem an, dass sie aus einem anderen Jahrhundert stammt. Die Szene wirkt einladend. Wer durch die Eingangstür den kleinen Gastraum der Weinstube Vinný sklep U Lisu im Herzen der Mährischen Slowakei betritt, wird überrascht sein. Nur wenige Meter weiter öffnet sich der Blick in einen fast 300 Jahre alten Weinkeller.

Der Keller von Winzer Vojtech Sterba ist bereits 600 Jahre alt
Der Keller von Winzer Vojtech Sterba ist bereits 600 Jahre alt / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

„Es gibt eine Urkunde von 1749 auf der erstmals nicht nur der halbe Hektar Weinberg, sondern auch der Keller, der Schuppen und das Zubehör erwähnt werden“, ist von Vojtech Sterba während der Kostroben zu erfahren. Der nebenberufliche Winzer führt auch durch seinen Keller, der sich nur wenige Häuser weiter befindet. Stimmungsvoll, mit indirektem Licht beleuchtet, reihen sich in dem 600 Jahre alten Gewölbe große Glasballons mit verschiedenen Weinen aneinander. Einzelne mit dem Weinheber genommene Proben geben repräsentative Einblicke der Qualitätsstufen. Es wird viel probiert, gesungen und gelacht.

Bei der Weinprobe fällt sofort die enorme Sortenvielfalt und Bandbreite der Weinregion auf. In Süd- und Ostmähren werden 90 Prozent der tschechischen Weine produziert. Zu den bekanntesten Weinzentren der Region gehören Znaim, Mikulov, Velké Pavlovice und Slovácko. Insgesamt werden fast 20.000 Hektar Weingärten mit mehr als 50 Rebsorten bewirtschaftet. Neben den beliebten Weißweinen wie Grüner Veltliner, Müller-Thurgau, Riesling und Pálava und Rotweinen, wie St. Laurent oder Blaufränkisch etablieren sich mit dem Mährischen Muskateller und Aurelius zunehmend neue, landestypische Sorten.

Winzer Vojtech Sterba baut in Glasballons viele verschieden Weine aus
Winzer Vojtech Sterba baut in Glasballons viele verschieden Weine aus / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Weinbau seit dem 15. Jahrhundert

Wein wird immer mit gutem Essen und gelebten Traditionen verbunden. Besonders bei den Weinlesefesten im Herbst werden noch die bunten Trachten mit den gestärkten weiten Ärmeln angezogen. Das Land ist durchzogen von historischen Kellern. Unter Denkmalsschutz steht der Weinkellerkomplex in Plže, etwa vier Kilometer von Strážnice entfernt. Seit dem 15. Jahrhundert wurde hier Wein angebaut und so reihen sich etwa 80 selbstgebaute Weinkeller der Winzer in der Kellergasse aneinander. Meist ist der Sockel der weißen Häuschen mit ihren Grasdächern leuchtend blau gestrichen. Manche Eingangsportale sind mit Blumen- und Pflanzenmotiven bunt bemalt. Bei einem Rundgang locken die zahlreichen Möglichkeiten in entspannter Atmosphäre die Weine der einzelnen Winzer zu kosten.

International bekannt sind die farbenfrohen Kellergassen in Plže
International bekannt sind die farbenfrohen Kellergassen in Plže / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Pavel Tomanovský bietet seine Weine im Keller Nummer 11 an. Das Weingut bewirtschaftet schonend und mit einem minimierten Einsatz chemischer Mittel einen Hektar eigene sowie gepachtete Weinberge. Die Jahresproduktion beläuft sich auf mehrere tausend Flaschen. Sein preisgekrönter Sauvignac überzeugt mit seinem intensiven, aromatischen Duft wie grüne Pflanzen und schwarze Johannisbeeren sowie mit Würzigkeit und gleichzeitiger Frische.

Atemberaubender Blick vom Heiligen Berg

Mikulov befindet sich ebenfalls inmitten eines Weinbaugebiets. Der pittoreske Ort mit zahlreichen Baudenkmälern, dem Barockschloss, dem jüdischen Viertel, der Gotik-Rennaissance-Kirche St. Wenzel und den schmucken Renaissancehäusern am Marktplatz ist ebenfalls von Kellern und Weingütern umgeben. Die Stadt der Kultur vermittelt das Flair besonderer Lebensart. Vinotheken, Cafés und Restaurants säumen die Straßen. Es lohnt der Weg bis zur historischen Kapelle auf dem 363 Meter hohen Heiligen Berg, oberhalb von Mikulov – allein schon für den atemberaubenden Ausblick. Das malerische, grüne Landschaftsrelief lässt sich hervorragend mit dem Rad erkunden. Eine besonders schöne Tour führt über Dolní Věstonice, wo einst die fast 30.000 Jahre alte Venusfigur aus Ton gefunden wurde, bis zur Talsperre Věstonická Nádrž. Dort ragen noch die Reste alter Baumstämme aus dem Wasser empor. Weiter führt die abwechslungsreiche Route bergauf nach Pavlov, wo der unterirdische, modern konzipierte archäologische Park Pavlov einen Besuch lohnt. Sie bringt dem Besucher das Siedlungsareal nahe, das vor 30.000 Jahren von dem modernen Mensch Homo sapiens auf den Abhängen des Kalksteinkamms der Pollauer Berge gebildet wurde.

Zahlreiche Winzhäuschen und barocke Weinkeller zieren die Straßen in der Region von Mikulov
Zahlreiche Winzhäuschen und barocke Weinkeller zieren die Straßen in der Region von Mikulov / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Pavlov, die traditionelle Winzergemeinde an den Hängen von Pavlovské vrchy, lockt mit typischen Winzerhäusern und barocken Weinkellern. Nach einer Kaffeepause im romantischen „Café Fara“ im Pfarrgarten in Klentnice geht es durch Weinfelder und hübsche Dörfer zurück nach Mikulov.

Rund um Znojmo scheint die Zeit zum Teil stehen geblieben zu sein. Adrette Häuser mit ihren gepflegten Vorgärten zieren die schmalen, teilweise unbefestigten Wege in den Dörfern. Weinfelder und Obstgärten am Nationalpark Podyjí prägen das Landschaftsbild.  Neun Mühlen heißt der Aussichtspunkt bei Hnanice mit einem wunderbaren Blick über den sich mäandernden Fluss Thaya und den Weinberg Šobes, den die römischen Legionäre schon Ende des 2. Jahrhundert nach Christi Geburt geschätzt haben sollen.

Der Fluss Thaya prägt die Landschaft bei Znojmo
Der Fluss Thaya prägt die Landschaft bei Znojmo / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Fabe

Die Qualität der Weine spricht für sich, denn die Produkte sind meist schon vor der Ernte ausverkauft. Sogar die Queen Elisabeth II. hat 1996 einen Grauburgunder aus Šobes verkostet. Auf der Radstrecke sind immer wieder Weinkeller oder Kapellen mit Schutzpatronen zu entdecken. Es kann schon einmal vorkommen, dass der Winzer an so einer Kapelle eine Pause mit dem Trecker einlegt, sich an die Kapelle lehnt und die Aussicht genießt. Eine Kostprobe dieser preisgekrönten Weine an einem Holzhaus direkt am Feld mit dem Blick auf die Reben, wie bei Znovin, lohnt unbedingt.

An der Radstrecke sind immer wieder Weinkeller oder Kapellen mit Schutzpatronen zu entdecken
An der Radstrecke sind immer wieder Weinkeller oder Kapellen mit Schutzpatronen zu entdecken / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Kräuter-Tinkturen zur Schädlingsbekämpfung  

Zu einem der Vorzeigeweingüter in der Region Znojmo gehört Vinarstvi Thaya mit insgesamt 105 Hektar Rebgärten in Hnanice, Šatov, Havraníky, Vrbovec und Dyjákovičky. Der eindrucksvolle Neubau ist in der ehemaligen historischen Halle mit einheimischen Materialien gebaut worden. Zum Komplex gehören ein Hotel, ein Restaurant, in dem vorwiegend saisonale und regionale Produkte verarbeitet werden, sowie der mit modernster Technik ausgestatttete Keller.

Das Weingut Thaya gehört zu den modernsten der Region
Das Weingut Thaya gehört zu den modernsten der Region / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Eine sorgfältige Selektierung und der starke Rebschnitt im Weinberg sind ein Grund für die enorme Qualität. Ein Teil der Weinberge wird ökologisch bewirtschaftet. „Das Markenzeichen unserer Premium-Weinlinien sind die Holzfässer. Um das optimale Ergebnis für unsere Weine zu erzielen verwenden wir verschiende Größen, Brennarten und Längen der Holztrocknung“, bestätigt der zuständige Oenologe Jakub Balon. Das Familienweingut Špalek hat gerade eine neue Vinothek eröffnet, die direkt an den 300 Jahre alten Keller grenzt.

In zertifizierter Bioqualität werden von zwölf Hektar Rebflächen, die sich in der geschützten Lage Kravi Hora auf 250 bis 300 Metern über dem Meeresspiegel befinden, die Weine ausgebaut. Auch hier ist die sorgfältige Arbeit im Weinberg sowie im Keller schmeckbar. Es sind klar strukturierte, vielschichtige Weine mit Charakter. Neben den traditionellen Weiß-, Rosé- und Rotweinen werden auch Eisweine, auf der Hefe und in Eichenfässern gereifte Weine (Sur lie), Likörweine (Šaler) und Naturweine aus getretenen Trauben, die mit wilden Hefen vergoren werden (Edelspitz) hergestellt. „Wir sind vollständig biodynamisch und verwenden nur natürliche Komposte, Düngemittel und Kräuter-Tinkturen zur Düngung und Schädlingsbekämpfung. Alle grünen Arbeiten werden von Hand ausgeführt und alle Weine sind vegan zertifiziert“, sagt Petr Ilgner von der Winzerfamilie.

Sämtliche Weine vom Weingut Špalek sind vegan zertifiziert, bestätigt Petr Ilgner von der Winzerfamilie
Sämtliche Weine vom Weingut Špalek sind vegan zertifiziert, bestätigt Petr Ilgner von der Winzerfamilie / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Die Weine von Thaya und Špalek gehören zu dem größten Sortiment in einem Verkostungsraum mit einem besonderen Glassystem in der Tschechischen Republik. Besucher können sich in der Design-Enothek in Znojmo mittels Chipkarte selbst die favorisierten Sorten einschenken. Es steht eine Auswahl von 120 Weinen von fast allen Weingütern der Region zur Verfügung. Darunter befinden sich Klassiker, regionale, neue, Natur-, Eis- und Strohweine. Für den Genuss einer Flasche vor Ort mit Panoramablick auf das Thaya-Tal wird nur ein geringer Aufschlag erhoben.

Jahrhunderte alte Labyrinthe

In den Winzerdörfern rund um die Stadt Znojmo reihen sich die Weinkeller in den Kellergassen aneinander. Sie befinden sich unter anderem in Popice (dem Geburtsort des geheimnisvollen Schriftstellers Karl Postl alias Charles Sealsfield), Nový Šaldorf, Hnanice, Havraníky, Šatov. Es gibt kleine, große, verfallene, restaurierte, gemauerte, in Sandstein gehauene, mit spitzem oder rundem Gewölbe. Einige sind unterirdisch und mit Treppen, andere ebenerdig und in die Hänge gegraben. Manche sind sogar 300 Jahre alte Labyrinthe… „Wir haben alle gegraben. Schon die Generationen vor mir. Es gab immer wieder denkwürdige Erlebnisse. So standen wir einmal im Keller der Nachbarn. Das haben wir natürlich wieder verschlossen“, während Ondrej Šušlák von der Eigentümerfamilie erzählt, umkreisen ihn einige aufgeschreckte Fledermäuse. Die Entdeckung der bisher 700 Meter langen Gänge geschah, als im Jahr 2002 eine Wand in einem Gang des alten Weinkellers, der ehemals als Materialkeller für Tonziegel und auch Weinkeller diente, eingerissen wurde. „Im Laufe der Jahre haben wir rund 350.000 Kubikmeter Schutt und Material herausgebracht, um die Korridore nach und nach freizulegen und zugänglich zu machen. Damit haben wir tatsächlich eine Zeitreise erlebt“, berichtet Ondrej Šušlák.

Im unterirdischen Labyrinth der Winzerfamilie Šušlák
Im unterirdischen Labyrinth der Winzerfamilie Šušlák / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Es wurden Erwähnungen der verschachtelten Korridore um 1700 entdeckt. Und wir fanden eine Inschrift im Sandstein von 1802. Diverse Fundstücke, Karaffen, Ziegel und beschriftete Steine sind in den Gängen ausgestellt. „Das alles erinnert an die Zeiten, als Maria Theresia um den Thron kandidierte oder an die Ungeheuerlichkeiten der beiden Weltkriege. Hier sind bestimmt noch viele Geheimnisse zu entdecken“, führt der Winzer vom Weingut Šušlák fort und ergänzt: “Sorgen bereiten uns etwas die Baumwurzeln, die sich ihren Weg fast sieben Meter durch das Erdreich über uns bahnen.“

Der Bau der insgesamt Tunnel unter der Stadt Znojmo mit einer Gesamtlänge von 27 Kilometern wurde bereits im 14. Jahrhundert begonnen
Der Bau der insgesamt Tunnel unter der Stadt Znojmo mit einer Gesamtlänge von 27 Kilometern wurde bereits im 14. Jahrhundert begonnen / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Reise in die Unterwelt

Eine ganz andere Dimension der Unterwelt ist in der lebenswerten Stadt Znojmo zu finden. Der Bau der unterirdischen Korridore in Znojmo soll bereits im 14. Jahrhundert begonnen worden sein. Über rund 27 Kilometer Länge und auf vier Ebenen erstrecken sich die geschlungenen Gänge mit ihren ausgeklügelten Wasser- und Lüftungssystemen. Während der etwa einen Kilometer langen Führung ist viel über die ursprüngliche Bedeutung der Unterwelt zu erfahren. So dienten die unterirdischen Räume des einst bedeutenden Handelszentrums als Keller für die Lagerung von Wein und essbaren Vorräten.

Durch die untertunnelte Stadt können verschiedene Adrenalin-Touren gebucht werden
Durch die untertunnelte Stadt können verschiedene Adrenalin-Touren gebucht werden / © FrontRowSociety.net, Foto: Carola Faber

Jedes Bürgerhaus hatte solche Räume. Während der Kriege dienten diese als Schutz, denn dort war es möglich, sich mit ausreichend Vorräten zu verstecken. Waren die Vorräte verbraucht, konnte man die Verbindung mit der umgebenden Landschaft über mehrere Korridore nutzen. Die Stadtbewohner stellten eventuellen Invasoren Hindernisse in den Weg und einige tödliche Fallen – rutschige Übergänge oder Versenkungen im Untergrund. Richtig spannend sind die Adrenalinrouten durch besonders enge Gänge und Schächte, durch Wasser, Schlamm und über glitschige Stufen – ausgerüstet nur mit einer Stirnlampe.

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