Der Weg nach Ahornach zieht sich von Sand in Taufers steil bergauf. Unser Ziel soll das Naturhotel Mossmair auf 1.334 Meter Höhe sein. Kaum vorstellbar, dass erst seit 1967 eine befestigte Straße hierauf führt, obwohl die Entwicklung des Tourismus im Tal doch schon viel früher begann.
Angekommen am Hotel wird das Panorama von einer atemberaubenden Bergkulisse eingerahmt. In der Ferne sind die Kuppen der Dolomiten sichtbar, die sich aus dieser Perspektive in den frühen Morgenstunden rosa färben.
So fern der Lärm der Stadt ist, so nah ist die Präsenz der Unbezwingbarkeit der Natur. Hier oben ist man angekommen in einem Stück heiler Welt, die gerade in diesem Jahr die universelle Sehnsucht nach Normalität befriedigt.
Moosmair – Bauernhof, Gasthaus, Naturhotel mit Kräuterrestaurant
Es entbehrt nicht eines gewissen Stolzes, auf eine lange Familiengeschichte zurückblicken zu können. Ähnlich wie der Baumbestand der umliegenden dichten Wälder seine Wurzeln tief in die steilen Felswände geschlagen hat, so verankert sind die Bewohner des Moosmair-Hofs mit dem Boden, der hier fast bis zum Himmel reicht.
Heute führen Anneres Ebenkofler und ihr Bruder Helmut Hof und Hotel. Mit ihrer Lebensart bewahren sie die Traditionen ihrer Heimat und geben das angestammte Wissen vergangener Generationen an die nächste weiter.
Während des Lockdowns nutzten die Ebenkoflers die plötzlich vorhandene Zeit, ein kleines Museum einzurichten. Noch ist es nicht ganz fertig, doch bereits jetzt zeichnet sich hierin die Historie des Hofs ab, die bis ins 11. Jahrhundert zurückgeht.
Bei den bestaunbaren Zeitzeugen geht es um Rückblicke sowie um die Besinnung auf die eigene Herkunft. Wort und Bild erzählen Geschichten aus dem Leben der Bewohner des Moosmair-Hofs, die symbolisch für die gesamte Region Südtirol sein könnten.
Aus dem Verständnis für Heimat und Natur heraus entwickelte sich fast zwangsläufig die Idee eines Naturhotels mit biozertifizierter Landwirtschaft und physiologisch wertvollem Essen, das ferner vom Supermarkteinheitsbrei nicht sein könnte.
Im Kräuterrestaurant ARCANA – das nicht nur Hotelgästen vorbehalten ist – verzaubert Küchenchef Dominik Leiter im wahrsten Sinne des Wortes die Gäste. Seine kreativen Ideen basieren auf Grundlage von Anneres’ selbstgesuchten Kräutern. Und nach wie vor treffen sich die Nachbarn im Gasthaus der Ebenkoflers. Welten vereinend lebt man auf dem Mossmair-Hof im Rhythmus, den die Natur vorgibt.
Naturnahe Gastronomie zum Anfassen
Die meisten Gäste des verwunschenen Naturhotels Moosmair leben in urbanen Gefilden unserer Leistungsgesellschaft. In der kraftvollen Szenerie des Ahrntals nutzen sie ihre Zeit für eine Rückkopplung mit den Dingen, die uns eigentlich ausmachen. Es geht um das Spüren der Stille oder eins zu sein mit dem ewigen Grün, das man in den Höhenlagen mit ganz wenig anderen Menschen teilt.
Auch die Frage nach der Kulinarik stellt sich für Genusswanderer oder Auszeitsuchende umfassend. Besonders das Wissen um das „Woher“ liegt ihnen am Herzen. Familie Ebenkofler hat darauf eine Antwort: anfassen und mitmachen.
Mit der ganzheitlichen Ernährungsberaterin und Kräuterheilkundlerin Anneres macht man die Runde, um wilde Schätze zu sammeln, die in unmittelbarer Nähe des Naturhotels wachsen. Überdies gedeihen auf dem hauseigenen Acker neben Kräutern und Salat auch Kartoffeln, Bohnen und Tomaten. Sohn Max Ebenkofler ist zwar leidenschaftlicher Gastronom, dennoch wagt er mit uns einen Ausflug zum Biogemüsesteilhang, die Urkartoffeln aus dem Boden zu heben. Diese werden für die traditionellen Kartoffel-Plattlan benötigt, welche wir mit Küchenchef Dominik zubereiten werden.
Haushund Leo folgt uns neugierig und fast nebenbei erzählt Max, das demnächst am weiter talwärts gelegenen Sonnenhang Weinreben gepflanzt werden sollen. In dieser Höhe fühlen sich die Weinstöcke nicht unbedingt wohl. Doch fachliche Unterstützung kommt von der Laimburg, die das ambitionierte Projekt begleiten wird. Die Laimburg ist unter anderem für die Arbeit und Forschung bezüglich Kräuter und Wildsamen bekannt ist.
Zu dem Naturhotel Moosmair gehört auch die aus dem 18. Jahrhundert stammende Mühle. Die Familie besitzt hier immer noch das Mühlrecht. Das Korn aus biologischer Landwirtschaft wird die Wasserkraft nutzend in drei Stufen zu Mehl gemahlen – grob, fein, sehr fein.
Alles, was wir dem Boden entnommen, gepflückt oder gemahlen haben, gelangt nun die Küche. Dominik Leiter wartet auf uns …
Heute koch ich, morgen back ich
Der Mensch ist ein Haptiker und so entstehen die besten Geschichten in der Küche. Selbst etwas herzustellen, seine Nahrung ganz und gar selbst zuzubereiten hat etwas Erhabenes und lässt jeden vor Stolz ein wenig größer wachsen.
Beim gemeinsamen Kochen bzw. Backen geht es um Austausch, um Miteinander und das gute Gefühl, etwas eigenes, auch etwas gemeinsames erschaffen zu haben. Alles, was wir mehr oder weniger mühevoll mit den eigenen Händen herstellen, behandeln wir mit dem nötigen Respekt. Wir bangen mit jedem selbstgezüchteten Salatkopf oder verfluchen die nächtliche Schneckenplage.
Wer das im Industriezeitalter verlernt hat, macht sich mit Dominik Leiter auf den Weg, neues Altes zu beleben. In der Küche wird nun gerührt und geknetet, gekostet und gewartet und manch leckeres Rezept ausgetauscht. Am Ende wartet das Glück im Kleinen und die heimliche Freude, das Selbstgemachte endlich verzehren zu dürfen.
Bodenständige Gourmetausflüge
Speisen sollen wertvoll sein, um Kraft zu geben sowie Gesundheit und Wohlbefinden erhalten. Lässt man sich auf das Südtiroler Slow Food im Ahrntal ein, eröffnen sich neue Perspektiven. Korn mahlen und Brot backen im Urlaub – ja das ist eine Alternative zur Dauerbespaßung von Clubhotels.
Mit Dominik Leiter wird an bodenständigen Südtiroler Schmankerln gewerkelt. Im Gourmet-Restaurant ARCANA hingegen überzeugt das solide Handwerk des Küchenchefs, das er mit einer großen Portion Finesse einfach zu gutem Geschmack zusammenfügt.
Ganz nebenbei scheint die Pandemie unendlich weit weg zu sein. Auf den weitläufigen Wanderwegen des Ahrntals begegnet man lediglich einer Handvoll Menschen – social distance leicht gemacht. Das von der italienischen Regierung vorgeschriebene Hygienekonzept erweitert Kräuterfrau Anneres um ihr persönliches. Wie ihre Vorfahren räuchert sie regelmäßig im ganzen Haus. Jeder Südtiroler Bauer macht das bereits seit Jahrhunderten, wenn im Winter beispielsweise Grippeviren unterwegs sind.
Die Rezeptur für die zusätzliche Desinfektion der Raumluft besteht aus Baumharz, Johanniskraut, Wacholder, Engelwurz und Bibernelle. Obendrein verströmt das Räucherritual einen angenehmen Duft. So lässt es sich aushalten, unbeschwert und frei. Oder wie es Rainer Maria Rilke sagt: „Freude ist einfach eine gute Jahreszeit über dem Herzen“