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Annett Conrad, Herausgeberin und Redakteurin von FrontRowSociety – The Magazin, traf Neil Jacobs, CEO der Six Senses Hotels Resorts & Spas, zu einem intensiven Gespräch.

Es ist Ende November. Gerade noch saß Neil Jacobs auf dem Podium des „Executive Summit 2023“ im Spa & Resort Bachmair Weissach am Tegernsee und diskutierte mit weiteren Führungspersönlichkeiten der Branche über die Vereinbarkeit von Luxus und Nachhaltigkeit. Nun nehmen wir in der schicken Mizu Sushi Bar des Bachmair Weissach Platz und lassen das gerade Gehörte gemeinsam Revue passieren. Eine knappe Stunde sprechen wir über die Vereinbarkeit von Luxus und Nachhaltigkeit, über die Zukunft der Luxushotellerie, über die sich wandelnde Definition von Luxus und über die Vorreiterrolle von Six Senses auf diesem Gebiet.

Neil Jacobs, CEO von Six Senses, war zum Executive Summit im Rahmen des Awards
Neil Jacobs, CEO von Six Senses, war zum Executive Summit im Rahmen des Awards „Die 101 besten Hotels Deutschlands“ extra angereist; v.l.n.r: David Rath, Neil Jacobs, Carsten K. Rath / @ Foto Seydel

Neil Jacobs über die Vereinbarkeit von Luxus und Nachhaltigkeit

Unser Gespräch haben wir auf Englisch geführt. Die deutsche Übersetzung ist gekürzt und beinhaltet die wichtigsten Punkte unseres Austauschs.

Nachhaltigkeit ist seine Passion: Neil Jacobs (re.) im Gespräch mit FrontRowSociety-Herausgeberin Annett Conrad (li.) / © Redaktion FrontRowSociety.net

Annett: Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen, die eines Ihrer Six Senses Resorts besuchen, mehr auf Nachhaltigkeit achten?  

Neil: Ja, das glaube ich. Es ist ein großer Teil dessen, was wir als Unternehmen repräsentieren. Vor allem Wellness und Nachhaltigkeit machen einen großen Teil unseres Geschäfts aus. Wir haben Gäste, die nur deswegen zu uns kommen.

Annett: Sprechen Sie speziell für Ihre Gäste von Six Senses oder trifft das allgemein für alle Reisenden zu?

Neil: Ich denke, heutzutage auch allgemein. Den Leuten ist Nachhaltigkeit viel wichtiger als vielleicht noch vor ein paar Jahren. Endlich ändert sich das! Und die Branche tut mehr, um nachhaltige Praktiken zu fördern und beginnt, diese ernst zu nehmen.

Annett: Würden Sie also zustimmen, dass nachhaltiges Reisen schon bei der Reise selbst beginnt oder doch erst beim Betreten des Hotels?

Neil: Nein, es fängt bei der Reise selbst an, aber das ist sehr schwierig. Es gibt viele verschiedene Argumente rund um das Reisen. Die Leute sprechen nicht gerne über den Nutzen des Reisens für die Regionen, in die man reist. Wenn all das wegfallen würde, hätte das enorme negative Auswirkungen auf die lokalen Gemeinschaften. Es ist definitiv nicht perfekt, dass die Menschen so viele Stunden in Flugzeugen verbringen. Es gibt Kohlendioxid-Kompensationen und andere Dinge, die man tun kann, um die Auswirkungen zu verringern, aber die Realität ist, dass es nun mal negative Effekte für die Umwelt gibt. Aber selbst wir (Six Senses) – und wir betrachten uns als ziemlich nachhaltig – werden nicht sagen, dass die Leute aufhören sollen zu reisen. Denn die Konsequenzen für die Wirtschaft wären enorm; wenn man sich anschaut, was Reisen und Tourismus für die Weltwirtschaft und insbesondere für die weniger gut gestellten Regionen bedeuten.

Annett: Nutzen Sie Bonusprogramme, um Gäste für nachhaltige Ansätze zu gewinnen?

Neil: Das tun wir nicht. Aber wissen Sie, Annett, das ist ähnlich wie die letzte Frage, die gerade aufkam. Wir versuchen, die Leute mit nachhaltigen Praktiken bekannt zu machen. Wir sind sehr engagiert in den Regionen selbst. Wir denken, dass es mehr Nutzen bringt, die Gäste mitzunehmen und ihnen zu zeigen, was wir alles tun, um zu erklären, warum wir es tun.

Unser Programm ist vielleicht umfangreicher als das der meisten anderen Hotels im Bereich nachhaltiger Methoden. Beispielsweise machen wir 2 bis 3 Mal pro Woche eine Nachhaltigkeitstour, bei der wir unseren Gästen das Haus zeigen und ihnen das „Warum“ erklären. Wir haben zum Beispiel kein Wasser in Flaschen. Wir stellen unser eigenes Wasser her, still und sprudelig. Wir kaufen kein Wasser, weder in Plastikflaschen noch in anderen Flaschen.

Annett: In allen Resorts?

Neil: So ziemlich. Es gibt ein oder zwei, wo das nicht geht. In diesen Ländern gibt es entsprechende Vorschriften. In der Vergangenheit hatten wir die Wasseraufbereitungsanlage hinter dem Haus aufgestellt, so dass niemand sie sehen konnte. Wir haben nie darüber gesprochen, dass wir Wasser selbst herstellen. In den letzten Jahren habe ich gesagt: „Nein, bringt sie raus! Sie soll vor dem Haus stehen.“ Wir haben Wasserbars eingerichtet, so dass jeder Gast sich dort hinsetzen kann, um den Prozess, das System und die Hygiene zu beobachten. Die Leute sind davon fasziniert. Und solche Dinge helfen, die Einstellung zu ändern.

Annett: Um Verständnis für Nachhaltigkeit zu bekommen?

Neil: Ja! Wir haben auch eine sogenannte Alchemie-Bar entwickelt, die jetzt in jedem Six Senses Resort vorhanden ist. Die erste Bar gab es im Six Senses Douro Valley in Portugal, direkt im Weinanbaugebiet, im Spa. Es ist ein großer Tisch mit Kräutern und Gewürzen und allen möglichen Dingen, die wir in jedem Six Senses anbauen. Wir dachten, es würde Spaß machen, diese Pflanzen ins Spa zu stellen, damit Gäste ihre eigenen Produkte kreieren können, wie ein Peeling oder eine Packung. Es ist kein Kochkurs, sondern ein Spa-Produkt.

Annett: Neil, Sie bieten den Gästen also nachhaltige Erlebnisse als ganzheitliche Erfahrung?

Neil: Das tun wir! Was von ihrem Peeling übrig bleibt, können die Gäste mit nach Hause nehmen. Das ist etwas Besonderes. Nach und nach haben wir das Konzept erweitert. Heute halten wir auch Kochkurse ab und es finden Meetings bis zu 12 Personen in der Alchemie-Bar statt. Es geht immer um die Geschichte der Alchemie, es geht um das Land, es geht um das, was wir anbauen und was wir erschaffen können. Und das ist wiederum lehrreich für unsere Gäste. Auf den Malediven haben wir zwei Hotels. Dort tun wir viel für das Meeresleben, die Regeneration von Korallenriffen. In jedem Resort beschäftigen wir drei oder vier Meeresbiologen. Und wir arbeiten mit vielen Stiftungen zusammen, unter anderem mit einer Manta-Stiftung. Deshalb dachten wir, warum machen wir nicht ein Junior-Zertifikat für Meeresbiologie und ein Programm für Kinder im Alter von 9 bis 12 bzw. 13 Jahren.

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Auch unsere FrontRowSociety-Redaktion unterstützt die Regeneration von Korallenriffen auf den Malediven

Annett: Es ist sehr wichtig, junge Menschen abzuholen und sie für die Umwelt zu sensibilisieren.

Neil: Ja, denn wir wollen, dass das Programm widerspiegelt, wo wir sind.

Annett: Allerdings verbinden die meisten Menschen Luxus mit Verschwendung. Natürlich wissen wir, dass dies nicht der Fall ist. Sie haben bereits einige Punkte genannt, dass Luxus nicht immer verschwenderisch sein muss.

Neil: Vielleicht müssen wir neu definieren, was Luxus ist. Wenn man einigen meiner Kollegen zuhört, die traditionelle, schöne, alte Hotels leiten, denken sie auf eine bestimmte Art und Weise. Doch es gibt kein Richtig oder Falsch, aber man muss sich weiterentwickeln, weil die jüngere Generation darauf besteht.

Annett: Man muss intelligente Wege finden, junge Menschen mit einer Symbiose aus Alt und Neu zu begeistern, richtig?

Neil: Richtig, Annett! Man muss eine gewisse Vorstellungskraft haben und wissen: es gibt genügend junge Menschen, die über die finanzielle Mittel verfügen, in Luxushotels zu residieren. Sie möchten die Erfahrungen machen, in einem traditionellen Hotel zu wohnen, aber sie wollen auch dort eine nachhaltige Praxis vorfinden.

Annett: Dem stimme ich zu. Neil, Sie haben heute Nachmittag auf dem Podium gesagt, dass Luxus eine Erfahrung ist, und wenn Sie über Ihre Six Senses Resorts sprechen, denke ich, dass Sie Nachhaltigkeit zu einem Teil der Erfahrung für die Gäste machen.

Neil: Aber auf eine unterhaltsame Art und Weise. Es ist nicht so, als würde man wieder zur Schule gehen. Das ist wichtig! Ich erinnere mich an das erste Mal: Wir haben Nutztiere in vielen unserer Hotels. Das geht nicht immer, weil es davon abhängt, wo sich das Resort befindet. Unser erster Versuch war in Thailand. Wir sagten: „OK, wir wollen Bio-Eier zum Frühstück anbieten“, ein schöner Gedanke, oder? Also errichteten wir eine Hühnerfarm und hatten am Ende 200 Hühner. Das war vor etwa 10 Jahren. Der Hühnerstall hat einen Innenraum mit einem großen Spielplatz. Nachts spielen wir klassische Musik und tagsüber Rock und Heavy Metal, damit die Hühner Eier legen. Alles, was gebraucht wird, befindet sich im Haus, doch der Gast hat es nie zu Gesicht bekommen. Eines Tages fragte ein kleines Mädchen – vielleicht sieben oder acht Jahre alt –, wo die Eier denn her kommen. Ein Six Senses Mitarbeiter nahm es zur Hand und meinte: „Komm, ich zeige dir und deinen Eltern den hinteren Teil des Hauses, da sind die Hühner.“ Und so wurde es zu einer rundum gelungenen Sache.

Annett: Neil, würden Sie sagen, dass Six Senses in dieser Hinsicht ein Pionier ist?

Neil: Ja, ganz sicher, ganz sicher! Wissen Sie Annett, es begann mit Sonu Shivdasani, der Mann, der Six Senses gegründet hat und von dem ich es 2012 gekauft habe. Er war der erste, der über Nachhaltigkeit gesprochen hat. Er hatte ein kleines Unternehmen, er war ausschließlich in Asien aktiv. Als wir es gekauft haben, musste das Business erweitert werden. Ich wollte es globalisieren und dieses Produkt für viel mehr Menschen zugänglich machen. Und das ist gelungen!

Annett: Und wie wird sich – Ihrer Meinung nach – das Reisen und der Aufenthalt an Luxuszielen in Zukunft verändern?

Neil: Es wird ein wenig einfacher werden, und ich denke – wie ich zuvor sagte -, dass wir Luxus ein wenig neu definieren sollten. Die Materialien, die verwendet werden, sowohl bei Neu- als auch bei Umbauten … Weniger ist mehr! Ich bin der Überzeugung, dass es künftig mehr Understatement geben wird, anstelle von Übertreibungen. Die Menschen suchen nach Erlebnissen und möchten sehen, dass sich etwas ändert. Schon heute möchten Gäste etwas mitnehmen, das in Erinnerung bleibt.

Annett: Wo sehen Sie die Grenzen der Vereinbarkeit von Nachhaltigkeit und Luxushotels oder Reisezielen?

Neil: Ich sehe keine Grenzen! Ich denke, es geht um die Vorstellungskraft und um die Absicht – man muss es wollen. Einer meiner Kollegen auf dem Podium sagte: „Oh, wir folgen einfach dem, was die Leute wollen!“ Warum sollten wir folgen? Wir sind die Anführer! Die Leute wissen nicht, was sie wollen. Aber wir schaffen Möglichkeiten, von denen Gäste sagen: „Wow, das ist cool, das gefällt mir oder auch es gefällt mir nicht.“ Denn wenn ich einen Wunsch nicht erfüllen kann, bin ich sehr eingeengt. Den meisten wird es so gehen.

Annett: In Bezug auf die Diskussion des Executive Summit, würden Sie sagen Neil, dass der nachhaltige Weg von Six Senses Ihr Alleinstellungsmerkmal ist?

Neil: Wissen Sie Annett, Six Senses hat eine sehr klare Erzählung. Manche Leute lieben es und manche nicht, aber das ist in Ordnung. Sie können nicht erwarten, dass ihr Produkt jeden anspricht. Aber man muss einen Standpunkt haben. Nachhaltigkeit, Wellness und Aktivitäten/Erlebnisse – das gemeinsam verbindet das Six Senses-Ökosystem. Wir verfügen über Resorts, Hotels, Wohnanlagen, nächstes Jahr werden wir unseren ersten Club eröffnen. Wenn man all dies zusammenführt, entsteht ein echtes Ökosystem, in dem jedes Element ein anderes unterstützt – das ist die Geschichte.

Annett: Vielen Dank für Ihre Zeit und Mühe. Neil, es hat mich sehr gefreut, dieses Gespräch mit Ihnen zu führen.

Neil: Nein, das Vergnügen ist auf meiner Seite Annett! Ich danke Ihnen. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, Sie kennenzulernen und mit Ihnen zu sprechen. 

Neil Jacobs – der visionäre Geschäftsführer der Six Senses Hotels ist ein ebenso interessanter Gesprächspartner / © Redaktion FrontRowSociety.net

Luxus und Nachhaltigkeit – beides muss eine untrennbare Symbiose bilden

Den Rahmen für das Gipfeltreffen bot die Preisverleihung des Rankings „Die 101 besten Hotels Deutschlands“. Daher wohnten dem „Executive Summit“ eine hohe Dichte an Führungskräften der Highend-Hotellerie bei – Zeit und Gelegenheit, um Impulse für Nachhaltigkeit direkt an die richtige Adresse zu senden. Der Luxusbegriff ist im Wandel. Umweltverträglichkeit wird von Gästen nachgefragt. Das spüren inzwischen auch die Geschäftsführer diverser Hotels. Doch wie die knappen Ressourcen unseres Planeten innerhalb der Luxushotellerie geschont werden können, darüber sind sich die Herren noch nicht ganz einig. Viele kleine Schritte wurden bereits getan, doch es bedarf in naher Zukunft – eigentlich schon jetzt – mutigerer Wege. Denn Nachhaltigkeit bedeutet nicht Verzicht, sondern definiert den bewussten Genuss.

Neil Jacobs (li.) mit Andreas Conrad, Herausgeber des Magazins FontRowSociety, (re.). Auch außerhalb offizieller Termine ist der CEO der Six Senses Hotels Resorts & Spas ein unterhaltsamer Gesprächspartner / © Redaktion FrontRowSociety.net
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