Das Buch „Wilde Waldküche“ ist auf den ersten Blick ein sonderbares Druckerzeugnis. Es fordert uns auf, die Komfortzone zu verlassen und im Wald nach Essbarem zu suchen. Und seien wir mal ehrlich, wer kann von sich behaupten, die Fülle der verzehrbaren Flora zu kennen. Oder kommt es uns nicht gar überflüssig vor? Denn wir haben ja keine Zeit für diesen Hokuspokus.
In den Wald zu gehen und zu schauen, was uns sein reich gedeckter Tisch bietet, ist in weite Ferne gerückt. Schließlich müssen noch tausend Mails beantwortet werden und auf Instagram hat man auch schon lange nichts mehr gepostet. Außerdem muss der Workout im Fitnessstudio noch absolviert werden und am Abend braucht man Zeit für seine Netfilx-Serie.
Autorin Linda Louis
Die Französin Linda Louis prägte das Buch Ruf der Wildnis von Jack London. Und diesem Ruf folgt sie heute selbst. Sie zeigt Wege jenseits intensiver Landwirtschaft auf und rüttelt uns wach. Bereits ihr Vorwort berührt den Naturmenschen in uns und lässt den Leser neugierig werden. Ökologisches Gleichgewicht oder respektvoller Umgang mit der Natur scheinen bei Linda Louis keine leeren Worthülsen zu sein, so besteht das Buch zu 100 Prozent aus Altpapier. Machen wir uns also auf und entdecken den Wald zwischen zwei Buchdeckeln.
Vorab sei gesagt, dass die Autorin gewachsenes Wissen beschreibt. Wildfrüchte zu sammeln bedarf einer intensiven Vorbereitung und komplexen Wissens. Zu schnell tappt der ungeübte Sammler in die Falle, die Mutter Natur ihm stellt. Diese Tatsache hält uns den Spiegel der Urbanität vor, so weit haben wir uns von der ursprünglichen Natur entfernt.
Zwischen den Buchdeckeln
Nach dem Vorwort gibt es erste Hinweise zu den im Buch vorgestellten Pflanzenarten sowie einen kleinen Exkurs zu den Gesetzen des Waldes. Damit sind nicht nur Naturgesetze gemeint, sondern beispielsweise das Bundeswaldgesetz oder die Artenschutzverordnung.
Die Autorin vermittelt Basiswissen sowie die goldenen Regeln des Sammelns und weist eindringlich auf die Risiken beim Sammeln und Verzehren von wilden Pflanzen hin.
Nach einer kurzen Einführung in die Methoden der Haltbarmachung des Sammelguts, geht es mit der Pflanzenkunde weiter. Die zu sammelnden Werke sind thematisch gegliedert und jeder Abschnitt ordnet die einzeln Pflanzen alphabetisch. Linda Louis beginnt mit Waldgemüse und Kräutern. Im Weiteren folgt alles, was von Hecken und Sträuchern gesammelt werden kann und danach sind die Früchte der Bäume an der Reihe. Zum Abschluss folgt noch eine Abhandlung über Pilze.
Zu jeder Pflanze bzw. Frucht gibt es einen Steckbrief mit anschaulichen Erläuterungen, auf welche Weise der Protagonist Einzug in die Küche halten kann. Und gleich darauf folgen leckere, unkomplizierte Rezepte zum Sofortverzehr oder Haltbarmachen.
Oder wie wäre es mit Ketchup von der Hagebutte oder einem warmen Holundercrumble? Im Herbst zeigen Esskastanien oder Nüsse ihr Können. Und last but not least dürfen Pilze in Hülle und Fülle nicht fehlen. Auch wenn der Name ‚Totentrompete‘ den Leser zuerst erschaudert, sind diese Bodenkulturen des Waldes doch sehr beliebt. Fleischpapst Lucki Maurer nutzt den schwarzen, mit dem Pfifferling verwandten Kraterpilz für seinen Beef Tea.
Nachgemacht
Vom Buch inspiriert, überlegten wir uns, welche Pflanzen unseres heimischen Waldes wir kennen und was auch gerade saisonal verfügbar ist. So sammelten wir Holunderblüten, die nur wenige Meter im Wald von unserem Zuhause entfernt gedeihen. Auf Seite 136 beginnt die Abhandlung über Schwarzen Holunder und auf Seite 140 wurden wir fündig.
‚Holunderküchlein‘ klang verheißungsvoll und unkompliziert. Für diese Waldkreation muss lediglich ein Bierteig hergestellt werden, die ganzen Blüten eingetaucht und anschließend in einer mit Öl ausgekleideten Pfanne ausgebacken werden. Einfach zuzubereiten und fantastisch anders. Wir freuen uns auf das nächste Frühjahr, wenn der Holunder wieder blüht.
Für den Vorratsschrank versuchten wir uns an der Herstellung von Holunderblütenessig. Hierfür benötigten wir lediglich 1 Liter Bio-Apfelessig, 6 Holunderblüten und zwei gereinigte Glasflaschen.
Schnell waren die zarten weißen Blüten von den Stielen entfernt und mit dem Bio-Apfelessig vermischt. Einfach in Glasflaschen abfüllen und zwei Wochen – unter täglichem Schütteln – in der Sonne stehen lassen. Nach dem Abgießen erhält man einen fruchtigen Essig, der mit seinem Frühlingsaroma schmackhafte Salate im Winter verschönert.
Wer Freude an naturnaher Ernährung gefunden hat, dem sei auch Anke Höllers Abhandlung über essbare Wildsamen ans Herz gelegt.