Das Café Grotemeyer verkörperte fast zwei Jahrhunderte mondäne Kaffeehauskultur in der westfälischen Provinz. Ganz nach Wiener Vorbild war dieses Café in Münster eine Institution, die im Frühjahr 2019 ihre Türen für immer schloss. Was bleibt sind Erinnerungen und natürlich die legendären Konditoren-Rezepte. In beiden Grotemeyer-Büchern lebt das Café sowie die Familie, die seinen Charakter über so viele Jahre prägte weiter und damit auch in den Herzen der Münsteraner bzw. auf deren Kuchentellern.
Warum braucht ein Kaffeehaus ein Denkmal
Als ich Verlegerin und Autorin Dorothée Kerstiens zum ersten Mal treffe, erzählt sie mit ansteckender Leidenschaft über ihre Grotemeyer-Bücher. Für jeden, der im Dunstkreis des westfälischen Münsters groß geworden ist, stellt das Café Grotemeyer einen Ort dar, der fest im Bewusstsein verankert ist. Allein der Ruf des Cafés war mit einem Zauber verbunden. An seinen Fenstern drückten sich Generationen von Kindern die Nase platt. Oft war der Abschluss eines Ausflugs vom Land in die Stadt Münster mit einem Besuch im Café Grotemeyer gekrönt.
Die Familie war mit Münster und ihren Menschen eng verbunden. Außerdem trafen sich hier – wie in jedem guten Café – Intellektuelle, Politiker, Künstler und Vertreter des Klerus. Dennoch blieb die Familie bodenständig. Das Stadtcafé war der Lebensmittelpunkt aller Familienmitglieder und das an 365 Tagen im Jahr. Kommende Generationen wuchsen in den Räumen des Kaffeehauses auf und in dieses Leben hinein.
Das Café Grotemeyer ist untrennbar mit der Stadtgeschichte Münsters verbunden. Historische Ereignisse und das alltägliche Leben der Münsteraner hielt ein Sohn der Kaffeehausgründer in imposanten Bildern fest – der Kunstmaler Fritz Grotemeyer. Viele seiner Werke schmückten die Wände des Cafés und bis heute können seine bildhaften Spuren in der Stadt des Westfälischen Friedens verfolgt werden.
Ein Buch über mehr als die Welt der Zuckerbäckerei
Im Wesentlichen liegen dem ersten Grotemeyer-Buch drei Themenschwerpunkte zugrunde. Es geht um die Kaffeehausgeschichte, den Maler Fritz Grotemeyer und selbstverständlich um die traditionellen Rezepte.
Die Autoren Dorothée und Michael Kerstiens haben eine sehr persönliche Verbindung zur Familie Grotemeyer und seiner letzten Inhaberin, Dr. Gabriele Kahlert-Dunkel. Gemeinsam beschreiben die drei Schöpfer des ersten Grotemeyer-Buchs die Entstehung des Stadtcafés sowie seine Entwicklung zum großen Kaffeehaus nach Wiener Vorbild. Dabei erzählen Worte und Bilder über die Familie, über gute und schlechte Zeiten und natürlich über „Onkel Fritz“, jenen berühmten Maler, dessen Renommee ihn bis zu Kaiser Wilhelm II. persönlich führte.
Neben der gut recherchierten Familienchronik und einem anregenden Interview mit Dr. Gabriele Kahlert-Dunkel sind Original-Rezepte aus dem Hause Grotemeyer zusammengefasst. Jeder Münsteraner wird bei deren Anblick in Erinnerung schwelgen. Dorothée Kerstiens hat jedes Rezept in Zusammenarbeit mit Grotemeyers langjährigem Chefkonditor Günter Brast gebacken und für den Gebrauch in der heimischen Küche adaptiert.
Während des Backens in der heimischen Küche sowie beim Arrangieren der Kaffeetafel in Haus und Garten war Fotograf Michael Kerstiens an ihrer Seite. Er hielt für die Grotemeyer-Bücher alles in ansprechenden Bildern fest, die Lust auf das Backen und Genießen à la Grotemeyer machen.
Hat man erst seine home-made Berner Kirschtorte oder Engadiner Walnusstorte auf dem Teller, kann man sich ganz entspannt das letzte Kapitel des Grotemeyer-Buchs zu Gemüte führen. Hierbei geht es um den Künstler Fritz Grotemeyer, der facettenreicher war, als man auf den ersten Blick vermutet. Um seine über das Stadtgebiet von Münster verteilten Werke entdecken zu können, hat Verlegerin Dorothée Kerstiens eine exklusive Grotemeyer-Stadtführung aus der Taufe gehoben.
Gemeinsam waren wir mit dem Autorenpaar in Münster unterwegs. Unser Treffen begann im Café 1648, auf dessen Empore die Porträts der Begründer der Familiendynastie, Bertha und Albert Grotemeyer, als Dauerleihgabe von Dr. Gabriele Kahlert-Dunkel ein neues Zuhause haben.
Im Hotel Kaiserhof wartet das nächste Gemälde von Fritz Grotemeyer. 2012 erwarben die Hoteleigentümer und Kunstliebhaber das Werk „Einzug des Kardinal von Galen“ und lassen seither die Öffentlichkeit daran teilhaben.
Im Stadtmuseum von Münster ist das berühmte Gemälde „Die Friedensverhandlungen im Rathaus von Münster (1646-1648)“ zu besichtigen. Bei seiner intensiven Recherche der Grotemeyer-Bilder entdeckte Michael Kerstiens, dass kurioserweise sein eigener Urgroßvater Max Jungeblodt, damals Oberbügermeister der Stadt Münster, dem Künstler Fritz Grotemeyer den Auftrag zu diesem Bild im Namen der Stadt erteilte und dessen künstlerische Fortschritte über sieben Jahre verfolgte.
Eine ganz andere künstlerische Seite des Fritz Grotemeyer kann im Restaurant Großer Kiepenkerl entdeckt werden. Im oberen Stockwerk des Münsteraner Traditionslokals, der Bel Etage, sitzt man zwischen seinen Gemälden, die offenbar mit einem Augenzwinkern entstanden sind.
Zwischen all dem Neuen und Notwendigen unserer Zeit, ist es doch berührend, ein Stück Kaffeehauskultur zwischen zwei Buchdeckeln zu finden. Es geht nicht um das nostalgische Beschwören alter Zeiten, sondern um einen Teil der Geschichte unserer Heimat, die im Alltäglichen stattfand und doch so unersetzbar ist.
Titel: Grotemeyer – 169 Jahre Kaffeehauskultur in Münster Das Café, der Maler, die Rezepte
Verlag: Wermeling Verlag
ISBN: 978-3-9821318-0-1
Erscheinungsjahr: 2019; 3. Auflage 2020
Autor: Dorothée Kerstiens, Michael Kerstiens, Dr. Gabriele Kahlert-Dunkel
Noch mehr Grotemeyer
Schneller als erwartet waren die ersten beiden Auflagen vergriffen. Die Sehnsucht nach einer Form der Kaffeehauskultur, die zunehmend aus unseren Städten schwindet, entfachte das Interesse von Leserinnen und Lesern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Das Feedback der Leser war so überwältigend positiv, dass Gabriele Kahlert-Dunkel noch einmal die Veröffentlichung weiterer Grotemeyer-Rezepte autorisierte. Kern dieses neuen Buchs sind weitere originale Grotemeyer-Rezepte sowie das Kapitel „Was Hugo heute erfinden würde“.
Aus vorgenanntem entspringt auch das Rezept der Friedensreitertorte. Gemeinsam mit Konditormeister Günter Brast entwickelte Dorothée Kerstiens das originelle Rezept auf Basis der Grotemeyer Traditionen. In der Friedensreitertorte ist nicht nur das Friedensreiter Bräu verarbeitet, sondern auch althergebrachtes Pumpernickel-Brot, Pflaumenmus sowie Salzkaramell in Anlehnung an die alte Salzstraße.
Die Torten, Gebäckstücken oder Marzipanfiguren aus diesem Buch sind nicht nur einmalige Genusserlebnisse, sondern echte Hingucker auf jeder Kaffeetafel. Dass die Torten jedem Hobbybäcker gelingen, hat Dorothée Kerstiens mit den Büchern unter Beweis gestellt.
Titel: Grotemeyer 2 – Konditoren-Rezepte aus dem legendären Café
Verlag: Wermeling Verlag
ISBN: 978-3-9821318-1-8
Erscheinungsjahr: 2021
Autor: Dorothée Kerstiens, Michael Kerstiens
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