Allein der Name des Museums in Salzburgs Altstadt macht neugierig. Dabei tut es fast weh, „Verlorene Generation“ auszusprechen, diesen Begriff, den einst Gertrude Stein in einem ähnlichen Zusammenhang prägte. Die Bezeichnung hat etwas Endgültiges, zu tiefst Traumatisiertes. Doch gleich mit dem Titel der ersten Ausstellung „Wir haben uns lange nicht gesehen“ (Oktober 2017 bis März 2019) wurde ein Funke der Hoffnung gesät, der bei aller Traurigkeit eine Zukunft für diese fast vergessenen Werke proklamiert.
Eine Sammlung gegen das Vergessen
Sie waren Schüler berühmter Künstler ihrer Zeit, einer Zeit des Aufbruchs, die nicht nur die Kunstszene von Grund auf veränderte. Jene Künstler, die nun ihre Stimme zurückbekommen, lernten bei Persönlichkeiten wie Paul Klee, Max Beckmann, Max Lieberman, Henri Matisse oder Oskar Kokoschka, gehörten avantgardistischen Künstlergruppen an und waren ihrer Zeit schlichtweg voraus.
Unverstanden und von den Nazionalsozialisten als „entartet“ diffamiert, wurde ihnen während der NS-Zeit nicht nur ihre Arbeit als Künstler:in verwehrt. Sie wurden verfolgt, ins Exil getrieben, inhaftiert oder ermordet. Jedes Werk erzählt ebenso ein Schicksal dieser dunklen Zeit und beeindruckt gleichzeitig mit einer künstlerischen Bildsprache. Inzwischen umfasst die Sammlung „Kunst der Verlorenen Generation“ fast 600 Arbeiten, die alle zwischen 1920 und 1945 entstanden.
Dass diese teils verschollenen Kunstwerke heute einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden können, ist der Leidenschaft von Prof. Dr. Heinz Böhme zu verdanken. Der nunmehr pensionierte Mediziner und Forscher sammelte über Jahrzehnte vornehmlich Gemälde von Künstler:innen, deren Leben und Schaffen vom Trauma zweier Weltkriege bestimmt wurde. Begonnen hatte alles in den 1990er Jahren mit einem Bild von Ludwig Jonas. 2017 fand dann die Privatsammlung, deren Träger die Prof. Dr. Heinz R. Böhme gemeinnützige Stiftung Salzburg ist, ihren Platz in den historischen Räumen des Steinhauserhauses aus dem 13. Jahrhundert inmitten der malerischen Altstadt von Salzburg.
Mit einem jungen Team von Kunsthistorikerinnen erzählt Böhme Geschichten hoffnungsvoller junger Künstler:innen, denen in den Wirren tiefgreifender historischer Ereignisse die Existenz geraubt wurde. Ein Beispiel für eine derartige persönliche Tragödie ist der Frankfurter Künstler Hein Steiauf. „Über ihn ist fast nichts zu finden, diesen Beckmann-Schüler, der nach Großem strebte“, erklärt Maximiliane Luise Seng bei der persönlichen Führung durch die einmalige Ausstellung. Sie sieht die Aufgabe des Museums unter anderem darin, selbst fast 80 Jahre nach der NS-Zeit ein Statement zu setzten. „Ihr seid nicht nicht vergessen, wir zeigen, wer ihr wart.“
Verschollene Kunstwerke auf dem Weg in die Öffentlichkeit
Die Kunstgeschichte weist viele Lücken auf. Eine davon ist die „Entartete Kunst“. Böhme lenkt mit seiner Privatsammlung nun die Aufmerksamkeit auf die verlorene Generation. „Die Künstler und ihre Werke sollen die verdiente Wertschätzung erhalten, die ihnen so lange verwehrt geblieben ist“, so Prof. Dr. Heinz Böhme. Seit der Eröffnung des Museums im Jahr 2017 positioniert man unterschiedliche Thematiken. Dabei legt man sich nicht auf eine Stilrichtung fest, sondern sieht die Kunstwerke im Kontext.
Ein Beispiel dafür war die Ausstellung „Apropos Frauen“, welche verfolgte Malerinnen beleuchtete. Die aktuelle Ausstellung „Wir sehen uns in PARIS“ inszeniert Paris als Ort der Begegnung der Künstler jener Epoche und ist noch bis Januar 2023 sehen. Parallel dazu gibt man in der Ausstellung „VERBOTEN SCHÖN“ noch bis April 2023 Künstlern wie Arnold Fiedler oder Otto Freytag eine Bühne.
Um möglichst viele Facetten der stilübergreifenden Sammlung Böhme zu zeigen, wird einmal im Monat die Schatztruhe der Sammlung geöffnet. Dann wird das „Bild des Monats“ auserwählt und über vier Wochen an einem besonderen Platz innerhalb des Museums gezeigt.
In der Zukunft stehen unter anderem museumspädagogische Projekte an sowie Veranstaltungen, die ein junges Publikum in die Ausstellung holen. Schlussendlich liegt das Überdauern von Kunstwerken in den Händen innovativer Museumskonzepte. Jenen Konzepten muss es gelingen, in unserer reizüberfluteten Zeit, Begeisterung zu wecken. Ihre Kunst mit allen Sinnen erlebbar zu machen, ist wohl die größte Aufforderung der „Verlorenen Generation“ an ihre Erben.
Kunst um die Welt
Eine weitere eindrucksvolle Sammlung von Werken, die als „entartet“ von den Nationalsozialisten gebrandmarkt wurden, ist in Heidelberg beheimatet. Die Sammlung Prinzhorn stellt Exponate von psychiatrisch erkrankten Menschen aus, deren Arbeiten ihr Innerstes offenbaren. Für jeden Kunstinteressierten ist diese Ausstellung ein unumgängliches Muss.
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