Ein Staat, eine Liebe – Daniel Humm über New York und seine regionalen Schätze:
Daniel Humm, der Schweizer Visionär, der seit langem über seine Heimatgrenze hinaus für eine erstklassige und mehrfach ausgezeichnete Küche bekannt ist, zeigt in seinem – inzwischen – zweiten Kochbuch seine tiefe Verbundenheit zum Staat New York.
In Amerika – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in einem Staat, welcher nahezu ausschließlich wegen seiner Namensgleichheit zur Metropole New York bekannt ist – hat es Daniel Humm im Jahr 2017 geschafft, mit seinem Restaurant Eleven Madison Park zum besten Restaurant der Welt gekürt zu werden.
Auf fast 500 Seiten erwarten den erfahrenen Hobby- oder Profikoch authentische Gerichte mit den besten Zutaten aus dem Umland von Big Apple. Vorab will gesagt sein: Anders als in seinem ersten Kochbuch „Eleven Madison Park – The Cookbook“ spiegelt sich in seinem zweiten Machwerk nicht die renommierte und ausgezeichnete 3 Sterne Küche des Ausnahmekoches wider.
Mit dem Kochbuch „I Love New York“ forciert Daniel Humm seine im Herzen beheimatete kulinarische Verbundenheit zu New York und weißt mit einer liebevollen Aufbereitung auf die weitreichende Varietät der landwirtschaftlichen Erzeugnisse hin.
Die Liebe, das Detail
Ein Teil der Erfolgsrezepte des Schweizer Avantgardisten ist seine kulinarische Präzision. Wiederfinden lässt sich jene Präzision in den kleinen Details, die jedes seiner Gerichte ausmacht und dieses somit in Gänze präsentiert. Seine fundierte Detailverliebtheit lebt der beste Koch der Welt nicht nur in seiner mehrfach ausgezeichneten Küche aus, sondern auch in seinen Kochbüchern.
Grafisch wird die Akribie erkennbar an kleinen, verspielten Verzierungen sowie aufwendigen Bildaufnahmen von Höfen und Farmen. Die wohl bedachte Selektion von 150 Rezepten macht schnell klar, dieses Buch zeichnet sich durch viel Herzblut sowie kochende Passion aus und entpuppt sich als emotionaler Schatz des Spitzenkochs.
Durch das stilistische Mittel der minimalistischen, karikaturartigen Verschnörkelung verschafft der Schweizer diesem Buch ein ganz besonderes Flair. Er unterstreicht mit liebevollen Kritzeleien die Idee eines Buches, das die volle Aufmerksamkeit und Leidenschaft eines Visionärs abseits der Sterne- und Haubengastronomie erwarten lässt.
Alphabetisch sortiert findet der Leser nach der Basis, sprich Hauptzutat selektierte Rezepte. Das Produkt wird in einer prägnanten Kurzbiographie mitsamt Zulieferer authentisch auf der Farm vorgestellt.
Jene Farmen befinden sich stets in unmittelbarer Nähe. In sorgfältig ausgelegten Beschreibungen von Anbau, Haltung und Philosophie untermalt der Spitzenkoch Qualität und Herkunft der Erzeugnisse im direkten Gespräch mit den Farmern. So lenkt er das Augenmerk auf die Wichtigkeit der Produktqualität, die schlussendlich wahres Genussgut schafft. Denn letztlich spielt es für das Produkt keine Rolle, ob es in der Sterneküche oder auf dem heimischen Herd zubereitet wird.
Rezepte abseits der Sternegastronomie
Hang zur Lokalität, Hang zum unkomplizierten Genuss, dies verkörpert Daniel Humms Kochbuch „I love New York“.
Auf eindrucksvolle Weise werden Rezepte – die einfach zuzubereiten sind – aus Sicht einer einzelnen Zutat beschrieben. Der Hobbykoch erkennt aufgrund der bedachten und intimen Vorstellung jeder Zutat, dass man nicht weit reisen muss, um wahrhaftigen Genuss zu erlangen.
Nachgekocht: Gebratene Topinambur mit Rohmilchkäse
Als typisches Spätherbst- bzw. Wintergewächs und somit in der näheren Umgebung nur saisonal verfügbar, wird Topinambur zur Basis des nachgekochten Gerichts „Gebratene Topinambur mit Rohmilchkäse“.
Das wohl bekannte Knollengewächs ist in Deutschland häufig ein Produkt der Permakultur, da Topinambur mit ihren leuchtend gelben Blüten gern zwischen bestellten Gemüsesorten wächst. Erntefrisch vom Bauernmarkt gekauft, steht die Topinambur nun bereit, ein kulinarisches Abenteuer mit Daniel Humm einzugehen.
Topinambur ist eine recht feste Knolle, weshalb sie vorab in Silberfolie verpackt, mit etwas Salz und Thymian, für ein bis zwei Stunden im Ofen vorgart wird. Mit zunehmend weicher Textur kann sie dem Ofen entnommen und in einer Pfanne mit ausreichend Öl auf der Fleischseite knusprig angebraten werden.
Die angenehm erdigen Aromen der Topinambur werden bei diesem Gericht durch eine feine Säure hervorgehoben. Geschaffen wird dieses Säurespiel von frischen, kernlosen weißen Trauben sowie geläuterten und anschließend getrockneten roten Trauben. Und in der Tat schmiegen sich diese Säuren dem Herbstgericht zutraulich an.
Der Ausnahmekoch schafft ein sanftes Gegenspiel von sukkulenten fruchtigen Trauben zu süßen warmen Trauben, was das Gesamtbild farbenfroh erstrahlen lässt.
Unterstützt wird die spürbare Säure von einer leicht bitteren Verjus-Vinaigrette, welche dem Grund nach aus einer weißen Verjus und Olivenöl besteht.
Zur Bereicherung der Textur kommen geröstete Haselnüsse zu Humms kulinarischem Farbenspiel. Die zarten Röstaromen sowie die knackig, bissfesten Eigenschaften der Hülsenfrüchte wirken als willkommene Abwechslung zur süßen Traube.
In Vollendung finden sich alle Zutaten in bunter Konstellation auf einem angewärmten Teller wieder. Vor dem finalen Genuss wird ein kräftiger, gut gereifter Rohmilchkäse in Form eines Gruyère in grob gebrochener Form über den Teller gegeben. Einen Guten Appetit!
Was noch zu sagen bleibt
Das Kochbuch ist tatsächlich ein kleines Juwel, in welchem viel Herzblut steckt. Auch wenn die Rezepte in Gegensatz zu denen im ersten und in den bereits gefolgten Kochbüchern Humms recht simpel und bodenständig gehalten sind, erkennt man vor allem anhand der liebevollen Ausarbeitung der Seiten, dass dieses Kochbuch eine Herzensangelegenheit des Spitzenkochs ist.
Im täglichen Umgang mit den besten internationalen Produkten, so scheint es, sehnt sich der Spitzenkoch auch nach regionalen Produkten.
Die Idee des Buchs, auf saisonale und regionale Produkte zurückzugreifen und den sonst nur durch die Metropole New York bekannten Staat New York in kulinarisch rechtes Licht zu rücken, ist Daniel Humm auf eine unnachahmliche Weise gelungen.
Trotz allem bleibt New York für die deutsche Küche einen Transatlantikflug entfernt, da man die vorgestellten Produkte in jener Qualität und mit dieser Passion angebaut in unseren Breitengraden nur selten findet.
Die Rezepte sind im Zubereitungsaufwand und Schwierigkeitsgrad sehr variabel. Dennoch kann auch ein unerfahrener Koch jene Gerichte zubereiten und sich von der Küchenphilosophie des Sternekochs inspirieren lassen.
Nachgekocht: Noris F. Conrad
Titel: I love New York: Mein New York Kochbuch
Verlag: AT Verlag
ISBN: 978-3-03800-991-7
Erscheinungsjahr: 2013
Autor: Daniel Humm, Will Guidara