Die MSC SEASIDE hat bei ihrer Indienststellung radikal mit der bewährten MSC Cruises-Philosophie gebrochen, die auf pompöse Atrien, lange Shopping-Promenaden und generell eine große Vielfalt an „inneren Werten“ setzte. Stattdessen soll sie das Erlebnis Meer in den Vordergrund rücken.
Bereits bei ihrer Kiellegung 2016 wurde für die spätere MSC SEASIDE der Begriff vom „Schiff, das der Sonne folgt“, geprägt. Speziell für Kreuzfahrten in warmen Gefilden konzipiert, sollte das Kreuzfahrtschiff nicht nur über weitläufige Außenbereiche von insgesamt 13.000 Quadratmetern Größe, sondern auch über Panoramalifte, überhängende Promenaden aus Glas sowie eine 130 Meter lange Seilrutsche verfügen, die einmal über das komplette achtere Sonnendeck verlaufen sollte. Kein Schiff für schwache Nerven!
Als es an das Innendesign ging, betonte MSC, Einrichtung und Silhouette seien „inspiriert von der Skyline Miamis“. Ende 2017 in Dienst gestellt, fuhr die MSC SEASIDE dann tatsächlich zwei Jahre ab Miami in der Karibik, ehe der Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 auch MSC Cruises zu einem jähen Stopp zwang. Seit der Wiederaufnahme des Kreuzfahrtbetriebs ist die MSC SEASIDE genauso wie ihre Schwesterschiffe MSC SEAVIEW (2018), MSC SEASHORE (2021) und MSC SEASCAPE (2022) auch in weniger sonnigen Gefilden unterwegs.
An Bord angekommen, wartet zunächst das Büffetrestaurant mit einer Überraschung auf. Das ist auf diesem Schiff nämlich nicht wie sonst üblich hoch oben auf dem Pool-Deck gelegen, sondern wegen der Nähe zu besagter Außenpromenade auf Deck 8. Man hat also, freie Plätze vorausgesetzt, die Wahl, sein Essen entweder drinnen in der Nähe der Büffetstationen oder draußen knapp über der Wasserlinie einzunehmen. Eine Wahl, die vor allem bei schönem Wetter schwerfällt.
In den öffentlichen Räumen fällt dagegen anfangs die Orientierung schwer, denn die MSC SEASIDE weicht auch hier radikal vom Layout anderer Kreuzfahrtschiffe ab. Das Atrium ist achtern gelegen, und eine zentrale Innenpromenade gibt es gar nicht. Stattdessen ist die „Piazza Grande“ nicht etwa, wie der Name vermuten lässt, das Herzstück des Schiffes, sondern nur ein kleiner Korridor auf Deck 6, wo die Shops zusammenlaufen. Gewöhnungsbedürftig.
Auch ein klassisches Pool-Deck sucht man auf der MSC SEASIDE vergeblich. Mittschiffs auf Deck 18 ist der überdachte „Jungle Pool“ gelegen, das große Außenpooldeck erstreckt sich dagegen achtern auf Deck 16 und der kleine „South Beach Pool“ etwas versteckt am Fuß der Panorama-Fahrstühle auf Deck 7. Wer hier von einem Pool zum anderen wechseln will, muss nicht nur Badelatschen und einen Rucksack mitbringen, sondern vor allem Zeit und gute Kondition.
Bei der Suche nach einer ruhigen Ecke unter Deck resigniert man leider oft. Denn die MSC SEASIDE ist voller offener oder halboffener Räume, die zwar dazu einzuladen, schnell mal hier oder dort einen Blick hineinzuwerfen oder sich kurz in ihnen aufzuhalten, wo man aber stets auch den Geräuschen oder der Musik von nebenan ausgesetzt ist. Schade. Auch eine Bibliothek oder ein Kartenzimmer, in das man sich zum Lesen oder zum gemeinsamen Spielen zurückziehen könnte, gibt es auf der MSC SEASIDE nicht.
Auf die Kosten kommen dafür alle, denen der Sinn nach Shopping an Bord steht. Von edler Schokolade über Markenmode und -accessoires bis hin zu Juwelen und Kunstwerken lässt die MSC SEASIDE keine Wünsche offen – den passenden Geldbeutel vorausgesetzt. Bei einem Blick auf das typische (europäische) MSC-Publikum bekommt man allerdings den Eindruck, dass die Reederei in punkto Shoppingerlebnis bei der SEASIDE-Klasse etwas über das Ziel hinausgeschossen ist.
An Kinder und Jugendliche hat die traditionell familienfreundliche italienische Reederei bei der MSC SEASIDE und ihren Schwesterschiffen in besonderem Maße gedacht. So können sich Kinder und Teenager nicht nur über eigene Clubs für die jeweiligen Altersklassen freuen, in denen sie unter sich sind („Baby Club“, „Mini Club“, „Junior Club“, „Young Club“ und „Teens Club“), sondern auch über fünf verschiedene Wasserrutschen und Badespaß im großen „Aqua Park“, zwei große Bowlingbahnen, einen Hochseilgarten und eine eigene Disco.
Die Älteren dagegen haben an Bord die Wahl zwischen nicht weniger als 9 Restaurants, 19 Bars und Lounges sowie dem großen Metropolitan Theater, wo abends Shows und Konzerte stattfinden. Deren Qualität variiert allerdings bzw. ist das Dargebotene wie alle Kunst Geschmacksache. Wenn aus „Peter Pan“ für 45 Minuten „Peter Punk“ wird, ist das mitsamt Akrobaten und Jongleuren schlicht fantastisch; „The Show must go on“ dagegen, ein musikalischer Tribut an Freddie Mercury und Queen, leider ein „big disgrace“, um die Band mit einem ihrer eigenen Songtexte zu zitieren.
Nach einer Woche an Bord verlasse ich die MSC SEASIDE mit gemischten Gefühlen. In Sachen Hardware und Layout war das Schiff eine interessante Abwechslung gegenüber den bekannten und bewährten Merkmalen der MSC MUSICA-, MSC FANTASIA- und MSC MERAVIGLIA-Klassen. Und bei schönem Wetter war es tatsächlich ein Spaß, sich auf dem riesigen Sonnendeck, rund um den Aqua Park oder auf der breiten „Waterfront Promenade“ mit ihren Restaurants und Bars an der frischen Luft aufzuhalten. In europäischen Gewässern kann das Schiff diese Vorteile aber nicht durchweg ausspielen; zu oft dürfte ihm hier das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich die MSC SEASIDE und ihre Schwesterschiffe auch trotz dieses kleinen Makels auf dem hiesigen Kreuzfahrtmarkt etablieren kann.
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