Wer sind sie, diese Helden der süßen Kunst, die uns nach einem großartigen Menü noch einmal mit einem berührendem Dessert überraschen? Es sind die Pâtissiers, die ihren Auftritt zum guten Schluß haben. Auf den Schultern jener Küchenkonditoren liegt die Last, mit einer eigenen Handschrift aufzutreten und dennoch die Linie des Küchenchefs nicht zu verlassen.
In aller Stille kreieren sie Desserts, Pralinen, Torten, Eis oder Gebäck. Für ihren Beruf ist nicht nur das Beherrschen des Handwerks von Nöten, unabdingbar ist ebenfalls eine große Portion Kreativität gepaart mit einem untrüglichen Gespür für Aromenkombinationen. Ihre Kreationen, beispielsweise als Petit Fours, sind die letzten Geschmackserlebnisse des Abends und jenen letzten Eindruck nimmt man am prägnantesten mit nach Hause.
Jedoch geht der Küchenchef als Gesicht eines gehobenen Restaurants nach dem Menü zu den Gästen, verteilt Worte und Wünsche und empfängt Lob für seine Kunst. Währenddessen bleibt der Pâtissier an seinem Posten und wartet gespannt, ob seine Schöpfungen gefallen haben.
Aber stehen die Dessertvirtuosen deshalb in zweiter Reihe? Mitnichten; man schaue zu Persönlichkeiten wie Ludovic Chaussard, Christophe Boucher, Jordi Roca oder Malcolm Livingston II – Pâtissiere sind längst hinaus ins Licht getreten und haben sich einen Namen gemacht.
Wettstreit mit Öffentlichkeitswirkung
Nachdem sich der Wettstreit „Koch des Jahres“ als öffentlichkeitswirksames Instrument etablierte, widmet man den Pâtissieren seit 2014 das gleiche Maß an Aufmerksamkeit. Die besten Künstler der süßen Last kristallisieren sich nach einem Bewerbungsverfahren sowie Vorfinalen heraus und stehen als Pate für ihren Berufsstand im Scheinwerferlicht.
Um beim kulinarischen Wettstreit „Pâtissier des Jahres“ teilnehmen zu können, sollte das Handwerk des Pâtissiers, Konditors, Kochs, Chocolatiers oder Bäckers erlernt worden sein. Des Weiteren richtet sich der Contest an Pâtissiers, die in der D-A-CH Region beschäftigt sind.
Während des Wettbewerbs müssen die Teilnehmer aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol sich an einem Drei-Komponenten-Dessert, einem Freestyle-Dessert sowie Freestyle-Pralinen versuchen. Hierfür werden den Aspiranten insgesamt 5 Stunden zur Verfügung gestellt. Verschiedene Teige und Massen dürfen im Vorfeld bereits vorbereitet werden, das Gemüse geputzt oder Hohlkörper für Pralinen gegossen sein, doch der Löwenanteil der Arbeit findet während des Finales statt.
Natürlich ist jeder Finalist angetreten, um zu gewinnen. Ansporn und Druck fordern die Protagonisten gleichermaßen. Dabei sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass die Kreationen nicht in der Abgeschiedenheit einer Küche zubereitet werden, sondern unter den Augen von Presse und Publikum.
Der Wettstreit „Pâtissier des Jahres“ bietet eine große Bühne, auf den Berufsstand die mediale Aufmerksamkeit zu lenken und ihn dadurch populärer zu machen. Doch zuerst gilt es, die Fachjury zu überzeugen. Und eine unserer Redakteurinnen war in diesem Jahr Mitglied der Jury und konnte hautnah ihre Entscheidungsfindung miterleben.
Die Juroren vom Wettbewerb: Pâtissier des Jahres 2019
Pâtissier-Legende Pierre Lingelser
Den Vorsitz der Jury führt kein Geringerer als die Pâtissier-Ikone Pierre Lingelser. Der langjährige Weggefährte von Harald Wohlfahrt prägte mit seinen Schöpfungen nachhaltig die süßen Seiten der Traube Tonbach. Viele kreative Köpfe führte er in die Kunst dieses Handwerks ein, andere talentierte Konditoren vervollkommneten ihr Können unter seiner Regie. Inzwischen ist er als Genussbotschafter unterwegs und entwickelt mit zwei weiteren Mitstreitern die eigene Feinschmecker-Produktlinie der Scheck-In-Manufaktur in Achern.
Altmeister der Chocolatierskunst Frédéric Bau
Unterstützt wird er ein von einem weiteren Altmeister der Chocolatierskunst – Frédéric Bau. Der Franzose ist Kreativdirektor im Maison Valrhona. Einfallsreichtum sei für ihn der Schlüssel zum Erfolg. Wobei er den Teilnehmern nahelegt, sich an simplen Dingen zu versuchen. Diese können – perfekt und innovativ gestaltet – immer wieder aufs Neue überraschen. Er selbst leitete die Ecole Valrhona, ist geistiger Vater der Les Essentials sowie der Gourmandise Raisonnée und Schöpfer wegweisender Schokoladenkreationen.
Bekannte Größe der Pâtisserie Andy Vorbusch
Mit der dritten Größe der Pâtisserie, Andy Vorbusch, haben die Verantwortlichen um Nuria Roig ein Spitzentrio an Juroren geschaffen. Inzwischen bereitet er seine zukunftsweisenden Desserts als Chef Pâtissier im Restaurant Sven Wassmer im Grand Resort Bad Ragaz zu. Mit seinem genialen Konzept Level Null sorgten er gemeinsam mit René Frank erstmalig auf dem Rheingau Gourmet & Wein Festival 2017 für Furore.
Mike Kainz – vom Finalisten zum Juror
Noch vor 2 Jahren kämpfte Mike Kainz als Finalist um den Titel „Pâtissier des Jahres“ und ging damals als Sieger hervor. Heute begleitet er die Postion des Sous Chefs der Pâtisserie im Sternerestaurant Lakeside, The Fontenay Hamburg. Für den ambitionierten jungen Mann zählt bei seiner Tätigkeit als Juror Objektivität, ein sehr wichtiges Kriterium, da seine Kollegin Myriam Isler unter den Finalisten 2019 ist.
Yoshiko Sato – beste Pâtissiére der D-A-CH Region
Auch die gebürtige Japanerin Yoshiko Sato wechselte 2019 von der Rolle der Finalistin zur Jurorin. Beim letzten Contest 2017 belegte sie den zweiten Platz hinter Mike Kainz. Mit ihrem Ehemann Dominik Sato, der in diesem Jahr sich den Titel „Koch des Jahres“ sichern konnte, lebt Yoshiko Sato in der Schweiz. Ursprünglich kam sie nach Deutschland, um das Backen von Apfelkuchen zu lernen, später war sie Chef Pâtissiére im renommierten Dolder Grand in Zürich. Inzwischen ist sie im Fine Dining Restaurant Panorama der Tavero AG in Basel angekommen und zaubert Naschwerk, in welches immer wieder Zutaten aus ihrer Heimat einfließen.
Christian Sturm-Wilms, Küchenchef des Sternerestaurants Yunico
Im Jahr 2016 verlieh der Guide Michelin seinem Restaurant Yunico im Bonner Kameha Grand den begehrten Stern und Gault Millau kürte ihn zu „Aufsteiger des Jahres NRW“. So ist es nicht verwunderlich, dass er inzwischen ein gefragter Juror ist. Die Präsentation von Palmherz, Tom Kha Gai, Ananas und Kalamansi löste bei ihm Gänsehaut aus. Für ihn zählen Desserts, die nicht alltäglich sind.
Konditorweltmeister Bernd Siefert
Bernd Sieferts Karriere als Künstler süßer Fantasien ist sicherlich beispielgebend für viele Nachwuchstalente. Nach mehrfachen Titelsiegen als deutscher Meister und Weltmeister trainiert er nun die deutsche Konditoren-Nationalmannschaft. Ganz nebenher ist der Ausnahmekonditor als Berater für die Schokoladenindustrie tätig, verfasst Bücher und betreibt in Michelstadt das Café Siefert mit seiner Schwester Astrid.
Restaurantkritiker Wolfgang Fassbender
Von Anfang an ist der Restaurantkritiker Wolfgang Fassbender Teil der Jury. Mit seinen kulinarischen Publikationen entwickelte er sich zu einem angesehnen Redakteur, Autor und Herausgeber in der Gastronomieszene. Seit Jahren ist Wolfgang Fassbender ein meinungsmachender Gastrokritiker in etablierten deutschsprachigen Printmedien.
FrontRowSociety – The Magazine Mitherausgeberin Annett Conrad
In der Jury von „Pâtissier des Jahres“ saß auch die Autorin dieses Artikels, Annett Conrad. Die kulinarischen Reisen quer durch die Haute Cuisine haben der FrontRowSociety – The Magazine Mitherausgeberin einen intensiven Einblick in unzählige Sterneküchen rund um den Globus ermöglicht – auch hinter die Kulissen. Umfangreiche Gespräche mit Chefs und Pâtissiers sowie die Rezension von zahlreichen Kochbüchern aus der Sterneküche, haben Annett Conrad das Rüstzeug für die Arbeit in der Jury gegeben.
Entscheidung gefragt
Keiner der Juroren machte es sich leicht, die beste Süßspeise herauszufiltern. Jedes einzelne Dessert gilt es unvoreingenommen nach Kreativität, ästhetischer Präsentation, Technik, Textur und Geschmack auf einer Punkteskala zu beurteilen. Dabei werden die Desserts anonym serviert und die Philosophie des Protagonisten vorgestellt.
Hier beeindruckt, welch gegensätzliche Philosophien aufeinander prallen. Von brutal regional, der Natur abgerungen über kosmopolitische Ansätze bis hin zur dekorativen Verspieltheit. Jedes Jury-Mitglied hat ganz eigene Ansätze, die bei der Beurteilung ausschlaggebend sind. Für Bernd Siefert spielt die Produktqualität und das Beherrschen der Basis eine große Rolle.
Andy Vorbusch war berührt von einem Dessert, dass ihm in Erinnerung bleiben wird. Es war jene austarierde Balance in Geschmack und Textur, die die Sinne berührt. Und dies macht für ihn die Pâtissierkunst aus, ein Dessert zu kreieren, das einen langen Nachhall besitzt, im positiven Sinne natürlich.
Sichtweisen
Und was bedeutet ein Dessert für uns Gäste, wie verführt man unseren Gaumen? Wie immer, der erste Eindruck zählt. Das Auge isst zuerst. Und wie viel Lust verspürt der Gast auf ein Dessert nach einem mehrgängigen Menü? Filigrane Desserts, eher raffiniert als üppig, punkten hier als süßes Finale. Im zweiten Ansatz sollte das süße Kunstwerk so drapiert sein, dass es mit Respekt vor dem Können des Meisters nur zögerlich zerstört wird.
Dann beginnt die Lust, dieses süße Kunstwerk zu entdecken, dem „Inneren“ auf die Spur zu gehen. Und hier sind es Überraschungseffekte und Erinnerungen, die uns noch einmal berauschen sollten. Geschmackserlebnisse im wörtlichen Sinne entstehen durch Ausgewogenheit der Nuancen, dem Spiel von Süße, Säure und Salzigkeit. Umami, der Wow-Effekt, wie immer man es nennen mag, das Dessert darf ruhig ein Paukenschlag sein.
Pâtissier des Jahres 2019 – die Finalisten
Am 6. Oktober 2019 traten auf der Creativ Stage der ANUGA folgende 6 Finalisten gegeneinander an:
Matthias Fehr – Stellvertretender Produktionsleiter,
Swiss Pastry Design – Bern (CH)
Myriam Isler – Demi Chef de Partie Pâtisserie,
Restaurant Lakeside*, The Fontenay – Hamburg
Christian Kramer – Demi Chef de Partie,
Gusto, Villa Kennedy a Rocco Forte Hotel – Frankfurt
Sebastian Kraus – Chef Pâtissier
PURS** – Andernach
Marcel Meining – Souschef
Brückenbaron/ Baron.ess – Bolzhausen
Roman Schäfer – Chef Pâtissier
Speisemeisterei Bayer & Scholz GmbH* – Stuttgart
Der Paukenschlag gelang in diesem Jahr Sebastian Kraus mit seinem Assistenten Yannick Noack, Sous Chef im PURS. Sebastian Kraus begleitet die Position des Chef-Pâtissiers im 2 Sterne Restaurant PURS in Andernach unter Leitung von Christian Eckhardt.
Die Siegerkreationen von Sebastian Kraus – PURS**, Andernach
Drei-Komponenten-Dessert aus Olivenöl, Quitte & Valrhona Jivara und Scharfsgarbe
Kiefernzapfen – Sonnenblumenkerne | Fichtennadeln | weiße Kuvertüre
Palmherz – Tom Kha Gai | Ananas | Kalamansi
Das Menü des Zweitplatzierten Matthias Fehr aus Swiss Pastry Design, Bern (CH)
Drei-Komponenten-Dessert aus Olivenöl, Quitte & Valrhona Jivara
Freestyle-Dessert: Fernöstlicher Sonnenaufgang
Freestyle-Praline |Petit Four: Cassis | Gletscherminze | Gin
Die Kreationen des Drittplatzierten Roman Schäfer aus der Speisemeisterei Bayer und Scholz GmbH* (Stuttgart)
The Ring – Sauerampfer | Apfel | Valrhona Ivoire | Staudensellerie
Olivenbaum – Valrhona Jivara | Quitte | Olivenöl | Buttermilch | Kerbel
Autumn – Butternut-Kürbis | Orange | Ingwer | Kürbiskern | Spekulatius
In eigener Sache
Die Finalisten mögen es uns nachsehen, in unserem Artikel nicht im Fokus zu stehen, sondern im Kontext mit den Juroren. Wir sind sicher, dass der Contest „Pâtissier des Jahres“ eure Arbeit und die Möglichkeiten, die der Beruf bietet, neu beleuchtet und manch junger Mensch hier seine berufliche Zukunft nebst Karriere sucht wird.
Uns beeindruckte euer Können, euer Mut und eure Stärke.