Eine Reise nach Athen ist fast gleichbedeutend mit einer Reise in eine andere Zeit. In Griechenlands Hauptstadt gibt das urbane Leben mit all seinen hektischen Facetten den Takt an. Umso erstaunlicher ist der Reiz historischer Stadtteile wie Anafiotika oder die Plaka.
Dörflicher Charakter in der Großstadt
Im Schatten der Akropolis haben diese alten Bereiche Athens einen dörflichen Charakter. Immer wieder stößt man auf Baulücken mit Absperrband, da erneut antike Fundamente zum Vorschein kommen, die vielleicht bedeutungsvoll sein könnten.
Plaka ist der älteste Stadtteil Athens. Obwohl sich ein Souvenirgeschäft neben das andere reiht, kann man sich dem Charme der engen Gassen nicht entziehen. Die meisten Häuser der Altstadt stehen unter Denkmalschutz. Ihre Fundamente stammen teils noch aus antiker Zeit.
In dem quirligen Treiben findet man kleine authentische Cafés oder Boutiquen. Die urigen Tavernen, in denen sich Athener mit Touristen mischen, bieten landestypische, einfache Gerichte an. Wahrzeichen von Plaka sind der Turm der Winde sowie das Lysikratesmonument.
Weiter zum Athener Hausberg hinaufstrebend, passiert man unweigerlich das historisch gewachsene Viertel Anafiotika. Der Name des Viertels lehnt sich an die Insel Anafi. Nach dem ersten Weltkrieg flüchteten viele griechisch stämmige Familien aus der Türkei. Erstes Asyl fanden sie auf der Insel Anafi.
Es ist das Viertel der Einwohner, die aus Anafi kommen – Anafiotika. Die kleinen Häuser werden von wunderschön blühenden Bourgonvillaranken gesäumt, während sich Lokale mit romantisch begrünten Sitzgelegenheiten Richtung Akropolis ziehen.
Wer einen Spaziergang durch Plaka und Anafiotika unternimmt, wähnt sich irgendwo auf einer der 3054 Inseln Griechenlands und nicht in einer Metropole, in deren Großraum 3,9 Millionen Menschen leben.
Römische Agora
Die Römische Agora im Stadtteil Plaka ähnelt in ihrem Aufbau dem Forum Romanum. Als Griechenland eine Provinz Roms war, bauten die römischen Stadthalter diesen Versammlungsplatz. Die Bedeutung der Agora leitet sich wie folgt ab: Einer spricht und Menschen versammeln sich um den Redner.
Am Ende der römischen Agora steht der Turm der Winde. Dieser diente als Wasser- und Sonnenuhr sowie zum Bestimmen der Windrichtung durch Wetterfahnen. Die Fahne zeigte auf ein Bild des Halbgottes, der für die jeweilige Windrichtung Pate steht.
Auf dem Weg zur Antiken Agora kommt man an einer ehemaligen Koranschule vorbei. Nach der osmanischen Zeit wurde sie als Hinrichtungsstätte genutzt. In Athen bzw. ganz Griechenland haben Moscheen seit der Befreiung 1830 nur noch musealen Status.
Antike Agora
Lange Zeit war die Antike Agora begraben. Erst Ende des 19. Jahrhunderts fand man diesen historischen Schatz beim Bau der ersten Bahnstrecke nach Piräus. Die Antike Agora entstand als Versammlungsplatz. Das Rednerpodest aus Stein befindet noch vor der Attalos Stoa. Attalos, Prinz von Pergamon, studierte damals in Athen und stiftete den Säulengang als Dank für das erworbene Wissen.
Diesen Säulengang bauten die Athener in den 1950er Jahren original wieder auf. Seither wird er als Ausstellungsfläche für die aus der Antiken Agora stammenden Fundstücke genutzt. So können die Utensilien des Scherbengerichts bestaunt werden oder der Schierlingsbecher, den der zum Tode verurteilte Philosoph Sokrates leeren musste. Ein Instrument der Demokratie befindet sich ebenfalls im Museum, die Kleroterion, eine Auslosungsmaschine für Geschworene.
Darüber hinaus gab es neben den Säulengängen Sakralbauten, einen Gerichtshof, Verwaltungsgebäude und den Tholos. Hierin verfolgten die Athener ein durch und durch demokratisches Element: Die drei Stadtteile Athens sandten je 10 gewählte Männer, die im Tholos über Belange der Stadt diskutierten, Gericht hielten, Gewichte verwalteten und ihre Meinung zu Problemen von Bürgern äußerten.
Die Athener waren je nach Schutzgottheit in 10 Stämme aufgeteilt. Jeder Stamm stellte 50 Abgeordnete fürs Parlament. Gegenüber vom Parlament wurden in Stein gemeißelte Gesetze aufgestellt, damit diese von jedem Bürger gelesen werden konnten.
Wanderung mit historischem Hintergrund
Unweit der Agora befindet sich der bewaldete Hügel Philopappos mit dem weithin sichtbaren Philopapposdenkmal. Ähnlich wie zur Akropolis führen auch auf den höchsten Berg Athens serpentinenartige, kunstfertige Wege.
Die alte Stadtmauer, die einst bis Piräus führte, wird beim Aufstieg sichtbar. Zu Beginn des Weges empfängt die Kirche des Heiligen Demetrios Loumbardiaris die Spaziergänger.
Bevor die Kirche passiert wird, führt ein schmaler Weg zum Gefängnis des Sokrates. Hier hielt man den berühmten Philosoph bis zu seiner Hinrichtung durch Vergiften gefangen. Weiter dem aufsteigenden Weg folgend, wirbt die Höhe mit 360 Grad Aussichten über Athen bis zum Saronischen Golf, an dessen Horizont bei guten Wetterbedingungen unter anderem die Insel Ägina ausgemacht werden kann.
Mit wenigen Schritten und ohne großartigen Höhenunterschied ist der Hügel Pnyx erreicht. Genau an diesem Ort steht die Wiege der Demokratie. An diesem Versammlungsort unterbreiteten die Stadtoberen dem Volk Gesetzesvorschläge. Wurden sie nicht angenommen, feilten die Politiker Athens weiter an ihnen, bis das Volk den Vorschlägen zustimmte und sie in Stein gemeißelt werden konnten.
Olympieon – der Tempel des Zeus
Wer durch Plaka schlendert, erblickt in direkter Sichtachse von Lysikratesmonument das Hadrianstor sowie den Tempel des Olympischen Zeus. Auf dem weitläufigen Gelände sind nur wenige Reste des Heiligtums erhalten geblieben. In prähistorischer Zeit beteten die Menschen hier zu Gäa, Mutter Erde. Ab dem 6. Jahrhundert begann der Bau eines Tempels für den Göttervater Zeus unter dem letzten Tyrannen Athens. Als Vorbild dienten die Tempel Kleinasiens.
Kaiser Hadrian vollendete ihn und als Dank baute ihm die Stadt Athen den Hadriansbogen. Der Tempel hat 8 an der kurzen sowie 22 mit Akanthusblättern verzierte Säulen an der langen Seite im Korinthischen Stil. Die Propyläen – Eingang mit vier Säulen – sind nach Osten ausgerichtet, damit die ersten Sonnenstrahlen des Tages das Tempelinnere erhellen.
Zwei Flüsse trafen an dieser Stelle zusammen. In christlicher Zeit beteten die Anwohner in einer kleinen Kapelle um ausreichend Wasser. Darüber hinaus ließ der Wasserreichtum Bäder entstehen. Funde eines recht luxuriös ausgestatteten Bades lässt die Schlussfolgerung zu, dass es sich um das private Bad von Kaiser Hadrian handeln könnte.
Das Panathinaiko-Stadium (-Stadion)
Diese hufeisenförmige Arena wurde 330 v. Chr. von Lykurg erstmals angelegt. Damals konnte die Anlage während der panathenäischen Spiele 6.000 Menschen aufnehmen. Allen Einwohnern Athens war es gestattet, an diesen Spielen teilzunehmen. 12 Tage dauerten diese an und währenddessen herrschte im ganzen Land Waffenruhe.
140 n. Chr. belebte Herodes Atticus das Stadion neu. Zur Aufführung von Gladiatorenkämpfen passte er das Stadion an und ließ Sitzbänke aus Marmor fertigen. Es ist das einzige Stadion, welches komplett aus Marmor gebaut wurde.
1870 fand der Architekt Ernst Ziller die Rudimente. Anschließend erfolgte eine spendenfinanzierte Restaurierung, die mit der Austragung der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 ihren Höhepunkt feierte. Im hinteren Teil des wiederaufgebauten Stadions legten die Architekten einen Tunnel an. Wenn die Athleten durch ihn hindurch ins Stadion einliefen, entbehrte dieses nicht einer gewissen Dramatik.
Der alljährlich stattfindende Athen-Marathon endet noch heute im Panathinaiko-Stadium (-Stadion). Mit 16 Tausend Zieleinläufen ist es die größte Veranstaltung dieser Art in ganz Südeuropa. Neben der Hauptstrecke, die traditionell im 42 Kilometer entfernten Marathon beginnt, können auch kürzere Distanzen von 5 oder 10 Kilometern zurückgelegt werden.
In ganz Athen herrscht während des Marathons Volksfeststimmung. Die unterschiedlichsten Nationen versammeln sich im Angesicht des sportlichen Wettkampfs, ganz dem olympischen Gedanken folgend.
Lykeion des Aristoteles
Ein schöner Spaziergang durch den Nationalgarten verbindet das Panathinaiko-Stadium (-Stadion) mit der Philosophenschule. Den ehemaligen königlichen Garten legte man nach Vorschlägen von Königin Amalie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an.
In dem üppigen Grün des öffentlichen Parks verhallt der Straßenlärm der Stadt. Es ist eine idyllische grüne Lunge auf 15,5 Hektar mit einem Teich, Ruinen sowie einem Botanischen Museum. Am Museum verlässt man den Garten und trifft an der Straße des Herodes Atticus auf die Evzonen. Jene Elitesoldaten bewachen in dieser Straße das Büro des griechischen Ministerpräsidenten.
Das Lykeion des Aristoteles entstand im 5. Jahrhundert v. Chr. als offenes Gymnasium. Es war die philosophische Schule des Aristoteles. Der 334 v. Chr. geborene Aristoteles kam mit 17 Jahren aus Nordgriechenland nach Athen mit dem Ziel, ein Studium bei Plato zu beginnen. Später war er über 12 Jahre Lehrer von Alexander dem Großen.
Der Unterricht fand im Freien statt. Es entstanden mehrere Gebäude, die als Bäder oder Bibliothek Nutzung fanden. Sportanlagen und ausgedehnte Bankreihen waren ebenfalls vorhanden. Neben dem geistigen Ansporn, galt dieser Ort auch der körperlichen Ertüchtigung.
Die Epheben – junge Männer, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten – rieben ihre Haut vor dem Sport mit Olivenöl und Sand ein. Anschließend schabten sie den mit Schweiß vermischten Belag mittels eines Kupfermessers ab, um diesen Asklepios, dem Gott der Medizin, zu opfern.