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Die größte Insel der Erde kennt jeder, doch wenn es um die weltweit größte Süßwasserinsel geht, geraten viele ins Stocken. Des Rätsels Lösung heißt Manitoulin Island, die in Kanadas Lake Huron zu finden ist. Dieses idyllische Fleckchen Erde ist nicht nur wegen der traumhaften Landschaft eine Reise wert, sondern auch wegen der geschichtsträchtigen Vergangenheit.

Seit 1913 verbindet die Little Current Swing Bridge das Festland mit der Manitoulin Island. Ganz früher galt die Spirit Insel als so heilig, dass man nur kurz mit dem Kanu vorbeischaute, um Medizin zu sammeln
Seit 1913 verbindet die Little Current Swing Bridge das Festland mit der Manitoulin Island. Ganz früher galt die Spirit Insel als so heilig, dass man nur kurz mit dem Kanu vorbeischaute, um Medizin zu sammeln / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Unceded Indian Reserve

Hier befindet sich Wikwemikong, das einzig offiziell anerkannte indigene Territorium in Kanada, das nie abgetreten wurde. Mit regelmäßigen Zinsen wollte die Krone die Indigenen im östlichen Teil von Manitoulin Island locken, ihr Land zu verkaufen. Was vielen von uns erst durch einen 80er-Jahre Aufkleber bewusst wurde, der als Weissagung der Cree seine Runden machte, war der Three Fires Confederacy schon im 19. Jahrhundert bewusst: Geld kann man nicht essen. Es gab genug zum Jagen, Fische waren auch reichlich vorhanden und der Deal wurde erfolgreich abgewehrt.

Frischer Lachs, Wild und Minze wächst, lebt und schwimmt direkt vor der Haustüre
Frischer Lachs, Wild und Minze wächst, lebt und schwimmt direkt vor der Haustüre / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Sprachverlust durch Residential Schools

Zwar behielten die First Nations ihr Reservat, doch das durften sie nicht ohne wichtigen Grund verlassen. Wollten sie Teil der kanadischen Community sein, mussten sie ihren indigenen Status abgeben. Auch wenn sie das nicht gar wollten, hatte die Regierung andere Pläne. Mit Einzug der Residential Schools wurden massig Kinder der indigenen Völker aus ihren Familien gerissen, um sie in einem Internat abseits der Reservate ihrer Sprache und Kultur zu berauben. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Schulen unter dem Deckmantel des „Zivilisierungsauftrags“ bis 1996 existierten.

In Wiikwemkoong stand eine der ersten Internatsschulen im Gebiet der Großen Seen. Diese Ruine erinnert an ein düsteres Kapitel der kanadischen Geschichte
In Wiikwemkoong stand eine der ersten Internatsschulen im Gebiet der Großen Seen. Diese Ruine erinnert an ein düsteres Kapitel der kanadischen Geschichte / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Back to the roots im Haus der Sprachen

Seit kurzem gibt es auf der Insel ein privat finanziertes Sprachenhaus, in dem alle Betroffenen und Wissbegierigen willkommen sind. In einer geschützten Umgebung wird hier bei Suppe und Stew die Erhaltung und Wiederbelebung der eigenen Kultur und Sprache angeboten. Das ist auch dringend nötig, denn in vielen Fällen sind nur noch die „Elders“ ihrer Sprache mächtig. Deren Kinder waren Leidtragende der Residential Schools und so umgepolt, dass sie der nächsten Generation untersagten, Anishinaabemowin zu sprechen. Damit die Sprache nicht ausstirbt, wird sie nun wieder vermehrt in Schulen unterrichtet.

Osawamick G'Tigaaning ist ein Ort, an dem man in die Sprache und Kultur eintauchen kann
Osawamick G’Tigaaning ist ein Ort, an dem man in die Sprache und Kultur eintauchen kann / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Tourismus hält Einzug in Wiikwemkong

Trotz dieser traumatischen Ereignisse haben sich die Ojibwe, Odawa, und Pottawatomi vor 20 Jahren erstmals dazu entschlossen, Touristen auf ihrem Land mehr zu bieten als den jährlich stattfindenden Pow Wow. Besucher bekommen heutzutage einen Einblick in die authentische indigene Lebensart, im Gegenzug entsteht den Gastgebern dadurch die Möglichkeit, ihre Geschichte zu verbreiten, aufzuklären und Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Dafür wurden sie unter anderem mit dem Indigenous Adventure Award ausgezeichnet. Mittlerweile ist der Tourismus in den Sommermonaten die Einnahmequelle Nummer 1.

Ein Ausflug mit dem Boot führt Besucher auf der Suche nach Adlernestern vorbei an pittoresken Wasserwegen, die entlang der Georgian Bay verlaufen
Ein Ausflug mit dem Boot führt Besucher auf der Suche nach Adlernestern vorbei an pittoresken Wasserwegen, die entlang der Georgian Bay verlaufen / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Das Tanzbein schwingen mit den Rolling Thunder Dance Traditions

Auch heute kommen Besucher noch in Berührung mit dem eindrucksvollen Spektakel namens Pow Wow. Während ein aus mehreren Männern bestehender Trommelkreis für die Beats und den Gesang sorgt, fegen die Tänzer/innen in ihren Regalia (und wehe dem, der das ein Kostüm nennt) flink, elegant und imposant über die Showbühne. Der Wow-Faktor steht den Zuschauern ins Gesicht geschrieben, ob man sich bei der Aufforderung zum Mittanzen ähnlich bewegen kann, immerhin befindet sich ein World Champion Dancer unter der Crew, ist eher fraglich.

Bis Anfang der 2000er Jahre war der Pow Wow, bei dem die Teilnehmer stolz ihre Stammeszugehörigkeit präsentieren, eines der einzigen Besuchererlebnisse in Wikwemikong
Bis Anfang der 2000er Jahre war der Pow Wow, bei dem die Teilnehmer stolz ihre Stammeszugehörigkeit präsentieren, eines der einzigen Besuchererlebnisse in Wikwemikong / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Animismus und die Sieben Lehren der Großväter

Die Reise führt auch zu einem traditionellen Wissenshüter. Der erzählt an einem Lagerfeuer vom indigenen Glauben: der Entstehungsgeschichte, dem Schöpfer und den sieben heiligen Lehren, die aus Tugenden bestehen. Jede Tugend ist einem Tier zugeordnet. So wird die Bescheidenheit mit dem Wolf verbunden, denn um zu überleben, muss der seinen Rang im Rudel kennen. Die Befolgung der Lehren hilft den Anishinaabeg, sich ethisch zu verhalten und ihre Zeit auf der Erde produktiv zu nutzen. In ihrem Glaubenssystem haben alle Dinge eine Seele und einen Spirit, weshalb sehr respektvoll mit der Natur umgegangen wird.

Am Bebamikawe Memorial Trail informiert Brian Peltier über die Lehren der Midewin und spricht vor den Clan-Symbolen über die Geschichte der Schöpfung
Am Bebamikawe Memorial Trail informiert Brian Peltier über die Lehren der Midewin und spricht vor den Clan-Symbolen über die Geschichte der Schöpfung / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Clansystem und Tabakgaben

Jeder Mensch hat Grundbedürfnisse wie Nahrung, Schutz, Bildung, Medizin und Führung. Daher wurden sieben Clans gegründet, die auch wieder durch unterschiedliche Tiere repräsentiert werden. Zum Vogel-Clan gehören spirituelle Menschen. Der Huf-Clan gilt als sanftmütig und kümmert sich um die Gemeinschaft. Zum Wandern nimmt man am besten einen Bären mit, denn die wissen genau, welche Wurzeln, Rinden und Pflanzen als Medizin geeignet sind. Der erklärt einem dann, dass Zugehörige vom Stamme Nimm nicht einfach in den Wald marschieren und Pflanzen pflücken sollten. Alles hier ist ein Geben und Nehmen. Deshalb wird Tabak als Zeichen des Respekts und als Opfergabe genutzt. Bietet man einer Pflanze Tabak an und erklärt, warum man da ist, gibt diese die Information laut spirituellem Glauben an andere Gewächse weiter.

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus: Bevor man Planzen sammeln geht, muss jeder etwas Tabak verstreuen und Mutter Natur seine Intention verraten
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus: Bevor man Planzen sammeln geht, muss jeder etwas Tabak verstreuen und Mutter Natur seine Intention verraten / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Kein Abschied für immer

Am Ende der viertägigen Tour versammeln sich alle Teilhabenden in einem Kreis, dem sogenannten Closing Circle, um das Geschehene Revue passieren zu lassen. Jeder teilt in dieser intimen Runde seine prägnantesten Erfahrungen dieses Trips, erzählt kleine Anekdoten oder beschreibt, wie schwer die historische Seite zu verdauen ist. Tabak und Medizin tauschen die Besitzer und während der Zeremonie bleiben nicht alle Augen trocken. Am Schluss bedanken sich beide Seiten in der Sprache der Gastgeber beieinander. Miigwetch heißt das. Oder chi miigwetch, wenn man der Danksagung Nachdruck verleihen will. Alle entscheiden sich für letztere Version, denn das hier Erlebte war einzigartig und wird garantiert einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Es ist kein Abschied für immer, denn dieses Wort existiert nicht im Vokabular der Wiikwemkoongs. Wir alle werden uns wiedersehen, in diesem oder im nächsten Leben
Es ist kein Abschied für immer, denn dieses Wort existiert nicht im Vokabular der Wiikwemkoongs. Wir alle werden uns wiedersehen, in diesem oder im nächsten Leben / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

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