Ein Anachronismus ist auch die „Pearl Seaways“ selber. Gebaut 1989 als „Athena“ für die Viking Line, fuhr sie nur vier Jahr lang für ihren ersten Eigner in der Ostsee. Die folgenden acht Jahre verbrachte sie als Kurzkreuzfahrtschiff in Fernost, wo ihr Autodeck ohne große Skrupel zu einem Kasino umgebaut wurde. Doch dann geschah das Ungewöhnliche: DFDS kaufte das Schiff und ließ es wieder in eine Fähre zurückbauen. Seit über 20 Jahren ist die ehemalige „Athena“ nun schon wieder in der Ostsee im Einsatz – seit 2011 unter dem. Namen „Pearl Seaways“. Ein Ende? Nicht in Sicht.
Verbringen dürfen wir die Minikreuzfahrt in einer Commodore Class-Kabine auf Deck 10. Ausgestattet mit einem gekachelten Bad, einem großen Doppelbett, einem Tisch mit zwei Ledersesseln und einem Flachbildfernseher an der Wand, ließe es sich hier auch locker eine Woche aushalten, doch ein wenig haben die letzten knapp 35 Jahre hier dann doch ihre Spuren hinterlassen – Narben diverser Partykreuzfahrten zwischen Finnland und Schweden, im südchinesischen Meer und nicht zuletzt zwischen Kopenhagen und Oslo selber.
Bunter Passagier-Mix
Die Reederei-Tradition ist an Bord allgegenwärtig. Vor dem „Blue Riband“-Restaurant auf Deck 8 steht ein riesiges Modell des Dänemark – Amerika-Dampfers „Hellig Olav“, gleich dahinter entlang einer breiten Promenade eines der ehemaligen Kopenhagen – Oslo-Fähre „Kong Olav V“ und gegenüber dem „Little Italy“ schließlich solche der „Aalborghus“ (1936) und der „Kronprins Olav“ (1937). Die beiden letzteren fuhren in ihren letzten Dienstjahren zwischen Oslo und Frederikshavn – jenem Hafen, in dem auch wir heute Abend noch einen Zwischenstopp einlegen werden. DFDS hat ihn während der Corona-Pandemie eingeführt, kurz nachdem eine andere Reederei die Route Frederikshavn – Oslo aufgegeben hatte.
Der Passagier-Mix auf der Linie Kopenhagen – Oslo ist traditionell bunt. An diesem April-Nachmittag mischen sich eine französische Schulklasse und eine japanische Reisegruppe unter die Pärchen und Einzelreisenden aus Dänemark, Schweden und Norwegen, die auf der „Pearl Seaways“ wahlweise ihre Klassenfahrt, eine Mini-Cruise oder einfach nur eine lange Fahrt von A nach B verbringen. Doch auch Konferenzräume gibt es an Bord, selbst Tagungen sind also im Rahmen einer ein- oder zweitägigen Seereise auf der Hauptstadt-Route möglich. Nur im Sommer nicht, da wird das Konferenzzentrum auf Deck 11 traditionell zum „Pirate Island“.
Zwischenstopp in Frederikshavn
Ansonsten stehen den Gästen an Bord noch mehrere Bars, der große „Sea Shop“ und die „Bubble Zone“ zur Verfügung – ein zuzahlungspflichtiger Innen-Swimmingpool nebst Whirlpools vorne auf Deck 6. Langeweile kommt auf diesem Schiff also nicht auf. Um 19 Uhr betritt im Columbus Club die Band „Accent“ die Bühne, und im Navigator Pub nebenan macht sich der Troubadour an die Arbeit an Gitarre und Mikrofon. Wenn es draußen dunkel wird, tauen die Skandinavier drinnen auf – egal ob in den Bars von Kopenhagen und Oslo oder an Bord der Schiffe, die die beiden Metropolen miteinander verbinden.
Als die Band im Columbus Club bei den Greatest Hits von Abba angekommen ist, hat Kapitän Grønnegaard auf der Brücke längst das Ruder für den bevorstehenden Zwischenstopp in Frederikshavn übernommen. Pünktlich um 23:30 Uhr passiert sein Schiff die Mole und steuert den Anleger an. Zum Manövrieren bleibt der „Pearl Seaways“ in diesem Teil des Hafens wenig Platz, und unterm Kiel sieht es nicht anders aus. Auf der Kommandobrücke erfordert das Anlegemanöver daher vollste Konzentration. Von 23:45 Uhr bis 23:55 Uhr dauert der kurze nächtliche „Spuk“ in Frederikshavn, dann legt die „Pearl Seaways“ wieder ab und nimmt endgültig Kurs auf Oslo.
Frühstück mit Fjordblick
Doch egal, ob jemand auf der Hauptstadt-Linie in Kopenhagen, Frederikshavn oder Oslo an Bord gegangen ist, er kann am nächsten Morgen in jedem Fall ausschlafen. Ankunft ist sowohl in der dänischen als auch in der norwegischen Hauptstadt um 10 Uhr, das lässt in Gegensatz zu anderen Fährlinien in Skandinavien genug Zeit für ein Frühstück. Auf der morgendlichen Fahrt nach Oslo können die Passagiere der „Pearl Seaways“ ihre Mahlzeit ab 7 Uhr vor dem malerischen Panorama des Oslofjords einnehmen.
Als das markante Osloer Rathaus und die Festung Akershus in Sicht kommen, heißt es jedoch, Abschied zu nehmen von Kabine 10108, von den vielen schönen Schiffsmodellen und einer Fährlinie, die es wie auch immer von 1866 bis ins Jahr 2023 geschafft hat. Es mag inzwischen schnellere und billigere Wege geben, von Dänemark nach Norwegen zu kommen, sicherlich aber keinen schöneren als das Nachtschiff der DFDS.
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