Pays d’Oc ist die größte der sieben Regionen Frankreichs, die ein stattliches Produktionsvolumen von IGP-Weinen vorweisen können. Und auch weiterhin schwimmt Pays d’Oc mit auf der Rosé-Welle. Doch neben jenen rosafarbenen Bonbon-Weinen tun sich spannende Entdeckungen auf, die mit Komplexität und Länge zu einem ungeahnten vinophilen Erlebnis werden. In diesen Weinstilen zeigt sich eher das Vertrauen in die Rebsorte als in die Bekanntheit des Anbaugebiets. So bringen mit den insgesamt 58 zugelassenen Rebsorten ambitionierte Winzer die „Liberty of Style“ der Landweine aus dem Pays d’Oc zum Ausdruck.
Pays d’Oc – Südfrankeichs Weinvielfalt
Man kennt sie hinlänglich, diese Vorurteile: Landwein, Massenmarkt, Easy Drinking. Doch von wegen! Ähnlich wie sich im Bordelaise junge Winzer auf den Weg machen, neben dem klassischen Triumvirat für den Reifekeller neue, jung trinkbare Stile zu entwickeln, findet man im Pays d’Oc Weine mit Tiefe und Komplexität.
Allerdings braucht man nicht nur bei den jungen Wilden zu schauen, die bekanntermaßen zur Experimentierfreude neigen. Auch Traditionsgüter entwickeln Ideen, die als trinkbare Passion die Weinwelt bereichern. Diese Weine von besonderen Rebsorten zeigen das Terroir Südfrankreichs zwischen Pyrenäen und Camargue. Sie lassen Träume von dem endlosen Strand der südfranzösischen Küste zu oder von der waldreichen Seenlandschaft des Pays d’Oc, in deren Kulisse viele weinselige Geschichten entstanden sind und entstehen werden.
Entdecken wir in Sorten wie Bourboulenc und Colombard, Rolle und Roussanne, Muscat de Hambourg und Malbec, Cinsault, Alicante Bouschet und Petit-Verdot die Prise Südfrankreichs, die uns mitreißt, das Leben zu feiern.
Reinsortiges Pays d’Oc
Celliers des Demoiselles – Bourboulenc 2023
Neben den mannigfaltigen Cuvées vertrauen einige Winzer auf die Kraft von Rebsorte und Boden, und das zu einem guten Preis-Genuss-Verhältnis. Ein Beispiel dafür wäre der Cellier des Demoiselles. Glücklicherweise konnte diese Kooperative den Weinbau recht unbeschadet durch beide Weltkriege retten. Die 160 Mitglieder bewahren mit ihren Stilistiken den Namen der Kooperative, der eine Hommage an die jungen Frauen ist, die in Abwesenheit ihrer Männer für das Fortbestehen der Winzergemeinschaft sorgten.
Weine voller floraler Aromen entstehen bei Cellier des Demoiselles, wie der Bourboulenc 2023. Diese sehr alte weiße Rebsorte gedeiht bereits seit Jahrhunderten im Süden der Grande Nation. Immerhin werden hier 650 Hektar mit ihr kultiviert. Allerdings findet man sie nur selten reinsortig abgefüllt. Umso spannender ist die Verkostung dieses 100-prozentigen Bourboulenc, der mit seinem Bouquet von Birne und Holunder betört. Die für die Rebsorte typische Birnenfrucht zeigt sich erneut am Gaumen, die mit ihrer naturgegebenen Säure den Mund füllt. Mit einem Alkoholgehalt von 11 % Vol. gehört er in die Sparte der Sommerweine, die man leichtfüßig während eines Mittagessens am tiefblauen Meer genießt.
Domaine de l’Herbe Sainte – Colombard 2023
Freunde eines guten Cognacs werden jetzt die Ohren spitzen. Denn die Rebsorte Colombard galt als eine der besten zur Herstellung von Cognac und Armagnac. Heute erlebt sie weltweit, insbesondere in Kalifornien und Südfrankreich, ein Revival, doch eher als Verschnittpartner. Umso erfreulicher ist es, einen puren Colombard zu kosten.
Die Domaine de l’Herbe Sainte hat sich auf den Weg gemacht, mit moderner Kellertechnologie samt gekühlter und langsamer Fermentation einen lebendigen, frischen Wein auf den Markt zu bringen. Der Nase schmeicheln Noten von Pfirsich und Zitrone, während seine feine Säure mit dem Gaumen spielt. Birne und eine sanfte Würze machen diesen 100-prozentigen Colombard zu einem komplexen Wein, den man sich als Begleiter an schwülen Sommertagen wünscht.
Domaine Villepeyroux Forest – Roller Coaster 2023
Der Name „Roller Coaster“ ist eine schöne Analogie zum Namen der Rebsorte, die hier zu 100 Prozent vinifiziert wurde: „Rolle.“ Die aus Spanien stammende Sorte findet weltweit Verbreitung. Ihr bekanntestes Synonym ist wohl Vermentino, wie sie auch im Osten der Provence bezeichnet wird. Erkennbar ist die spätreife Sorte an dem stets bitteren, mineralischen Unterton.
Weshalb entschied man sich bei Villepeyroux Forest wohl für diesen Namen? Wer’s probiert, wird’s erfahren, denn der Wein fährt mit dem Gaumen Achterbahn. In dem goldgelben Wein sind bereits Noten von Wiesenkräutern, allen voran Verbene festzustellen. Umschmeichelt werden sie von Aromen reifer Äpfel und Ananas. Und dann: Frische pur! Mit Leichtigkeit rollt der Goldige über die Zunge. Mal geht die wilde Fahrt hinauf zu gelben, reifen Äpfeln und dann hinunter zu herben Wiesenkräutern. Alles perfekt eingebunden in einer strammen Säure. Die Fahrt dauert lange, bei jedem Schluck – Gaumen und Genießer freut’s!
Domaine Calmel & Joseph – Le Penchant 2022
Wir wenden uns der Sorte Roussanne zu, die sich im opulenten Potpourris an Rebsorten recht rar macht. Ihre Heimat hat sie hauptsächlich im Languedoc-Roussillon, welches zum Anbaugebiet Pays d’Oc gehört, sowie an der nördlichen Rhône. Natürlich mag die frühreife Sorte mit der rotgefärbten Beerenhaut das mediterrane Klima. Die geringen Temperaturschwankungen sind besonders beliebt.
Bei Calmel & Joseph wird biologisch gearbeitet. Zügig gelangen die Trauben nach der Lese zur Presse. Die Gärung erfolgt temperaturkontrolliert und endet mit einer Reife auf der Feinhefe im Zementei. Schon die Nase vernimmt die Vielschichtigkeit des Weins. Laktische und zitrische Noten vereinen sich mit einem Kräutersud. Neben der geschmeidigen Cremigkeit verhelfen die unglaubliche Frische sowie die Komplexität zu einem angenehmen Mundgefühl, das persistent den Gaumen verwöhnt.
Domaine Les Yeuses – Rosé Muscaté 2023
Da hat er sich hineingeschlichen, dieser kaltmazerierte Rosé! Für jene Holunderblüten-Rosen-Bombe verwenden die Weinmacher bei Les Yeuses die Musca-de-Hambourg-Traube. So dunkel wie die Beere selbst ist auch die Herkunft der roten Rebsorte. Da die Früchte der ertragreichen Sorte eher als Tafeltrauben verkauft werden, hat man bei Les Yeuses einige vor dem Vernaschen gerettet.
Mit 13,5 % Vol. gilt der Rosé Muscaté nicht unbedingt als leichter Bursche. Dennoch machen ihn seine frische Säure samt der kräutigen Nuancen sowie seine Würze zu einem idealen Begleiter typischer mediterraner Speisen.
Les Jamelles – Malbec 2022
Kommen wir zu dem Mann mit den tausend Namen, zum Malbec. Die alte Rebsorte ist ein waschechter Franzose, der seine Sprösslinge mittlerweile über die ganze Welt verteilt hat. Früher gestand man ihm immer das große Holz oder das Barrique zu. Heute darf sich Herr Kienzheim von seiner verspielten Seite zeigen und die Frucht in den Vordergrund stellen.
Leider ist Malbec im Languedoc nicht mehr so häufig anzutreffen. Daher können sich die Winzer mit den Weinliebhabern gemeinsam über einen ausdrucksstarken Tropfen der nunmehr 30 Jahre alten Reben des Hérault freuen. Aus dem Glas steigt ein Duft von Pflaume, Blaubeere und nassem Graphit auf. Und dann diese präsente Frucht am Gaumen: Brombeere und Heidelbeere – jene Früchtchen sind frisch und präsent, aber niemals aufdringlich, sondern gipfeln mit den Gewürznoten und den weichen Tanninen in ein großes Finale – geschlafen wird später!
Domaine Combe Blanche – Cinsault d’Enfer 2021
Hier finden wir ein weiteres geschmackliches Husarenstück aus dem Pays d’Oc. Wir reden über die Rebsorte Cinsault. Sie ist der Stoff, aus dem eigentlich die rosa Bestseller-Träume sind. Allerdings kreiert die Domaine Combe Blanche einen Soloauftritt in Rot für die ursprünglich aus der Provence stammende Rebsorte. In der Hitze und Trockenheit des Languedoc fühlt sie sich pudelwohl. Sie dankt es der Sonne Frankreichs mit süßen, großen Beeren, aus denen sich fabelhafte Weine voller Finesse zaubern lassen.
In diesem Roten schmecken wir nicht nur die Sonne, sondern auch den Boden des Languedoc. Eine ganze Kräuterwiese tut sich auf, erdige und ledrige Noten haben ebenfalls ein Mitspracherecht. Persistent am Gaumen mit einer passgenauen Dosis an Tanninen öffnet sich der Cinsault d’Enfer 2021 von ganz allein als Begleiter von würzigen Pastagerichten oder rosagegartem Tafelspitz.
Domaine Viranel – Arômes Sauvages 2020
Erneut treffen wir auf eine typische Verschnittpartnerin – Alicante Bouschet. Bei der Domaine Viranel stellt man sie jedoch auf eigene Füße, um die Herzen von Weinliebhaber im Sturm zu erobern. Diesem Weinbaubetrieb liegt die Darstellung der Rebsorte in Reinform am Herzen. Verbannt in die Schmollecke der Färbesorten darf sie sich endlich einer verschämten Geliebten gleich in der Öffentlichkeit zeigen.
Auf der Feinhefe im Zementei reduktiv ausgebaut, betört sie mit einem Parfüm aus Kirsche und schwarzer Olive. Wer die Dame kostet, begeistert sich an ihrem festen Körper mit den kräftigen Tanninen. Schwarzer Tee, Salbei, Rosmarin – es ist wie ein ausgedehnter Waldspaziergang, den man gar nicht beenden mag.
Bruno Andreu – PURE Petit-Verdot 2021
Petit-Verdot – der kleine Grünling des Familienweinguts Bruno Andreu zeigt sich so ganz allein von seiner Schokoladenseite. Doch nicht nur Schokonoten und Lakritz schwingen in der Nase. Ebenfalls präsent ist eine deutliche Himbeerfrucht, an deren Fersen sich der Duft von mediterranen Kräutern geheftet hat. Nicht mehr grün hinter den Ohren haut der Petit-Verdot vollmundig mit strammen Tanninen auf die Geschmackspauke. Ein Hauch von Mokka macht sogar Liebhaber von schwarzem Kaffee glücklich.
Bei Bruno Andreu werden je nach Jahrgang 1.500 bis 3.000 Flaschen dieses eleganten Petit Verdots hergestellt. Die 12 Monate Reife im Barrique stehen der recht schwierig zu vinifizierenden klassischen Bordeaux-Sorte gut zu Gesicht. Mit Bravour gemeistert, Familie Andeu!
Liberty of Style
Welcher Weinstil passt zu mir? Die Antwort auf diese Frage ist mit der althergebrachten Methode „Trial & Error“ gut feststellbar. Das Pays d‘Oc mit seiner Vielfalt an Rebsorten und Möglichkeiten ihrer Vinifizierung ist geradezu prädestiniert für mutige Verkostungen. Auf Frankreichs größter IGP-Anbaufläche können die Winzer reinsortige (monocépage) Weine produzieren, Weine aus zwei unterschiedlichen Rebsorten (bicépage) oder Cuvées aus mehreren Sorten herstellen. Dabei sind weder Anzahl noch Anteil der Rebsorten vorgeschrieben. Experimente und Freiheit sind Motoren jeglicher Entwicklung. Das Pays d’Oc kann mit jenem Freisinn nicht nur seine Identität wahren, sondern Trends setzen und Menschen mit seinen Weinen begeistern.
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