Mit der am 4. September 2015 eröffneten Grimmwelt setzt Kassel den Brüdern Grimm ein Denkmal, das ihrem Verdienst um die deutsche Sprache gerecht wird. Die Stadt, in der sie einen bedeutenden Teil ihres Lebens verbrachten und ihre wichtigsten Werke schufen, gilt als zentrale Wirkungsstätte der Grimms und als Geburtsort ihrer berühmten Märchensammlung.
Und Gott sei Dank ist die Grimmwelt keine klassische Märchenausstellung, sondern eine moderne, interaktive Erlebniswelt, die verschiedene Aspekte der Brüder beleuchtet. So werden neben den berühmten Kinder- und Hausmärchen auch ihre sprachwissenschaftlichen Arbeiten, darunter das Deutsche Wörterbuch, thematisiert. Besucher können durch digitale Installationen, Hands-on-Stationen und Kunstwerke in die Grimmsche Welt eintauchen. Zudem verbindet die Ausstellung traditionelle Inhalte mit zeitgenössischer Kunst und modernem Design in einem preisgekrönten, architektonisch ausgefeilten Gebäude.

Der Kasseler Weinberg wird zum Grimm’schen Tummelplatz
Von dem auffälligen Höhenrücken, dem Weinberg, genießt man einen wunderbar weitläufigen Blick über die Südstadt und die Karlsaue, durch die sich die Kleine Fulda schlängelt. Um den Radius des Blicks zu erweitern, steigt man flink die Treppen des terrassenartigen Baus der Grimmwelt empor. Vor den Augen liegt nun das Land, in dem Märchenerzählerinnen wie Dorothea Viehmann zu Hause waren.


Wie die Anhöhe selbst besteht die Fassade der Grimmwelt ebenfalls aus Muschelkalkstein, sodass sie sich fast organisch in die Umgebung einfügt. Für die Verwendung des lokalen Gesteins erhielt das federführende Stuttgarter Architekturbüro kadawittfeldarchitektur den Deutschen Natursteinpreis. Doch nicht nur die Hülle der Ausstellung ist besonders imposant.

Im Inneren offenbart sich ein Museum in einer modernen, minimalistischen Gestaltung, aus nachhaltigen Materialien und mit einer durchdachten Funktionalität. Mehr als gelungen ist diese Hommage an Jacob und Wilhelm Grimm, die Sprachforschung und Märchenkultur mit modernen Kunstinstallationen verbindet. Kein Wunder, dass dafür bei den Iconic Awards 2016 der Preis für visionäre Architektur gewonnen wurde.

Die Grimmwelt in Kassel oder wie man Sprachforschung anschaulich nahebringt
Man geht durch Gedankeneinheiten, bewegt sich von einem Buchstaben zum anderen und sieht Jacob und Wilhelm Grimm bei ihrer an Besessenheit grenzenden Arbeit zu. Klein- und kleinstverfasste Notizen auf sparsam beschriebenen Papierfetzen zeichnen ein Bild der Leidenschaft für Sprache und nicht zuletzt für das Sammeln. Heute würde man beide wohl als Nerds bezeichnen: versessen, akribisch und brillant zugleich.

Die Ausstellung thematisiert ihr „Deutsches Wörterbuch“, an dem sie ab 1838 arbeiteten. Für jedes „aufgeschnappte“ Wort suchten sie Belege und Beweismittel, um auch dessen Etymologie, historische Entwicklung und literarische Verwendung zu dokumentieren und es schlussendlich in ihrer Sammlung wissenschaftlich fundiert aufzunehmen. Doch die Sorgfalt macht die Zeit zum Dieb. Dies symbolisiert die Kunstinstallation „Das letzte Wort“. Ihr Lebenswerk endete für sie beim Buchstaben D. Erst 1961 konnte das „Deutsche Wörterbuch“ mit 320.000 Einträgen in 33 Bänden vorläufig fertiggestellt werden.

Dank des innovativen Ausstellungskonzepts macht die Grimmwelt Kassel das Vermächtnis der Brüder Grimm lebendig, greifbar und interaktiv. Während die Besucher durch ein überdimensionales Glossar wandeln, wird das Leben und die Arbeit der Brüder Grimm erfahrbar. Stellvertretend für jeden Buchstaben des Alphabets steht ein Wort. So findet man beispielsweise beim Buchstaben H die Holzwurzel, da die Brüder ihre Arbeit als „Wurzelforschung“ beschrieben.


Hinter dem Buchstaben B verbirgt sich das Wort Buch. Hier staunt man nicht schlecht über die Anzahl der Publikationen und das weltweite Netzwerk von Jacob und Wilhelm. Ihr Leben war keineswegs linear und eindimensional. Das wird in ihrem persönlichen Wörterbuch, nämlich in der Ausstellung selbst als begehbare Buchinstallation, deutlich. Und selbstverständlich darf ein Verweis zu den Kinder- und Hausmärchen nicht fehlen – D wie Dornenhecke: „Es war einmal …“ Wem klingt dieser Satz nicht in den Ohren?

Brüder Grimm – Märchen, Kunst und Sprache
Sprache facettenreich und geschickt anzuwenden, ist schon eine Kunst für sich. Wer nutzt noch Worte wie Erzählenhören und Froteufel, Dorfkalmäuser und Liebebethört, Suppengöttin und Zuspätwisser? Diese schönen Worte verkörpern die Entwicklung unserer Sprache in unterschiedlichen Melodien, deren Klangband die Brüder Grimm vereinten. Als Bindeglied kommen hierbei die Märchen ins Spiel. Es waren Erzählerinnen wie Dorothea Viehmann oder die Schwestern von Droste-Hülshoff, die als Zuträgerinnen Märchen als gesprochene Worte beisteuerten.



Und auch dem märchenhaften Vermächtnis der Brüder setzt man in der Grimmwelt ein Denkmal. Man tritt ein in den Zauberwald oder in das Knusperhäuschen, schaut dem Wolf im Bett der Großmutter beim Schlafen zu oder wirft einen Blick in den sprechenden Spiegel. Hier werden die Besucher auf einer spielerischen Ebene abgeholt – und nicht nur die Jüngsten. Das Kino mit einem Medley aus Sequenzen verschiedener Märchenverfilmungen bietet sich gut als Verschnaufpause an, wie auch das gespannte Zuhören, wenn Rumpelstilzchen in 23 Sprachen erzählt wird.

Der Kunst des Sammelns der Brüder Grimm von Worten, die sich zu Sätzen und weiter zu Geschichten formen, stellt man zeitgenössische Kunstobjekte an die Seite, wie etwa das Documenta-Werk „Colored Roots“ des chinesischen Konzeptkünstlers Ai Weiwei.

Eine weitere Verbindung zwischen Kunst und Sprache tritt als Licht-Bilder zutage. Angefertigt hat diese filigranen Kunstwerke Alexej Tchernyi, in Kassel kein unbekannter Künstler. Seine Dioramen sind Teil der Dauerausstellung. Sie halten Momente der Entstehung des „Deutschen Wörterbuchs“ fest. Er schließt den Kreis zu den Brüdern Grimm mit dem Medium Papier, diesem damals raren Rohstoff, der essenziell für ihre Arbeit war.


Mit der Grimmwelt, der Murhardschen Bibliothek, dem Grimm-Haus an der Schönefelder Straße und nicht zuletzt mit der Lage an der Deutschen Märchenstraße schreibt die Stadt Kassel die Geschichte der Brüder weiter. Sie integriert wechselnde Ausstellungen sowie Veranstaltungen für Jung und Alt in den Kalender, um das gesprochene Wort, dem die Brüder Grimm so viel Wert beimaßen, lebendig zu halten.

Übernachtungstipp: Hotel Renthof Kassel
Es kann mit Fug und Recht behauptet werden: Das Hotel Renthof in Kassel ist als historisches Kleinod das gemütlichste, zentral gelegene Hotel in der Documenta-Stadt. Mit einem Design, das Alt und Neu geschickt verbindet, einem hauseigenen Restaurant samt Showküche und einer heimeligen Bar avancierte es zu einem beliebten Ausgangspunkt, um den Sehenswürdigkeiten von Kassel auf die Spur zu gehen.

Die Geschichte des Hauses reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Unmittelbar an die Mauern der Brüderkirche gebaut, fungierte der inzwischen denkmalgeschützte Gebäudekomplex einst als Karmeliterkloster. Über die Jahrhunderte hat das Gebäude Wandlungsfähigkeit bewiesen. Daraus ergibt sich der besondere Charme dieses einzigartigen Hotels. Seit 2017 ist der Renthof nun ein Hotel. In die stilvoll eingerichteten Zimmer kehrt man gerne nach einer ausgiebigen Kulturtour zurück und genießt die Küche, die in der Region zuhause ist.

Dieses ist ein redaktionell erstellter Artikel, der durch externe Unterstützung möglich gemacht wurde. Die Unterstützung hat jedoch keinen Einfluss auf den hier abgebildeten Inhalt. Es gilt der Redaktionskodex.