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Wer Chicago einen Besuch abstattet, trifft früher oder später auf die Kunst von Nick Cave. Die Rede ist nicht von dem australischen Musiker, sondern dem amerikanischen Bildhauer, Performancekünstler und Erfinder der Soundsuits.

Jeden Abend gibt es im Rahmen von Art on theMart Videoprojektionen mit wechselnden Artisten zu sehen
Jeden Abend gibt es im Rahmen von Art on theMart Videoprojektionen mit wechselnden Artisten zu sehen / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Ba Boom Boom Pa Pop Pop bei Art on theMart

Die ersten Eindrücke lassen sich am Merchandise Mart gewinnen. The Mart war einmal das größte Einkaufszentrum der Welt, weshalb sich die Häuserfront optimal für Projektionen anbietet. Die Vorführung findet in Einklang mit Nick Caves Ausstellung im Museum of Contemporary Art in Chicago statt. Unter dem Titel Ba Boom Boom Pa Pop Pop wurde extra für Art on theMART sein 2011 erschienener Film Drive-By neu gemastert, der in Auszügen allabendlich zu sehen ist. Statt auf Ethnien, Geschlechter und Gesellschaftsschichten sollen sich die Zuschauer bei diesem Videowerk vorzugsweise auf die Bewegungen der andersartigen Wesen fokussieren. Untermalt ist das bunte Spektakel von dringlichen Klängen, denn Nick Cave will bei seiner Thematik stets auch zum Nachdenken anregen. Die beste Sicht gibt es auf dem Chicago Riverwalk zwischen Wells und Lake Street. Im Wechsel sind dort unterschiedliche Künstler zu sehen.

Cave sagt über seine Werke, dass die Schönheit darin hilft, die dunkle Seite erträglicher zu machen. Hier eine Auswahl seiner Soundsuits im Museum für zeitgenössische Kunst
Cave sagt über seine Werke, dass die Schönheit darin hilft, die dunkle Seite erträglicher zu machen. Hier eine Auswahl seiner Soundsuits im Museum für zeitgenössische Kunst / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Forothermore im Museum of Contemporary Art

Bei Forothermore wird die die gesamte Bandbreite von Nick Cave präsentiert, auch selten gezeigte frühe Arbeiten. Auch wenn die Werke sehr unterschiedlich sind, geht es oft darum, einen Raum für jene zu schaffen, die sich von der Gesellschaft an den Rand gedrängt fühlen. Das beste Beispiel sind seine Soundsuits. Die Ganzkörperkostüme verhüllen den Träger vollständig, wodurch das Publikum ihn ob seines Aussehens oder seiner Herkunft gar nicht verurteilen kann. Die ausdrucksstarke Serie figurativer Skulpturen bietet im Gegenzug einen Raum der Sicherheit und Privatsphäre. Nachdem Cave 1992 seine erste Version einer solchen Schutzrüstung fertiggestellt und angezogen hatte, stellte er fest, dass er einen Klang erzeugen konnte, indem er sich darin bewegte. Daher der Name Soundsuits.

A-mal-gam ist die größte von Cave gestaltete Bronzefigur, die 2021 entstand und hier im MCA zu sehen ist
A-mal-gam ist die größte von Cave gestaltete Bronzefigur, die 2021 entstand und hier im MCA zu sehen ist / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Statuen, die die Verfechter des Kolonialismus und der Sklaverei ehren, sind ein alltäglicher Anblick in amerikanischen Städten. In den letzten Jahren wurden viele von ihnen entfernt, sei es durch Black Lives Matter-Demonstranten oder durch lokale Politiker. Die Beseitigung dieser Denkmäler hinterlässt leere Plattformen und die Frage, wie sie stattdessen genutzt werden können. Cave antwortet auf diese Überlegung mit einem Vorschlag: einem „Baum des Lebens“ in Form seiner größten menschlichen Bronzefigur, deren obere Hälfte mit Vögeln gefüllte Äste hervorbringt. Für Cave ist ein Baum ein Knotenpunkt der Migration, an dem sich Vogelschwärme versammeln. A-mal-gam ist sein Aufruf, historische Denkmäler für Rassismus und Hass durch solche zu ersetzen, die in die Zukunft blicken und die Verschmelzung verschiedener Kulturen und Gemeinschaften ehren.

Time and Again ist repräsentativ für Caves frühes Schaffen
Time and Again ist repräsentativ für Caves frühes Schaffen / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Time and Again, das kurz nach dem Tod seines Großvaters entstand, ist ein Vorbote seiner zukünftigen Arbeitspraxis und eine Ode an seine Familie. Cave arrangierte die Werkzeuge seines Großvaters, landwirtschaftliche Gegenstände und katholische Symbole zu einer altarähnlichen Ansammlung, um einen Patriarchen zu ehren, der zielstrebig und akribisch war. Wie auch in seinen späteren Werken verwandelte Cave einfache Gegenstände in etwas Kostbares und zelebrierte die profunden Eigenschaften alltäglicher Dinge und die familiären Werte, die auch heute noch den Antrieb für seine Kunst bilden.

Truss entstand 1999 und ist derzeit im Museum für Contemporary Art zu sehen
Truss entstand 1999 und ist derzeit im Museum für Contemporary Art zu sehen / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Wie viele der frühen Werke von Cave erinnert auch Truss an einen persönlichen Verlust. Cave konservierte dafür Arbeitshandschuhe wieder und wieder in Harz. Jeder weitere Handschuh ist ein kleiner Akt des Gedenkens, aber zusammen ergeben sie eine monumentale Sammlung von Erinnerungsstücken, die das Licht wie Edelsteine einfangen und dem Freund, den sie ehren, würdig sind.

Nicht nur der Hustle Coat wurde von Nick Cave gestaltet, auch die Tapete im MCA gehört zu seinen Werken
Nicht nur der Hustle Coat wurde von Nick Cave gestaltet, auch die Tapete im MCA gehört zu seinen Werken / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Der Hustle Coat ist eine Anspielung auf die geschäftstüchtigen Straßenverkäufer, die Replikate von Luxusschmuck anbieten. Der schwarze Trenchcoat ist mit Gold- und Silberketten, diamantbesetzten Uhren und Edelsteinverzierungen gefüttert. Ein weiteres Exemplar findet sich im 21c Museum Hotel wieder, einer zentral gelegenen Unterkunft, die Besuchern 24 Stunden lang Zugang zu den dort ausgestellten Exponaten verschafft. Die exklusive Garderobe wechselte zuletzt für 60.000 Dollar den Besitzer.

Mit dem Kunstwerk Wall Tapestry begrüßt Cave die Nacht als eine Zeit der Reflexion, der Neuerfindung und des Feierns
Mit dem Kunstwerk Wall Tapestry begrüßt Cave die Nacht als eine Zeit der Reflexion, der Neuerfindung und des Feierns / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Inspiriert von der kreativen Wiederverwendung vorhandener Kleidung und Stoffe durch seine Familie, fertigte Cave Wall Tapestry aus gefundenen Cocktail- und Abendkleidern. Für Cave evoziert das Werk das Vergnügen, in der Nacht durch dunkle Straßen zum Club zu gehen und dabei etwas Skandalöses zu tragen. Die schimmernden Perlen- und Paillettenstoffe, die zu einem monumentalen Wandteppich zusammengetragen sind, erinnern an einen nächtlichen Sternenhimmel, während die figurative Wölbung der Nähte des Kleidungsstücks an Konstellationen erinnert, die sich die Menschen seit langem am Himmel vorgestellt haben. Auf dem Tisch befinden sich 119 Köpfe aus Holz gemeinsam mit einem geschnitzten Adler. Dieses Werk stammt aus dem Jahre 2018 und trägt bislang keinen Titel, ist aber zweifelsohne sehr aussagekräftig.

Ob statisch in einer Galerie ausgestellt oder am Leib getragen: Caves Soundsuits zeigen eine visionäre Zukunft, in der Identitäten gefeiert und nicht reglementiert werden
Ob statisch in einer Galerie ausgestellt oder am Leib getragen: Caves Soundsuits zeigen eine visionäre Zukunft, in der Identitäten gefeiert und nicht reglementiert werden / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Seit über 30 Jahren wohnt Cave nun schon in Chicago und hat dort mit seinen farbenfrohen Videos, Installationen und Performances eine große Anhängerschaft gefunden. Sich mit sozialen Problemen zu befassen hat zu seiner Popularität beigetragen und ihn zu einem anerkannten zeitgenössischen Künstler gemacht.

Das Museum of Contemporary Art Chicago, wo Caves Retrospektive derzeit ausgestellt ist, ist eines der größten Museen der Welt, das sich der zeitgenössischen Kunst widmet. Ein weiteres Monument zeitgenössischer Kunst ist in Kapstadt beheimatet. Es handelt sich um das MOCAA, das Zeitz Museum of Contemporary Art Afrika. Die Ausstellungen in diesem beeindruckendem Museum beschäftigen sich ebenfalls mit gesellschaftskritischen Themen und visionären Zukunftsgedanken.

Im Chicago Architecture Center lässt sich die Ausbreitung des Feuers anhand eines Nachbaus nachstellen
Im Chicago Architecture Center lässt sich die Ausbreitung des Feuers anhand eines Nachbaus nachstellen / © FrontRowSociety.net, Foto: Yvonne Asel

Etwas Nervenkitzel in Chicago gefällig? Dann sollte es hoch hinaus aus den Willis Tower – Living on the Ledge gehen. Generell kann Chicago als Stadt der Künste bezeichnet werden. Kunstaffine Reisende übernachten gern im 21c Museum Hotel in Chicago und bewundern gleichzeitig die facettenreichen architektonischen Stilrichtungen. Genauso bunt wie die kulturellen Erlebnisse ist die gastronomische Landschaft Chicagos. Man darf sich durch aus auf ein Dinner mit Panoramablick freuen, wie auch auf ein veganes Krabbensandwich.

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