Andy Vorbusch und René Frank haben viele Jahre lang in 3-Sterne-Restaurants ihren individuellen Stil entwickelt. Die beiden Spitzen-Patissiers stehen für den Wandel in Sachen Dessert, Wandel zum Guten natürlich. Das zeigen sie ganz eindrucksvoll bei einer Premiere auf dem Rheingau Gourmet und Wein Festival. Gemeinsam schaffen sie eine völlig neue Art eines Dessert-Menüs. Auf außergewöhnliche Weise lassen Vorbusch und Frank die Grenzen von süß und salzig verschmelzen. Den Spannungsbogen eines Menüs definieren sie dabei komplett neu.
Experimentelles auf dem Rheingau Gourmet und Wein Festival 2017
Eine Symphonie für alle Sinne. Neu ist dabei auch, was man zu den sieben Menügängen trinkt: coole Drinks. Mit dem Gespür für außergewöhnliche Aromen, gehen Vorbusch und Frank auch in der Getränke-Begleitung neue Wege. Zu jedem Gang gibt es den jeweils perfekten Drink. Diese kulinarische Herausforderung wird bestens moderiert von Alexandra Rehberger, ViniCulture und Patrick von Vacano, Original Beans.
Original Beans, das Unternehmen, das neue Maßstäbe im Schokoladenhandwerk gesetzt hat, unterstützt die Patissiers bei ihrer Experimentierlust. Die jeweilige Entstehungsgeschichte der korrespondierenden Dessert-Begleiter erklärt die charmante Sommeliere von ViniCulture. Alexandra Rehberger war auch an der Entwicklung aller Getränkebegleiter maßgeblich beteiligt.
René Frank: von neuen Zeiten und reifen Früchten
Viele würden sagen, dass René Frank als Patissier schon alles erreicht hat. Er hat als Chef-Patissier bei 3-Sternekoch Thomas Bühner gearbeitet, hat zahlreiche Restaurantstationen und Auszeichnungen in der Tasche, wie Patissier des Jahres, Alain Ducasse Formation, Culinary Institute of America. Mit 31 Jahren dann der nächste Schritt, das eigene Lokal, denn die Zeit war reif für ein neues Konzept, eine Dessert-Bar. Mit dem CODA in Berlin hat er diese Idee verwirklicht und der Erfolg gibt ihm Recht. Das Dessert scheint im Wandel und die Gäste gehen diesen Schritt erwartungsfroh mit. Auch auf dem Rheingau Gourmet und Wein Festival, dessen Besucher eher die klassische Menüabfolge gewohnt sind, ist diese Premiere eines reinen Dessert-Menüs sehr gut besucht.
René Frank über das Spiel mit der Süße
Wir sind geprägt von einer zu süßen Welt. Das Spiel mit der Süße kann sich aber auch aus reifen Früchten heraus entwickeln. „Wir arbeiten so wenig wie möglich mit Zucker, versuchen oft ganz auf ihn zu verzichten. Auch Bitternoten transportieren viel und wenn man Obst nur genug Zeit zum Reifen gibt, dann enthält es so viel Süße, dass der Haushaltszucker überflüssig wird. „Bei mir liegen Melonen so lange, bis der ganze Raum nach ihnen duftet“, meint René Frank und gibt den Tipp, das Obst ganz bewusst als Süßungsmittel einzusetzen. Dafür muss man nur vorausschauend einkaufen und das Obst zu Hause reifen lassen.
Andy Vorbusch gehört zu den Ersten seiner Zunft, die aus dem Schatten der Sterneköche herausgetreten sind. Mit seinen puristischen und neuartigen Dessert-Kreationen beeinflusst er seit vielen Jahren die Patisserie-Szene maßgeblich. Die Liste seiner Wirkstätten ist beeindruckend und reicht vom Schloss Berg über das Adlon in Berlin bis ins Vendòme in Bergisch-Gladbach. Aktuell ist Andy Vorbusch Chef-Patissier im Dolder Grand in Zürich.
Sieben Gänge und Überraschungen von Anfang bis Ende
Wenn sich also zwei Ausnahme-Patissiers für ein Menü der neuen Art zusammentun, dürfen sich die Gäste auf viele Überraschungen freuen. Das Neue und Unerwartete des Teams Vorbusch/Frank wird von den beiden Moderatoren von Vacano/Rehberger bis ins Detail durchdekliniert. Menükarten? Gibt es nicht. Die sieben Gänge nebst Begleit-Cocktails werden auf Visitenkarten annonciert. Der Gruß aus der Küche? Cool! Popcorn in braunen Tütchen zum selbst Aufreißen. Dazu ein leicht salzig anmutender Aperitif, ein Manzanilla von Lustau.
Wohl wissend, dass das neuartige Konzept von Level Null einiger Erläuterungen bedarf, wird das Kärtchen, das den Dreiklang eines Gangs ankündigt auch bestens moderiert. Patrick von Vacano, in einem früheren Leben Sommelier und seit einigen Jahren sehr erfolgreicher Botschafter seltener Kakaosorten und daraus entstehender Premiumschokoladen, erläutert die Dessert-Gänge.
Im Dreiklang der Aromen: Das Menü von Andy Vorbusch und René Frank
Jeder der sieben Gänge besteht aus drei Hauptkomponenten. Die Gänge folgen einer fein geplanten Dramaturgie, die überraschende Spannungsbögen schlägt. Die Geschmacksrezeptoren werden angeregt durch wechselnde Texturen, Temperaturen und dem Spiel mit Bitter, Sauer, Süß und Salzig. Die Gerichte haben keine Namen. Es werden die Grundprodukte auf den Punkt gebracht. Diese raffinierten Aromenspiele werden ganz vortrefflich ergänzt, manchmal auch torpediert von ungewöhnlichen Essensbegleitern.
Auf Level Null mit René Frank und Andy Vorbusch: ein Abend voller neuer Aromenkompositionen kann beginnen
Den Auftakt macht ein reduzierter Dreiklang aus Kefir, Molke und erstem jungen Rhabarber mit Erdbeerkernöl. Als, „ergänzende Soße“, wie Andy Vorbusch die Getränke des Abends auch bezeichnet, wird dem ersten Gang ein frisch-fruchtiger Wein von der Loire zur Seite gestellt.
Les Bulles de Bois Ronde von der gleichnamigen Domaine ist keine Fruchtbombe und wird von Alexandra Rehberger als Naturwein mit Noten von hellen Beeren, Rhabarber, getrockneten Kräutern und dem herben Duft von Sauerampfer beschrieben. In diesem Fall eine sehr harmonische Ergänzung zum Dessert.
Mit dem zweiten Gang wird dann auch das Spiel der Texturen eröffnet. Der Dreiklang lautet diesmal: Rote Bete + Tofu + Cranberry und als Fußnote Haselnuss.
Die Tofu-Creme ist zart und weich und bietet der erdigen Roten Bete ein seidiges Bett. Die Cranberries erfüllen ihren Dienst als säuerliche Komponente und der Haselnuss-Crunch bringt Biss in die Komposition. Der Drink zum Gang besteht diesmal ebenfalls aus einem Dreiklang: Granatapfel + Orange + schwarze Olive. Die Kombination von Gang zwei, so Alexandra Rehberger, ist wie ein Puzzle aufgebaut, in dem sich jede Komponente des Drinks, an eine Komponente des Desserts anfügt. Die Olive bringt den erdigen Charakter, der die Brücke zum Tofu bildet. Vermuth und Olive sind eine grundstimmige Komposition an sich. Der Himbeergeist schlägt eine Brücke zur roten Bete, die in Himbeersaft eingelegt wurde und die Orange ist das belebende Element.
Achtsames Hinschmecken eröffnet neue Aromenwelten
Ab Gang Nummer Drei beginnt man so langsam zu begreifen, dass ein Dessert nicht süß sein muss und übt sich darin, genau hinzuschmecken, woher denn eine vermeintliche Süße wohl kommen kann, wenn auf den Zuckerzusatz verzichtet wird. Vorzugsmilch + Topinambur + Gerste: Die Süße steckt in diesem Fall in der Topinambur-Creme. Die geröstete Gerste sorgt für herbe Röstaromen und den knackigen Knusper. Sie passt sehr gut zu der malzigen Note der fermentierten Schalotten. Wer selber Brot backt, der weiß wie viel Aroma und Malzigkeit in der braunen Brotkruste steckt. Hier wird sie pulverisiert und wie ein Gewürz über die Topinambur-Creme gegeben. Geröstete Gerste und das Pulver der Brotkruste fügen dem Dessert dann ganz subtil den Hauch von Kaffee-Aromen hinzu.
Die Basis für den begleitenden Drink bildet ein 2015er Els Bassotets von Escoda-Sanahucha, einem der Pioniere im Anbau von Naturweinen im Nordosten Spaniens. In Conca de Barberà bauen Joan und seine Frau Carmen auf 10 Hektar Land neben Oliven-, Mandelbäumen und diversen Gemüsesorten ihre Vinos Naturales an. Die Weine vergären spontan, Schwefel wurde schon 2007 aus dem Weinkeller verbannt. Die Weine von Escoda-Sanachucha gehören heute zu den gesuchtesten Naturweinen Spaniens. Im Els Bassotets hat das Level Null Team ein sehr getreidiges Aromenspiel ausgemacht und darauf die Idee zur Begleitung von Dessert Nummer drei aufgebaut, denn Mate und Muscovado bringen etwas mehr Süße und eine leichte Bitterkeit in den Wein. Alexandra Rehberger verrät, dass es einige Flaschen gebraucht hat, um auf diese Kombination zu kommen.
Gang Nummer vier bringt Aubergine, Pekannuss und Apfelbalsamico Crema ins Zusammenspiel. Die dankbare Aubergine nimmt gerne Aromen auf. Hier sind es Kardamom und Koriander und so wird sie zum süßen Mitspieler. Dazu gibt es, sehr spannend, auch durch den Temperaturunterschied, ein Eis aus Pekannuss mit einigen gerösteten und gehackten Nüssen. Für die salzige Note sorgt das Lakritzsalz. Die fruchtige Süße des fünf Jahre im Holzfass gereiften Apfel-Balsamico Crema von Pödör ergänzt perfekt den Reigen von Süße, Salzigkeit, Bitternote und Säure!
Wenn der Patissier Sommelier spielt
Für die Getränkebegleitung zu Gang Vier wurden zweierlei Sherrys der Bodega César Florido vereint. Der süßere Cream Sherry und der elegantere Oloroso. Da der Grundwein für Oloroso und Cream der gleiche ist, befand René Frank, dass zur perfekten Abstimmung auf das Dessert eine Mischung beider Sherrys legitim ist. Die Cuvée René war geboren.
Andy Vorbusch und ein Gruß aus der Schweiz
Gang Nummer fünf bringt uns ein Käsedessert und ist zugleich ein Gruß aus der schweizer Wahlheimat von Andy Vorbusch. Chällerhocker + Birne + Brot lautet der Dreiklang mit Fußnote Walnuss und einem Glas sinfonia di grillo. Der Rohmilchkäse mit 14 Monaten Reifezeit wird kombiniert mit einem Gewürzbrot Birnenwegge, das Andy Vorbusch als Schweizer Nationalgebäck bezeichnet. Dazu eingekochte Birne mit Anis, Zimt und Nelke, ein Birneneis und eine Reduktion aus Birnensaft mit Walnussöl.
Die Basis für das Begleitgetränk bildet ein 2015er Sinfonia de Grillo von Alessandro Viola aus Sizilien. Der Weißwein stammt von Grillo-Reben, erläutert Alexandra Rehberger. Winzer Viola arbeitet biologisch, füllt seine Weine ungefiltert ab und versucht weitestgehend auf Schwefelung zu verzichten. Der Grillo für Gang fünf schmeckt sehr ätherisch, nach reifem Apfel und Fenchel. Damit er eine Brücke zum Dessert bildet, wurde er mit einem Sirup aus persischem Süßholz, Vanille und Salz kombiniert und bekommt so eine dunklere Röstaromatik.
Gang Nummer sechs zeigt auf ein Neues, wo die Süße schlummern kann. Das Dessert setzt sich zusammen aus Petersilienwurzel, Kokos und Pistazie mit der freundlichen Unterstützung von schwarzem Knoblauch. Der Saft aus Petersilienwurzeln ist zuckersüß. Er wird mit der Kokosmilch zu einer Creme verarbeitet und bildet das Zentrum des Desserts. Darum herum platziert wird eine schokoladenartige Creme mit fermentiertem schwarzen Knoblauch und einer Vinaigrette aus Traubenkernöl, Limette und leuchtend grünem Petersilienöl. Damit für das perfekte Mundgefühl auch alle Texturen und Geschmacksrichtungen bedient werden, ist der eiskalte Teller mit crunchigen, gerösteten Pistazien bestreut.
Die Mischung macht’s: Oatmealstout mit Moscatel!
René Franks Grundidee für das passende Getränke-Puzzelstück war es, ein Bier zu diesem Gang zu servieren. So fiehl die Wahl nach dem Testen vieler Biere auf ein Oatmealstout, ein auf der Basis von Hafer dunkel gemälztes Bier der Bevog Brewery. Es sorgt für die Karamellnote und eine nussige Note und wird kombiniert mit einem spanischen Moscatel César Florida, dessen Trauben auf Strohmatten getrocknet werden und mit ihrem Aroma von Rosinen, Nussschokolade und einem leichten Kaffeetouch, den schwarzen Knoblauch im Dessert abholen.
Das komplexe Finale eines genialen Dessert-Menüs
Für den letzten Gang in dieser Dessert-Folge werden nochmals alle Aggregatzustände aufgefahren.
Das Menü wird unter der Cloche serviert. Was im Hinterzimmer des Rheinsaals passiert, bekommt nur der Fotograf zu sehen. Jeder einzelne Teller wird mit der Rauch der Holzkohle vernebelt. Legt sich sanft über das Dessert und steigt dem Gast bei der Enthüllung angenehm in die Nase. Das Dessert von René Frank setzt ein eindrucksvolles Ausrufezeichen hinter diesen Abend. 70%ige Schokolade + Pflaume + Zichorie.
Unter der Cloche geht es zur Sache: Ein Aromenspiel aus Schokoladenmousse, in Portwein eingekochter Pfaume mit einem Eis mit Tonka-Bohne und Whiskey sowie einem Pfaumen-Sorbet. Die angegossene Soße stammt von der Zichorie, der Mutter des kleinen Chirorée.
Die schon erwähnte Rauchnote findet sich sowohl im Eis als auch im Begleitgetränk wieder. Der Lambrusco Amabile von Corte Manzini aus der Emilia Romagna wird im Glas eingesprüht mit einem 10 Jahre alten Laphroaig Whiskey, einem der torfigsten Whiskeys der schottischen Insel Islay.
Zurück zum Anfang: Level Null – die gelungene Dessert-Menü-Premiere
Die Adresse für den reinen Dessert-Genuss, das hat diese Premiere von Level Null auf dem Rheingau Gourmet und Weinfestival gezeigt, ist zur Zeit die Dessert-Bar von René Frank in Berlin. CODA, so der klangvolle Name, beschreibt in der Musiksprache das ausklingende Ende eines Musikstücks, so wie das Dessert für den Schlussakkord in einem Menü steht.