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Nach 60 Jahren ist ein zweiter Anlauf der türkischen Automobilindustrie gestartet, ein Fahrzeug in der Türkei zu entwerfen und auch vor Ort zu produzieren. Denn der erste Versuch im Jahre 1960 ging gehörig schief. Bei der Präsentation am 29.Oktober 1961 – damals saß Präsident Cermal Gürsels höchstpersönlich im Fahrzeug – ging dem Devrim, was übersetzt „Revolution“ heißt, der Sprit aus. „Der Devrim fuhr ganze einhundert Meter“, so lautete der Titel in sämtlichen nationaler sowie internationalen Pressemedien. Damit war die Ära des ersten türkischen Fahrzeuges schneller beendet, als sie begonnen hatte. Der Devrim, wovon es seinerzeit 4 Prototypen gegeben hatte, ging nie in Serie. Es lag aber wohl nicht wirklich daran, das „der Revolution“ die Energie zum weiteren Antrieb fehlte.

Die Türkei ist vielen als Urlaubsland bekannt, jedoch nicht als Automobilhersteller - das wird sich zukünftig ändern
Die Türkei ist vielen als Urlaubsland bekannt, jedoch nicht als Automobilhersteller – das soll sich zukünftig ändern / © Redaktion FrontRowSociety.net

Mit Togg wird alles anders, ganz anders

Mit Togg wird alles anders, ganz anders. Ein Togg kann nicht aufgrund von Kraftstoffmangel liegen bleiben, da er ausschließlich elektrisch betrieben wird. Er darf auch nicht liegen bleiben, da es das Aushängeschild türkischen Automobilindustrie sein soll bzw. die gesamte Nation all ihre Hoffnung in das Elektroauto Togg setzt.

Togg - damals noch als Erlkönig verkleidet
Togg – damals noch als Erlkönig verkleidet / © Redaktion FrontRowSociety.net

Seit einigen Wochen sind die ersten Togg T10X auf türkischen Straßen unterwegs, trotz des rudimentären Ladesystems von nur 6.400 öffentlichen Stationen. Dabei war es für die türkischen Landsleute nicht einfach, einen dieser begehrten SUV zu erstehen. Denn die Jahresproduktion liegt aktuell nur bei etwas knapp über 20.000 Fahrzeugen und alleine in den ersten 12 Tagen liefen rein übers Internet über 177.000 Bestellungen ein.

Die türkische Bevölkerung will elektrisch und Togg fahren! Von diesen Zahlen dürften andere Hersteller wohl träumen.

Um die Bestellung zu verifizieren, musste jeder Interessent 3.000 Euro hinterlegen. Aus den verifizierten Interessenten wurden dann in einer Lotterie 20.000 Glückliche gezogen, die ihren Togg T10X sodann käuflich erwerben konnten. Allen anderen Teilnehmern wurden die hinterlegten 3.000 Euro zurückerstattet. Diesen Interessenten bleibt jetzt nur der klassische Weg, einen Togg bestellen und ein wenig Wartezeit mitbringen.

Die türkische Bevölkerung will Togg fahren - in den ersten 12 Tagen gingen 177.000 Vorbestellungen ein
Die türkische Bevölkerung will Togg fahren – in den ersten 12 Tagen gingen 177.000 Vorbestellungen ein / © Redaktion FrontRowSociety.net

Togg T10X – das erste E-Auto aus der Türkei

Hinter dem Automobilhersteller Togg stecken fünf Großunternehmen aus der türkischen Wirtschaft. Das Gesamtinvestition betrug bisher 3,5 Milliarden Euro. Alle Beteiligten, die sich zu einem Konsortium mit dem Namen Türkiye’nin Otomobili Girişim Grubu zusammengeschlossen haben, verzichten 15 Jahre auf mögliche Dividenden. Ein immenser Teil der 3,5 Milliarden Euro ist in die hochmoderne Produktionsanlage geflossen. Wie wir vor Ort bei einer Werksführung von Togg-Chef Gürcan Karakas erfahren haben, soll es „die sauberste Autofabrik Europas“ sein. Zukünftig werden hier in Gemlik auf einer Fläche von 1,2 Millionen Quadratmetern über 175.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert.

Zukünftig werden hier in Gemlik auf einer Fläche von 1,2 Millionen Quadratmetern über 175.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert
Zukünftig werden hier in Gemlik auf einer Fläche von 1,2 Millionen Quadratmetern über 175.000 Fahrzeuge pro Jahr produziert / © Redaktion FrontRowSociety.net
Die Fabrik, in welcher der Togg gefertigt wird, ...
Die Fabrik, in welcher der Togg gefertigt wird, … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... zählt zu den modernsten ...
… zählt zu den modernsten Produktionshallen … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... und laut Togg-Chef Gürcan Karakas, soll es „die sauberste Autofabrik Europas“ sein ...
… und laut Togg-Chef Gürcan Karakas, soll es „die sauberste Autofabrik Europas“ sein … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... sauber hinsichtlich der Nachhaltigkeit
… sauber hinsichtlich der Nachhaltigkeit / © Redaktion FrontRowSociety.net
Die nächsten Kunden werden glücklich gemacht...
Die nächsten Kunden werden glücklich sein … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... wenn ihr neuer Togg bei der Endabnahme steht und bald ausgeliefert werden kann
… wenn ihr neuer Togg bei der Endabnahme steht und bald ausgeliefert werden kann / © Redaktion FrontRowSociety.net/

Sodann laufen auch fünf Modelle parallel von den Bändern. Denn zum SUV Togg T10X gesellen sich in ein bis zwei Jahren eine Stufenhecklimousine und ein Crossover. Auch ein Kompakt-SUV und ein Van sind geplant. Selbstverständlich sind alle Togg Modelle e-getrieben. Dafür investierte Togg weitere 2,2 Milliarden in die Batteriezellen-Fertigung. Eigens dafür wurde ein Joint-Ventures namens „Siro“ mit dem chinesischen Akku-Hersteller Farasis Energy eingegangen.

Das Togg Werk weist Superlativen in jeglicher Hinsicht auf, hier eine gigantische Mural Art
Das Togg Werk weist Superlative in jeglicher Hinsicht auf, hier eine gigantische Mural Art / © Redaktion FrontRowSociety.net

Ist der Hype um den Türken-Tesla begründet?

Schwer zu sagen. Ich möchte hier den Wortlaut von meinem Motorjournalisten-Kollegen Tomas Hirschberger, mit dem wir zusammen bei Togg eingeladen waren, zitieren: „Doch das Prestigeobjekt soll viel mehr sein als nur ein weiteres Elektro-SUV. Wer Togg-Chef Gürcan Karakas zuhört, fühlt sich an den frühen Elon Musk erinnert. Inbrünstig, emotional und voller Überzeugung preist der charismatische Ex-Manager von Bosch die Vorteile seines Türken-Teslas in fließendem Deutsch an. Parallelen zum kalifornischen Elektro-Pionier sind durchaus erkennbar. Wie bei Musk gab es für Karakas keine Alternative zum E-Antrieb, Verbrenner waren nie eine Option. Und wie die Teslas sollen Toggs eher fahrende Supercomputer sein. Karakas: „Wir bauen viel mehr als ein Auto, wir bauen digitale Ökosysteme.“

Togg-Chef Gürcan Karakas: „Wir bauen viel mehr als ein Auto, wir bauen digitale Ökosysteme.“ - hier im Bild gemeinsam mit FrontRowSociety Herausgeber Andreas Conrad bei der Werksbesichtigung, wofür er sich den ganzen tag Zeit nahm
Togg-Chef Gürcan Karakas: „Wir bauen viel mehr als ein Auto, wir bauen digitale Ökosysteme.“ – hier im Bild gemeinsam mit FrontRowSociety Herausgeber Andreas Conrad bei der Werksbesichtigung, wofür er sich den ganzen Tag Zeit nahm / © Redaktion FrontRowSociety.net

Das Togg nicht nur ein E-Auto bauen möchte, sondern weitaus mehr vor hat, bestätigt die hauseigene App Truemore, welche in den ersten 40 Tagen nach Veröffentlichung über eine Million Downloads erfahren hat. Mit dieser App lassen sich Ladevorgänge organisieren und abrechnen, die Maut bezahlen, aber auch Parkplätze reservieren, Hotels buchen oder den Restaurantbesuch bestätigen.

Mit der App Trumore will Togg eine Art
Mit der App Trumore will Togg eine Art „belohnendes Punktesystem“ einführen

Zukünftig möchte Togg mit weiteren Partnern eine Art „belohnendes Punktesystem“ einführen, wobei man etwa fürs Aufladen des Togg, Meilen beim Partner Turkish Airways sammelt. Aber auch umgekehrt, fürs Fliegen sollen Punkte vergeben werden, die zum Aufladen des Togg eingesetzt werden können. Ein Ansatz, der den Togg gerade für die jüngere Generation interessant machen dürfte, trotz seines stolzen Preises von rund 50.000 Euro.

Togg komponiert ‚unwiederholbare‘ Lieblingsmusik und malt mit künstlicher Intelligenz

Wer in den Togg T10X einsteigt, dem wird als erstes das mächtige 41,3-Zoll-große Display ins Auge springen, welches sich von der Fahrer- bis zur Beifahrerseite zieht. Der langgezogene Monitor ist beeindruckend. Er wartet mit einer kristallklare Schärfe auf und ist frei per Drag & Drop konfigurierbar. Bekannte türkische Art-Designer liefern digitale Werke, die das Togg-System dann auf den Monitor zaubert; sehr beeindruckend. Ebenso komponiert künstliche Intelligenz in einer Endlosschleife das Lieblingsgenre des Togg-Piloten, dabei ist die Musik individuell und kein anderer hört diese Musik, auch für den Fahrer selbst ist es ein einmaliges Hörerlebnis. KI machts möglich.

Im Inneren des SUV besticht das große Display - kristallklar und gestochen scharf
Im Inneren des SUV besticht das große Display – kristallklar und gestochen scharf / © Redaktion FrontRowSociety.net

Optisch gesehen ist das 4,59 Meter lange SUV ein echter Hingucker, das haben die Designer wirklich beeindruckend hinbekommen. Sehr modern und mit feinen Proportionen von Pininfarina versehen, zeigt sich von vorne ein in Chromoptik gefasster Kühlergrill und sorgt für den maskulinen Touch.

Optisch gesehen ist das 4,59 Meter lange SUV ein echter Hingucker
Optisch gesehen ist das 4,59 Meter lange SUV ein echter Hingucker / © Redaktion FrontRowSociety.net
Auch von hinten recht gelungenes Design
Auch von hinten recht gelungenes Design / © Redaktion FrontRowSociety.net

Und wie fährt er sich nun, der Togg T10X?

Bei Testfahrten auf dem werkseigenen Togg-Testgelände in Gemlik konnten wir das SUV testen. Es war zwar nicht der Nürburgring, aber auch auf diesem kleinen Prüfgelände konnte der Togg zeigen, was er kann. Und er kann einiges! Für ein Unternehmen, welches sein erstes Elektrofahrzeug in einer solch kurzen Entwicklungszeit aus dem Boden gestampft hat, ist der Togg T10X recht beeindruckend.

Auf dem Togg eigenen Testgelände ..
Auf dem Togg eigenen Testgelände … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... können eine Vielzahl an Fahrtests durchgeführt werden
… können eine Vielzahl an Fahrtests durchgeführt werden / © Redaktion FrontRowSociety.net

Es fehlt dem Fahrwerk noch etwas an Feintuning. Er könnte in schnellgefahrenen Kurven mit etwas mehr Übersteuerung aufwarten, hier zeigt er sich ebenfalls ein wenig unterdämpft und taucht zu tief in seine Federn ein. Darüber dürfte die Lenkradrückstellung etwas höher ausfallen und somit dem Togg-Piloten eine bessere Rückmeldung zur Fahrbahn melden. Aber alles in allem ist es ein sehr vorzeigbares E-Auto.

Testfahrten auf dem eigenen Prüfgelände zeigen, was der Togg kann
Testfahrten auf dem eigenen Prüfgelände zeigen, was der Togg kann / © Redaktion FrontRowSociety.net

Und dass der Togg das kann, was er kann, hat sich SEO Gürcan Karakas weltweit die besten Ingenieure zusammengeholt. Für die Entwicklung von Fahrwerk, Lenkung oder Bremsen halfen internationale Zulieferer. Zwei Versionen an Elektromotoren – 160 kW/218 PS und 320 kW/435 PS – stehen dem Käufer beim T10X zur Verfügung. Die 435 PS Version macht richtig Laune; diese Version verfügt über eine Allradversion mit einem zusätzlichen Frontmotor.

Wie sieht der Togg T10X von innen aus?

Von Innen dominiert das Display, welches sich über das gesamte Armaturenbrett bis hin zum Beifahrer ausbreitet. Im Gesamten wirkt das Interieur – zumindest bei der hellen Ausstattung – sehr frisch und modern, das Design des Lenkrades könnte noch etwas Feinschliff bekommen. Hier die Bilder vom Innenraum:

Der Platz des Togg-Piloten ...
Der Platz des Togg-Piloten … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... die Sitze sind -selbstredend - elektrisch einstellbar...
… die Sitze sind selbstverständlich elektrisch einstellbar … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... optisch einwandfreie Türverkleidungen...
… optisch einwandfreie Türverkleidungen … / © Redaktion FrontRowSociety.net
... die Bedienungselemente sind harmonisch eingefügt ...
… die Bedienungselemente sind harmonisch eingefügt und … / © Redaktion FrontRowSociety.net
.. auch im Fond haben die Passagier genügend Beinfreiheit...
.. auch im Fond haben die Passagier genügend Beinfreiheit / © Redaktion FrontRowSociety.net

Togg bald auch in Deutschland?

Ja, ganz sicher! Aber erst einmal nur, wenn die türkischen Landsleute mit ihrem Togg nach Deutschland in den Urlaub kommen. Togg selbst plant für Ende 2024 die Einführung auf dem deutschen Markt, nachdem Skandinavien bedient wurde. Ein hehres Ziel: Wir schätzen, dass der Togg frühestens 2025 oder gar 2026 in Deutschland an den Start gehen wird. Das Design ist dann aber schon in die Jahre gekommen und ein sechs Jahre altes Modell betritt dann unseren Markt.

Bis das formschöne SUV nach Deutschland kommt, wird es noch ein wenig dauern
Bis das formschöne SUV nach Deutschland kommt, wird es noch ein wenig dauern / © Redaktion FrontRowSociety.net

Aber vielleicht kommt bis dahin noch ein Togg Facelift. So hat Togg auch noch ein wenig Zeit an der Verarbeitungsqualität zu feilen. Es sind nur Kleinigkeiten – für unser getestetes Vorserienfahrzeug war schon einen hohen Standard vorhanden – aber manches Kunststoffteil im veganen Innenraum müsste besser entgratet sein und die Spaltmaße der Karosserie bedürfen ebenfalls ein wenig Korrektur, dass auch die teils pingeligen deutschen Käufer Gefallen finden. Denn letztendlich muss sich auch Togg an den Konkurrenten messen lassen. 

Trugo: Ladeinfrastruktur für E-Autos in der Türkei

In der Türkei gibt es derzeit etwa 6.400 öffentliche Ladestationen. Hauptsächlich befinden sich diese Stationen im Westen der Türkei. Entlang der Hauptverkehrsachsen und in sowie rund um die größeren Städte. Aktuell verzeichnet Ankara, Antalya sowie Izmir die meisten Ladesäulen. Das möchte Trugo ändern und hat ein eigenes System aufgebaut. Als Togg Tochterunternehmen produziert Trugo Ladegeräte, die im Schnitt in 25 Minuten einer Standard-Autobatterie bis zu 80 Prozent ihrer Kapazität einhauchen.

Täglich entstehen neue Ladestationen. Alleine bis Ende 2023 sollen laut Togg an 600 Stellen 1.000 Schnellladesäulen mit insgesamt 2.000 Steckdosen landesweit in 81 Provinzen installiert werden. So sollen auf Strecken mit einer hohen Verkehrsdichte zirka alle 30 Kilometer und in Gebieten mit einer geringeren Nutzung alle 50 bis 60 Kilometer Ladestationen zu finden sein.

Togg rüstet mit Trugo den Ladesäulen Markt aus
Togg rüstet mit Trugo den Ladesäulen Markt aus / © Redaktion FrontRowSociety.net

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