Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Stone Town, der älteste Stadtteil von Sansibar-Stadt, hat schon bessere Tage gesehen. Im Gegensatz zum romantischen Anblick gewachsener historischer Stadtkerne europäischer Metropolen wirkt der Zerfall von Stone Town fast schockierend. Die Armut des Landes ist zwischen alten Mauerresten und wirren Elektroleitungen spürbar, fast bedrückend, würde nicht die Sonne alles in freundlichen Farben malen.
 
Stone Town – Begrünung gegen Zerfall / © Redaktion FrontRowSociety.net

Stone Town im Wandel

Sansibar, jene Insel vor der Ostküste Tansanias, ist seit 1964 ein halbautonomer Teilstaat der Vereinigten Republik Tansania. Doch nach der Revolution und der damit verbundenen Befreiung von der Herrschaft des omanischen Sultans blieb das wirtschaftliche Wachstum aus. Hauptsächlich bestreiten die Sansibaris ihr Einkommen aus der Landwirtschaft. Mango, Ananas, Bananen und natürlich Gewürze wie Nelken oder Pfeffer machen jedoch am allerwenigsten die Bauern wohlhabend.
 
Straßenhändler, die Machingas, warten geduldig auf ihre Kunden. Dennoch ist es schwierig, am Ende des Tages jede Jackfruit verkauft zu bekommen / © Redaktion FrontRowSociety.net
Zweite Haupteinnahmequelle ist der Tourismus. Wer in dieser Branche einen Job finden möchte, braucht vor allem eines: Bildung. Allerdings sind in dem muslimischen Land besonders für Frauen Bildungsangebote rar gesät, bei den Männern besteht eine Arbeitslosenquote von 30 Prozent. So wenig rosig die Aussichten auch aussehen mögen, so viel tut sich langsam im (Teil)Staate Sansibar. Die sich ewig in finanzieller Not befindende Regierung stellte historische Gebäude unter ihren Schutz, insbesondere die Korallenkalksteinbauten, die Stone Town den Namen gaben. Mit stiftungsfinanzierten Anstrengungen und den Einnahmen aus dem Tourismus soll sich das Antlitz von Stone Town allmählich wandeln.
 
Rund 95 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Frauen haben es besonders schwer, das ihnen zugedachte Rollenmuster zu verlassen / © Redaktion FrontRowSociety.net
Männern obliegt traditionell die Versorgung der Familie, was bei den niedrigen Einkommen tendenziell schwierig ist / © Redaktion FrontRowSociety.net
So kommt dem Tourismus eine tragende Rolle zu. Noch spielt Sansibar im Luxusreisebereich eine eher untergeordnete Rolle. Aber das soll sich ändern. Ambitionierte Projekte wie der Bau des ersten Leading Hotels of the World, des Emerald Zanzibar Resort & Spa, sollen Sansibar schon bald auf die vorderen Plätze der Luxusreiseziele im Indischen Ozean katapultieren. Außerdem ist die Regierung bestrebt, die Gewürzinsel zu einem Reiseziel für ein kulturinteressiertes Klientel auszubauen. Potenzial dafür hat Stone Town genügend. Als Schmelztiegel der swahilischen, indischen, arabischen und europäischen Kultur besitzt die Stadt eine Einzigartigkeit, die bei näherer Betrachtung erkennbar wird.
 
Stone Town ist ein bauliches Paradebeispiel für die Verschmelzung von Kulturen / © Redaktion FrontRowSociety.net
Unser Guide Habibu lernte aus eigenem Antrieb die deutsche Sprache, um im Tourismus seinen Platz finden / © Redaktion FrontRowSociety.net
Stone Town und die Schönheit auf den zweiten Blick
 
Stone Town fühlt sich an wie ein großes, bewegtes Wimmelbild. Scheinbar ohne Struktur rollt der Verkehr zwischen den Fußgängern und den Machingas, die ihre Waren mühevoll durch die Straßen schieben. Doch bei aller Umtriebigkeit und des sichtlich fehlenden Wohlstands schauen wir in lachende Gesichter. Hupen und Rufen werden mit einem gelassenen Schulterzucken beantwortet. Die Geschäftigkeit der Händler auf den bunten Märkten ist ansteckend. Wer ein Souvenir sucht, sollte es hier kaufen. Denn so kommt das Geld dort an, wo es gebraucht wird.
 
Straßenhändler verkaufen frische Früchte … / © Redaktion FrontRowSociety.net
… und natürlich jede Menge Souvenirs auf den Märkten / © Redaktion FrontRowSociety.net

Auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten wird man schnell fündig. Ein imposanter Bau ist der 1883 errichtete einstige Zeremonien-Palast des Sultans Bargasch. Es war seinerzeit das erste Gebäude in ganz Ostafrika, welches über elektrischen Strom, fließendes Wasser und einen Lift verfügte. Daher rührt auch sein Name: Beit-el-Ajaib, Palast der Wunder. Ein weiteres Zeugnis omanischer Herrschaft ist Beit-el-Sahel, der Palast des Sultans. Auch dieses Gebäude wurde Ende des 19. Jahrhunderts aus Korallenkalkstein errichtet. Nach dem Sturz des Sultans diente es als Regierungssitz und heute als Museum. 

Die Geschenke von Staatsoberhäuptern sind im Palast des Sultans ausgestellt / © Redaktion FrontRowSociety.net

Die alte Festung Ngome Kongwe zeigt eindrucksvoll die wechselvolle Historie der Gewürzinsel. Auf den Mauern einer portugiesischen Kirche errichteten die Omanis von 1698 bis 1701 eine Festung, um sich gegen die Portugiesen zu verteidigen. Später diente sie als Gefängnis samt Exekutionsplatz. Der quadratische Innenhof ähnelt einen Amphitheater und tatsächlich wird dieser eindrucksvolle Ort nun als Kulturzentrum genutzt.

Die alte Festung von Stone Town, von hier sind es nur ein paar Schritte bis zum Strand / © Redaktion FrontRowSociety.net
Hier genießt man eine kurze Atempause von der quirligen Stadt / © Redaktion FrontRowSociety.net

Es ist sehr ratsam mit einem Guide die Stadt zu erkunden. Dennoch sollte man nicht versäumen, sich einfach treiben zu lassen. Typisch sind die Innenhöfe in Stone Town, um die sich zweistöckige Kalksteinhäuser gruppieren. Es lohnt sich, einen Blick zu riskieren, denn hier finden sich oft begrünte Veranden sowie die kunstvoll geschnitzten Doppeltüren, die sogenannten Sansibar-Türen. 

In den Innenhöfen erblickt man kunstvolle Sansibar-Türen … / © Redaktion FrontRowSociety.net
… sowie attraktive Pools romantischer Boutique-Hotels / © Redaktion FrontRowSociety.net

Stone Town als Drehkreuz für den Sklavenhandel

Ein weniger rühmliches Kapitel in der sanibarischen Geschichte schrieb der Sklavenhandel. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert war Sansibar als Teil des Sultanats Oman das Zentrum für den Sklavenhandel schlechthin. Mitte des 19. Jahrhunderts waren ganze Landstriche Ostafrikas entvölkert. Nicht nur die „Neue Welt“ benötigte Sklaven für die Baumwollfelder, Millionen Menschen wurden in den Nahen Osten ‚exportiert‘ oder schufteten auf den Gewürzplantagen Sansibars. Ein Name prägte wie kaum ein anderer die brutale Geschichte des Sklavenhandels, Tippu Tip. Bereits im jungen Alter von 17 Jahren begann sein Aufstieg als Sklaven- und Elfenbeinhändler. Durch Kollaborationen mit dem belgischen Königshaus und dem Deutschen Reich wurde er zur einflussreichsten Persönlichkeit Ostafrikas seiner Zeit.  

1905 starb Tippu Tip in seinem Haus in Stone Town, das heute unter Denkmalschutz steht. Sein Grab verfällt jedoch zusehends / © Redaktion FrontRowSociety.net

Sultans Bargasch verbot Ende des 19. Jahrhunderts endgültig den Sklavenhandel. Auf dem einstigen Umschlagplatz der Sklaven wurde die Kathedrale St. Josef erbaut. Ihre Einweihung 1903 besiegelt offiziell das Ende dieses unmenschlichen Abschnitts der Inselgeschichte. Der Altar wurde an der jener Stelle errichtet, an welcher die Sklaven gefoltert wurden.

Die Kathedrale St. Josef – hier nur von oben zu sehen – markiert das Ende des Sklavenhandels auf Sansibar / © Redaktion FrontRowSociety.net

Hingegen ist ein anderer Sohn Sansibars im positiven Sinne weltberühmt. Am 5. September 1946 erblickte Farrokh Bulsara in Stone Town das Licht der Welt. Als Freddy Mercury schrieb er Musikgeschichte. Sein Geburtshaus ist in Stone Town zu besichtigen. Doch auch wenn man dem bedeutendstem Rockmusiker der 1970er und 1980er damit gedenken möchte, hätte Freddy Mercury im muslimischen Sansibar nicht leben können. Noch immer ist Homosexualität auf ganz Sansibar strafbar. 

Der britische Botschaftsangestellte Bomi Bulsara verließ mit Frau und Sohn nach der Revolution 1964 Sansibar. Was für ein Glück für Freddy Mercury / © Redaktion FrontRowSociety.net
Trotz seiner sexuellen Orientierung wird er von den meisten Sansibaris verehrt. Das zeigt einmal mehr die lebensbejahende Einstellung der knapp 2 Millionen Einwohner. Also machen wir uns als Touristen auf den Weg in dieses Land der paradiesischen Strände, in ein Land voller Kontraste und voller großer Träume. 
 
Dieses ist ein redaktionell erstellter Artikel, der durch externe Unterstützung möglich gemacht wurde. Die Unterstützung hat jedoch keinen Einfluss auf den hier abgebildeten Inhalt. Es gilt der Redaktionskodex.