Klimawandel und verändertes Konsumverhalten erfordern ein Umdenken im Weinbau. Die Winzer Rheinhessens stellen sich breitgefächert den neuen Herausforderungen.
Innovative Ideen gipfeln tatkräftig in schlüssigen Konzepten, Pionierleistungen in Sachen Weinbau von morgen sind zu beobachten. Schlichtweg die Freude am Weiterdenken treibt die Weinmacher in Deutschlands größtem Weinbaugebiet an.
Rheinhessen – Weichen für die Zukunft stellen
Die Zeit, als Liebfrauenmilch und Müller-Thurgau in Masse für den „Alltagsgebrauch“ produziert wurden, ist längst Geschichte. Und das ist gut so! Bereits in den 1990er-Jahren machten sich die Winzer Rheinhessens auf den Weg, qualitative, trockene, terroirbezogene Weine zu keltern. Das Umdenken begann allmählich, sodass der Wandel nicht nur in der Weinbereitung stattfand, sondern direkt beim Ursprung – bei der Arbeit im Weinberg. Heute genießen die Weine Rheinhessens internationales Renommee. Die mehr als 2.000 Weingüter sind teils im VDP oder in Winzergenossenschaften bzw. Verbänden organisiert. Zudem ist das Weinbaugebiet die Heimat der „Jungen Wilden“ und mit Mainz Teil der „Great Wine Capitals“.
Es sind hochkarätige Spitzenlagen wie der Rote Hang in Nierstein/Oppenheim, Westhofener Morstein und Dalsheimer Hubacker, in denen nunmehr mineralische Rieslinge entstehen. Neben Riesling absolvierten auch die weißen Klassiker der Region – Silvaner, Scheurebe und Müller-Thurgau – einen Quantensprung in Sachen Qualität. Diese Sorgfalt bei der Weinbereitung involviert ein unglaubliches Reifepotenzial von Weißweinen „made in Rheinhessen“. Weiße Burgundersorten sowie Sauvignon Blanc gedeihen ebenfalls auf den vielfältigen Bodenstrukturen – von Löss und Ton über Kalkstein und Schiefer bis hin zu Quarzit und Sandstein, zunehmend in biologischem und biodynamischem Anbau.
Wie könnte es anders sein? Das traditionelle Weißweingebiet hat auch eine rote Seite. Diese ist zwar schmaler, denn lediglich 29 Prozent der 27.000 Hektar umfassenden Rebfläche sind mit roten Rebsorten, allen voran Dornfelder, gefolgt von Spätburgunder und Portugieser, bepflanzt, aber nicht zu verachten. Doch auch in Sachen Zukunftswein tut sich etwas. PIWI-Sorten sind auf dem Vormarsch, zwar auf lediglich knapp 3 Prozent der Rebfläche, doch warten wir’s ab, was die nächsten Jahre so bringen mögen.
Innovative Konzepte mit Biodynamie
Offensichtlich verfolgen alle Winzer Rheinhessens dasselbe Ziel: zukunftsfähige Weinstile zu kreieren. Die Ideen und Methoden sind dabei so unterschiedlich wie die Persönlichkeiten der Weinmacher selbst. Und doch verfügen sie über unzählige Schnittmengen, die die Rolle des Weinbaugebiets als Zugpferd des deutschen Weinbaus festigen. Schauen wir doch mal genauer hin, nämlich zu einigen ausgewählten Weinbaubetrieben.
Auf der Top-Ten-Liste der Weingüter in Rheinhessen rangiert das Weingut Dreissigacker ganz oben. Seine biodynamische Arbeitsweise ist beispielgebend für eine ganze Region, sogar für den Weinbau in ganz Deutschland. Jeder Millimeter des Bodens der 50 Hektar Rebfläche steckt voller Leben aufgrund der gesunden Biodiversität. Riesling ist der Superstar des Vorzeigeweinguts, der gereift Kenner und Connaisseure begeistert. Statt Chemie werden eigens entwickelte Tinkturen in den Weingärten ausgebracht. Alte Reben, Handlese, Spontangärung, Schwerkraft, kaum Holzkontakt – so entstehen kühle, elegante Rieslinge, die teils erst nach 10 Jahren Reifezeit in den Verkauf kommen. Genau diese Rieslinge sind der USP von Dreissigacker.
Doch nicht nur die Weinbereitung ist beispielgebend. Denn es ist weitaus leichter, einen ausgezeichneten Wein herzustellen, als ihn zu vermarkten. Dabei setzt man bei Dreissigacker unter anderem auf Events. Wein als Erlebnis, nahegebracht über Einzellagen-Touren, Weinberg-Dinner oder den Blick hinter die Kulissen – ganz dem Wandel des Verständnisses für Luxus folgend. Die Positionierung ist klar: mit Nachhaltigkeit und Zeit an die Spitze!
Vitiforst, PIWI und alkoholfrei mit der jungen Generation
Was bitte ist denn ein Vitiforst? Wen das interessiert, der macht am besten eine Tour mit Felix Hemer durch seine Weingärten in Worms-Abenheim. Statt baumlose Monokultur soll die Biodiversität durch Schattenspender und Bodenaktivatoren Einzug halten. Und tatsächlich brennt die Sonne über den Rebzeilen, zwischen denen nun junge Laubbäume stehen, die erst 2022 und 2023 gepflanzt wurden. Manche sind noch nicht wesentlich höher als die Reben selbst, doch folgt man der Vision von Felix Hemer, kann man sich diese Allee aus Ebereschen, Sandbirken, Flatterulmen, Maulbeeren und Wein sehr gut vorstellen. In frühestens 10 Jahren könne man sagen, welche Baumart sich besonders gut für den Vitiforst eignet. Bis dahin weiden die Schafe gemütlich in den Bio-Weinbergen der Familie Hemer.
Doch nicht nur ein neuer Baumbestand gedeiht in den Hemer’schen Gärten, auch PIWI-Sorten sollen dem veränderten Klima trotzen. Sauvignac und Sauvignon Gris dienen als Zukunftsprojekt. Zudem gibt es für die Weinbereitung keine Blaupause. „Wir gehen nicht nach Analyse, wir gehen nach Geschmack“, sagt Inhaber Andreas Hemer selbstbewusst. Seine Weine können ihm dieses auch geben.
Wie beim Weingut Hemer merkt man die Aufbruchstimmung der jungen Generation ebenfalls bei den Weingütern Dr. Hinkel und Wohlgemuth-Schnürr. Nach dem Studium in Geisenheim steht nun Peter Hinkel an der Spitze des Weinguts Dr. Hinkel. Im Rahmen seiner Masterarbeit entwickelte er den alkoholfreien Sekt „Dri:Ver Sparkling“, der als der Beste seiner Kategorie prämiert wurde.
Genuss ohne Alkohol ist auf dem Vormarsch. Und hierfür eine genussvolle Alternative zum eigentlichen Produkt eines Weinbaubetriebs zu bieten, liegt für Peter Hinkel auf der Hand. Allerdings setzt er weiterhin auf die altbewährten Premiumweine. „Wir möchten uns immer weiter steigern“, so das ambitionierte Vorhaben des Jungwinzers, der in der Lage Zechberg mit den Weinen von Dr. Hinkel eine Vorreiterrolle anstrebt.
Beim Blick zum Weingut Wohlgemuth-Schnürr fällt die Dynamik von Sohn Benedikt auf. Zurzeit noch Student in Geisenheim, setzt er die Pionierleistung seiner Eltern in puncto experimentellem Weinbau mit PIWI-Rebsorten fort. Mehr als 50 Prozent der Rebfläche sind mit PIWI-Sorten bestockt. Über diese neuen Sorten möchte er das Terroir im Glas verwirklichen. Ihre älteste PIWI-Anlage mit Prior und Cabernet Blanc ist 16 Jahre alt. Nach eigenen Berechnungen haben sie 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel verwendet. Das kann sich sehen lassen! Und: Die Pionierarbeit trägt noch weitere Früchte. Inzwischen dürfen Weine aus PIWI-Rebsorten als Erste und Große Lage klassifiziert werden.
In Rheinhessen tut sich was
Rheinhessen rüstet sich für die Zukunft und bringt Wein erster Güte in Position. Weine made in Germany genießen Dank dem Qualitätsstreben ambitionierter Winzer:innen internationales Renommee und bevölkern zahlreicher denn je die Weinkarten in unserem Land.
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