Frachtschiff, Fähre und Kreuzfahrer in einem sein, diesen Spagat bekommen nicht viele Schiffe hin. Die NORRÖNA schon; ihre „Wikinger-Kreuzfahrt“ führt von Norddänemark nach Island und wieder zurück.
Sie hat den vielleicht schwersten Job von allen Fähren in Nordeuropa. Ganzjährig verkehrt die NORRÖNA zwischen dem norddänischen Hirtshals, den zwischen Schottland und Island gelegenen Färöer-Inseln und Island selbst. Diese Route ist vor allem zwischen den Shetland-Inseln und Island nichts für schwache Gemüter. Die Nordsee ist hier zu Ende, der Nordatlantik beginnt. Das bedeutet nicht nur, dass das Wasser hier ungleich tiefer und die Wellen länger sind, auch Wind und Wetter werden hier selbst in der Hochsaison widerspenstiger.
Den Fahrplan der NORRÖNA bestimmen die Frachtkunden, und das sind zu einem nicht geringen Teil Speditionen, die ihren im hohen Norden frisch gefangenen Fisch über Hirtshals nach ganz Skandinavien und Osteuropa verschiffen. Abgesehen von ihren großen Autodecks entpuppt sich die NORRÖNA als ein Passagierschiff, auf dem man es eine Woche lang gut aushalten kann. Es gibt ein Büffetrestaurant an Bord, eine Cafeteria, ein Steak House neuerdings und die große Naust Bar, in der tagsüber Filmvorführungen und Bingo-Runden stattfinden und abends Live-Musik. Außerdem befinden sich ein Kino an Bord, ein kleines Fitness-Center tief unten im Schiff und auf dem offenen Deck die „Hot Tubs“ – Meerwasser-Whirlpools mit Blick auf die raue Nordsee.
Das Büffet an Bord ist reichhaltig, zur Wahl steht typisch skandinavische Küche: Fleisch (Schwein, Rind und Lamm) und Fisch. Pizza und Pasta sucht man hier genauso vergeblich wie Fernöstliches oder ähnlich Exotisches. Der überbackene Dorsch ist jedoch köstlich, und auch der Kuchen zum Nachtisch vom Feinsten. Gegen Mittag am nächsten Tag kommen an Backbord die Shetland-Inseln in Sicht und damit der Ausgang der Nordsee, die bisher noch auffallend ruhig gewesen ist. Damit ist es jetzt aber vorbei. An der Rezeption gibt es Tabletten gegen Seekrankheit zu kaufen. „Die sind so gut, dass sie in Deutschland streng verboten sind!“, scherzt der dänische Reiseleiter.
Island in Sicht
Die Wikinger-Kreuzfahrer genießen bei zunehmendem Seegang das Unterhaltungsprogramm an Bord. Die Sonne ist derweil hinter dicken Wolken verschwunden, und als ich am nächsten Morgen aufwache, schaukelt es mächtig. Beim Zähneputzen sollte man sich nun tunlichst festhalten und sich anziehen am besten im Sitzen auf dem Bett. Trotz des Seegangs ist jedoch das Büffetrestaurant eine halbe Stunde später gut besucht. Kurz hinter mir unternimmt allerdings beim Frühstück ein auf dem Bar-Tresen abgestelltes Geschirrtablett plötzlich einen höchst erfolgreichen Flugversuch – der Inhalt landet in 1000 Scherben auf dem Boden. Wer mag, kann aber selbst bei Windstärke 8 noch einen morgendlichen Deckbummel unternehmen. Frischluft ist dabei garantiert, Spaziergänger sollten jedoch spätestens jetzt nicht nur rutschfestes Schuhwerk tragen, sondern sich auch gut festhalten.
Am Montagabend, zwei Tage und ein paar Stunden nach unserer Abfahrt in Hirtshals, kommt endlich Island in Sicht. Leichter Seenebel liegt über dem Nordatlantik, doch wie bestellt kommt zum selben Zeitpunkt nicht nur völlig unerwartet die Sonne hinter den Wolken hervor, sondern zaubert letztere auch noch einen riesigen Regenbogen über den Horizont. Unsere Ankunft in Island ist ein Traum, als ein silberner Schimmer die riesigen Berge an der Küste umgibt, während die NORRÖNA immer weiter auf sie zu hält. Plötzlich fühlt man sich doch ein wenig wie jene Wikinger, welche die größte Vulkaninsel der Welt vor knapp 1.200 Jahren zum ersten Mal mit eigenen Augen erblickt haben und dabei aus dem Staunen nicht mehr herauskamen.
Seyðisfjörður und Umgebung
Zwei Tage bleibt das Schiff nun in seinem Zielhafen Seyðisfjörður, ehe es sich am Mittwochabend auf den Rückweg nach Dänemark macht. Doch wenn es dort in den letzten Tagen bereits Vorboten des Frühlings gegeben hat: Hier in Island ist davon nichts mehr zu spüren. Die Pfützen an Deck sind über Nacht gefroren, und draußen vor dem Terminal ist es nicht nur eisig kalt, sondern es pfeift auch noch der Wind um die Häuser. Die Ausläufer des Sturms, dem wir auf See noch zuvorgekommen sind, treffen uns an Land dafür nun mit voller Wucht. Auch unser Busausflüge nach Mývatn, einem der größten Seen Islands, dessen Umgebung für seine mannigfaltigen Lava-Formationen und seine aktiven Vulkane berühmt ist, fällt dem Sturm zum Opfer, als der Reisebus auf halber Strecke von der Straße abkommt. Weiterfahrt zu gefährlich.
Für den nächsten Tag haben wir uns Seyðisfjörður und Umgebung vorgenommen. In dem Ort mit dem unaussprechlichen Namen trifft der spröde Charme eines weit abgelegenen Fischereihafens auf skandinavische Bilderbuchidylle. Verrostete Gerätschaften und leer stehende Häuser gehen hier gezwungenermaßen eine Symbiose mit glasklarem Fjordwasser, verschneiten Berggipfeln und Wasserfällen ein, welche immer wieder die Felswände durchziehen. Doch es herrscht perfektes Wanderwetter. Am nördlichen Fjordufer ragen links steile Bergmassive empor, während es rechts nicht minder scharf den Abhang zum Fjord hinuntergeht. Kein Wunder, dass die Insel ein Eldorado für Geologen ist. Aber auch für Biologen, schließlich sucht nicht zuletzt die Vogelwelt Islands ihresgleichen in Europa. Bereits auf diesem Spaziergang begegnen wir Wildgänsen, Austernfischern, Seeschwalben und jeder Menge Enten, die am Ufer brüten.
Die zweite Wanderung am Nachmittag spielt sich mehr in der Vertikalen als in der Horizontalen ab. Die Wanderwege entlang der Wasserfälle sind einfach zu reizvoll, und wenn sie schon so schön ausgeschildert sind, kann man ihnen bestimmt gefahrlos folgen. Aufpassen sollte man aber trotzdem, denn der Boden ist nass und matschig. Belohnt wird man jedoch mit Ausblicken, die ihresgleichen suchen. Wie ein kleines LEGO-Schiff liegt die NORRÖNA auf einmal ganz schön weit unten am Kai, und auch man selber ist inmitten der gewaltigen isländischen Natur plötzlich nur noch ein ziemlich kleiner und unbedeutender Zweibeiner.
Kurs Färöer-Inseln
Am Abend nimmt die NORRÖNA wieder Kurs auf die Färöer-Inseln, die Wettervorhersage mutet diesmal allerdings geradezu unspektakulär an. Tórshavn erreichen wir daher auch planmäßig am Donnerstagnachmittag. Die „Schafsinseln“ – riesige schroffe Felsen im Meer, deren Gipfel hinter tief hängenden Wolken verborgen bleiben. Die Vegetation ist karg, Zeichen von Zivilisation sieht man vorerst keine. Das ändert sich erst, als wir mit dem Bus von Tórshavn nach Gjógv fahren, einem Ort an der Nordspitze der Insel Eysturoy. Schwere Brecher krachen hier an den felsigen Strand, die hiesigen Schafe stört das wenig. Eine tiefe Schlucht dient unweit als Nistplatz für Seeschwalben, Papageientaucher und Eissturmvögel, doch mit seiner Kirche, dem Friedhof und den vielen bunten Holzhäusern ist der Ort dennoch eine kleine Idylle.
An Bord der NORRÖNA wird zur selben Zeit bereits das „Wikinger-Büffet“ vorbereitet. Traditionell am Freitagabend wird dieses aufgeboten – mit allem, was die Küche auf den Färöer-Inseln und auf Island hergibt: Lammfleisch, Ochsenschwanzsuppe, Schweinehüfte, und natürlich alles, was so knapp unter dem Polarkreis Flügel hat: Möwe, Ente, Huhn und Gans. Nicht zu vergessen natürlich die Früchte des Meeres: Garnelen, Krabben, Krebse, Hummer, Muscheln und Fisch. Als die NORRÖNA am nächsten Morgen pünktlich nach Hirtshals zurückkehrt, sind auch wir Passagiere ein bisschen zu Wikingern geworden.
Wer sich für einen Urlaub auf den Färöer-Inseln entscheidet, dem sei unsere Reportage empfohlen. Schönste Färöer Inselwelten ohne Massentourismus.
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