Seit einigen Jahren boomt der Markt für Expeditionskreuzfahrten, in immer schnellerem Rhythmus gehen neue Schiffe in Dienst und neue Anbieter an den Start. Bereits seit 1993 ist das niederländische Unternehmen Oceanwide Expeditions aktiv, dessen Flaggschiff „Hondius“ jüngst in die neue Arktis-Saison gestartet ist.
„Ich möchte ab Aberdeen kleine Flip-Flops mehr an Bord sehen!“ Die Ansage von Sara Jenner ist deutlich, und sie kommt nicht von ungefähr. Am Reedereisitz Vlissingen via Aberdeen nach Jan Mayen, Spitzbergen und zur arktischen Eisgrenze aufgebrochen, ist die „Hondius“ nördlich von Schottland auf sich allein gestellt. Wer da nicht auf sich und andere Acht gibt, riskiert einen Unfall oder eine Verletzung, die zu behandeln weit und breit kein Krankenhaus mehr in der Nähe ist. Und noch etwas gibt Sara den 170 Passagieren mit auf den Weg: „Es hat einen Grund, dass wir nicht Oceanwide Cruises heißen.“ In den kommenden Tagen steht nämlich der Expeditionscharakter der Reise im Vordergrund, und der unterscheidet sich kolossal vom Bordalltag bei Aida, Costa und Co.
Da wäre zunächst das Tagesprogramm, das lediglich eine Leitlinie darstellt, Plan A sozusagen. „Wenn Sie das Programm lesen, haben wir hinter den Kulissen schon längst Plan B und C fertig“, erklärt Sara, deren Titel auch nicht „Cruise Director“, sondern „Expedition Leader“ lautet. In den Polarregionen kann jederzeit das Wetter die „Hondius“ zu einer Kursänderung zwingen, Wind, Eis und Wellen sind hier unberechenbar. Wichtiger noch sind aber die Wildtierbeobachtungen, deretwegen ein Großteil der Passagiere an Bord ist. Für einen Wal wird schon mal das Schiff gestoppt, für einen Eisbären alles an Bord stehen und liegen gelassen; selbst die Essenszeit wird dann verlegt.
Die „Hondius“ selbst ist dabei wie geschaffen für Reiseerlebnisse dieser Art. 2019 in Kroatien gebaut, lässt sie kaum einen Wunsch offen, um ihren Gästen die polare Tierwelt und Landschaft nahe zu bringen. Die Kommandobrücke: jederzeit offen. Das Vorschiff: jederzeit offen. Das Peildeck: jederzeit offen. (Schlechtes Wetter einmal ausgenommen.) Ferner erlauben zwei wasserdichte Türen im Rumpf, sog. „shell doors“, ein schnelles An- und Von-Bord-Gehen, wenn die Expedition außerhalb der „Hondius“ fortgesetzt wird.
Die Aktivitäten an Land bzw. im Eismeer stellen nämlich einen Schwerpunkt bei Oceanwide Expeditions dar. Die Passagiere sollen so wenig Zeit wie möglich an Bord, dafür möglichst viel in Zodiacs, Kajaks und Schneeschuhen verbringen. Außer am Anfang und am Ende der Reise läuft die „Hondius“ daher auch kaum „richtige“ Häfen an, vielmehr stehen in erster Linie Anlandungen an entlegenen Inseln, Küstenabschnitten und Buchten auf dem Programm. Mitkommen darf nur, wer bei stabiler Gesundheit ist und vor der Reise ein entsprechendes Formular ausgefüllt hat, das in Vlissingen genau geprüft wird.
Auch die Gästeschar unterscheidet stark von anderen Schiffen. Auf dem Weg zu den Shetland-Inseln, nach Jan Mayen und Spitzbergen sind an diesem Juni-Wochenende jede Menge „Birders“ dabei – Hobby-Vogelfotografen, die schon vor Sonnenaufgang mit schweren Teleobjektiven bewaffnet bei Wind und Wetter an der Reling stehen, um Küsten- und Meeresvögel auf ihre Speicherkarte zu bannen. Unter Deck hängen Listen aus, in die die Sichtungen eingetragen werden, tägliche „Recaps“ im Konferenzraum an Bord fassen die Erlebnisse und Beobachtungen zusammen. All dies selbstredend in Englisch, auch wenn der Passagiermix überwiegend europäisch ist und viele Teilnehmer aus Deutschland und den Benelux-Ländern kommen.
Unterstützt werden diese durch ein Team von Wissenschaftlern und Experten, die den Passagieren mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn sie nicht gerade in Eis und Schnee voranmarschieren oder in Zodiac und Kajak nach Meeressäugetieren Ausschau halten. Und die praktisch nie Feierabend haben, denn während der Mahlzeiten mischen sie sich unter die Gäste, um mit ihnen zusammen Gesehenes und Erlebtes zu vertiefen. Schon nach zwei Tagen an Bord sind auf diese Weise alle an Bord eine große Familie.
Spa und Swimmingpool sucht man dafür auf der „Hondius“ vergeblich, Kasino und Disco sowieso. Dafür kann die gut bestückte Bordbibliothek mit Bestimmungsbüchern aller Art aufwarten, der „Mud Room“ mit Parkas, Schneeschuhen und Kletterstiefeln in sämtlichen Größen und die gemütliche Observation Lounge mit Tee, Kaffee und Gebäck rund um die Uhr. Denn auch die klassische Nachtruhe gibt es an Bord nicht – im Polarsommer scheint draußen fast ununterbrochen die Sonne. Geschlafen wird, wenn keine Tiere in Sicht sind und auch die Zodiac-Kapitäne mal eine Pause brauchen.
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