Als Vorderpfälzerin hat man es nie weit zum Weindealer seines Vertrauens. Entlang der beschaulichen Dörfer der Deutschen Weinstraße findet man hervorragende Rieslinge, Silvaner und Dornfelder. Doch obwohl die Heimat mit erstklassigen Tropfen auftrumpfen kann, lohnt sich gelegentlich ein Besuch in den Nachbarländern.
Insbesondere die Schweiz hat eine Vielzahl hochwertiger Weine zu bieten, die in Deutschland nur schwer zu finden sind, da der Großteil der eher kleinen Produktionsmengen im eigenen Land konsumiert wird. Lediglich 1 Prozent wird ins Ausland exportiert, wobei Japan der Hauptabnehmer ist.
UNESCO-Weltkulturerbe Lavaux
Um in den Genuss dieser edlen Tropfen zu kommen, sollte man mitsamt seinen Französischkenntnis nach Lavaux reisen. Die Weinbauregion im Kanton Waadt gehört zu den besten des Landes und nicht ohne Grund wurden die terrassenförmigen Weinberge, die sich über rund 30 Kilometer entlang des Nordufers des Genfersees erstrecken, 2007 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Die Hänge wurden bereits im 11. Jahrhundert von Mönchen bebaut, geformt wurden sie jedoch in Folge von Gletscheraktivitäten, durch die verschiedene Gesteinsarten und Mineralien abgelagert wurden. Sie liegen zwischen 30 und 400 Meter über dem Genfersee, der an Herbsttagen oft von einem mystischen Nebelschleier umhüllt ist. Wenn die Sonne scheint, profitieren die terrassierten Weinberge dreifach von ihrer südlichen Ausrichtung: direkt von oben, durch die reflektierende Oberfläche des Sees und von den steinernen Terrassenmauern, die tagsüber Sonnenwärme speichern und nachts wieder abgeben. Dies, kombiniert mit dem guten Luftaustausch durch die Hanglage, schafft ein einzigartiges Mikroklima, das den Trauben optimale Bedingungen bietet und zur Qualität des Weins beiträgt.
Da die Hänge sehr steil und schmal sind, ist der Einsatz von Maschinen kaum möglich. Die Trauben werden von den Winzern per Hand gepflückt und in einigen Fällen mit Monorails aus den höhergelegenen Terrassen transportiert. Sogar Rettungshubschrauber kommen in manchen Parzellen zum Einsatz, um die geernteten Trauben schnell von den Weinbergen in die Keltereien zu bringen. Denn sobald die Trauben geerntet und vom Rebstock getrennt sind, beginnen sie zu oxidieren, was Frische und Aromen kosten kann.
In Lavaux werden zu 80 % Weißweine produziert, wobei der Chasselas die Hauptrebsorte ist. Die mineralischen Böden bieten ideale Bedingungen für dessen Anbau. Während ein Chardonnay bereits einen ausgeprägten Geschmack hat, ist ein Chasselas eher neutral. So kann die Pflanze ihre Aromen durch die Mineralien im Boden entwickeln. Diese Weine sind in der Regel leicht und weisen eine angenehme Säure auf, die sie zu hervorragenden Begleitern für viele Speisen macht, insbesondere für lokale Gerichte wie Fisch aus dem See oder Käse.
Wein-Tasting bei Jérôme Aké Béda
Nach so viel Theorie ist es Zeit, den Wein zu kosten. Am besten geht das bei Jérôme Aké Béda, einem der renommiertesten Sommeliers, der hoch oben in den Weinbergen von Chexbres im Restaurant La Chalet arbeitet.
1990 zog er aus seinem Heimatland, der Elfenbeinküste, in die Schweiz. Zu seinem heutigen Beruf kam er eher zufällig: Eigentlich arbeitete er im Service eines Hotels, sprang jedoch 2003 kurzfristig bei einem Wein-Wettbewerb ein, nachdem der ursprüngliche Sommelier nicht mehr auffindbar war. Die Jury war direkt von seinen Fähigkeiten überzeugt und verlieh ihm den Preis des besten Sommeliers der französischsprachigen Schweiz. Es folgten viele weitere prestigeträchtige Auszeichnungen: Der Gault-Millau ernannte Jérôme Aké Béda 2015 zum besten Sommelier der Schweiz, und Falstaff zeichnete ihn 2022 für die beste Weinkarte des Landes aus. Er ist auch Autor von drei Büchern, darunter „Les 99 Chasselas à boire avant de mourir“ – auf Deutsch: „99 Chasselas, die man im Leben trinken sollte“.
Trotz seiner Erfolge bleibt Jérôme bescheiden. Für ihn geht es vor allem darum, die Geschichte und Seele eines jeden Weins zu entdecken. Er lernt ständig von den Winzern – wie sie den Wein herstellen, wo er wächst, und welche Philosophie dahintersteckt. Für ihn muss Wein wie eine Schweizer Uhr sein: kunstvoll und präzise, wobei Qualität vor Quantität steht. Agglomerierter Korken oder welche aus Kunststoff sind für ihn ein No-Go. Häufig diskutiert er daher mit Winzern über die Vorzüge von Schraubverschlüssen, weil sie die Seele des Weins offenbaren. „Wenn man in einem schönen Haus lebt, kauft man ja auch keine Türen von Temu“, argumentiert er und lächelt zufrieden. Ob das an der sagenhaften Aussicht liegt oder an der Tatsache, dass schon einige Weinproduzenten wegen seiner Aussage umgeschwenkt sind, bleibt ein Rätsel.
Rätselhaft sind auch die Weine, die zum Essen gereicht werden. Jérôme Aké Béda erlaubt sich den Spaß eines Blind Tastings. Wir nippen skeptisch an unseren Gläsern, versuchen, die identitätslosen Tropfen zu entschlüsseln. Die Atmosphäre ist voller Spannung und Gelächter, wenn jemand mutig behauptet, einen Chardonnay zu erkennen, während ein anderer überzeigt ist, dass es sich doch eindeutig um einen Chasselas handelt. Mit jedem weiteren Schluck eröffnet sich eine neue Dimension des Geschmacks, und der Abend verwandelt sich in eine spannende Entdeckungsreise. Wein sollte schließlich nicht nur getrunken, sondern auch gelebt werden. Und das wird im La Chalet besonders zelebriert.
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