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Zwei klassische Liner-Schornsteine, ein halb offenes holzgetäfeltes Promenadendeck und zwei hoch aufragende Masten? Nicht gerade die Silhouette moderner Kreuzfahrtschiffe. Sondern die der kleinen „Kristina Regina”.

Mit ihren 35 Dienstjahren und ihrer Länge von nur knapp 100 Metern gehört die “Kristina Regina” zu den ältesten und kleinsten Kreuzfahrtschiffen der Welt. Und sie ist komplett in finnischer Hand. „Sie müssen viele Fragen stellen“, erklärt mir daher Raja, die sich bei der Einschiffung als Kabinen-Stewardess, Bedienung im Restaurant und Krankenschwester in Personalunion vorstellt. Als einziger Nicht-Finne hat man es an Bord also nicht ganz leicht, aber Englisch spricht zum Glück fast jeder, und den Rest erledigen Hände, Füße und ein Lächeln.

Ein Anblick, der Nostalgikerherzen höher schlagen lässt: der röhrenförmige Doppelschornstein der „Kristina Regina“
Ein Anblick, der Nostalgikerherzen höher schlagen lässt: der röhrenförmige Doppelschornstein der „Kristina Regina“ / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Bereits beim Abendessen kurz nach dem Auslaufen aus Las Palmas wird deutlich, welch einzigartige Stellung die “Kristina Regina” innehält. Hier sitzt man mal mit einem Familienvater, dessen Frau und den drei Kindern zusammen an einem Tisch, mal mit einem jung gebliebenen finnischen Rentner-Ehepaar, mal aber auch ganz allein. Eine feste Sitzordnung gibt es ebenso wenig wie eine Kleiderordnung. Die Speisekarte hält vornehmlich skandinavische Gerichte bereit, also viel Fisch, aber auch die Spezialität der Schiffsküche, die traditionell am Donnerstag zubereitete Bohnensuppe.

Das Wahrzeichen von Las Palmas de Gran Canaria: die 500 Jahre alte Kathedrale Santa Ana
Das Wahrzeichen von Las Palmas de Gran Canaria: die 500 Jahre alte Kathedrale Santa Ana / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Über Lanzarote strahlt am nächsten Morgen die Sonne. In der Nebensaison geht es hier geruhsam zu, und so bleibt genügend Zeit, auf dem Weg in die Stadt die rot-braune Lava-Landschaft zu bestaunen, für die diese kärgste aller Kanaren-Inseln so berühmt ist. Malerisch liegt sodann Charco de San Gines da, das kleine Fischerviertel von Arrecife, in dessen Hafenbecken Dutzende von kleinen Ruder- und Motorbooten auf ihren Einsatz warten. Manche davon scheinbar vergebens, urteilt man nach der Zeit, die diese Boote schon im bzw. unter Wasser verbracht haben müssen. Unsere Weiterfahrt nach Fuerteventura erfolgt erst früh am nächsten Morgen – Zeit also, nach der Rückkehr das eigene Schiff genauer unter die Lupe zu nehmen.

Orange-roter Sand und nur vereinzelt eine Palme: Lanzarote ist die landschaftlich kärgste der Kanarischen Inseln
Orange-roter Sand und nur vereinzelt eine Palme: Lanzarote ist die landschaftlich kärgste der Kanarischen Inseln / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Fuerteventura

Die meisten Kabinen an Bord sind klein, ein Weltreiseschiff ist die “Kristina Regina” nicht. Ihr Vorzug liegt vielmehr in ihrer altmodischen Einrichtung: Türen, Fensterrahmen, Möbel – alles ist hier noch aus Holz. Auch die Außendecks warten mit außergewöhnlich viel Holz auf, seien dies nun die Planken im Boden oder aber die Liegestühle und Bänke auf dem Sonnendeck. Neben den beiden Restaurants verfügt das Schiff noch über die Salons Café Navigare und Manoeuvre Bar; an letztere schließt sich noch die kleine Anchor Bar an, in der Tanzveranstaltungen und Musikabende stattfinden. Zusätzlich zu den Salons gibt es auch noch den Baltic Room auf Deck 3 und die beiden Saunen mit angeschlossenem Fitnessraum auf Deck 1.

Blick in Kabine 451. Das altmodisch anmutende Holz-Interieur scheint seit den 1960er Jahren kaum verändert
Blick in Kabine 451. Das altmodisch anmutende Holz-Interieur scheint seit den 1960er Jahren kaum verändert / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Am nächsten Morgen legt die “Kristina Regina” in Puerto del Rosario auf Fuerteventura an. Meine Inseltour führt mich heute über die Salinen an der Ostküste zum Punta de la Entallada mit seinem burgähnlichen Leuchtturm in schwindelerregender Höhe. Das verschlafene Fischerdorf Las Playitas folgt als nächstes auf dem Programm, ehe sich der Pick-Up der „American Star Tour“ die Straßen am Vulkan El Cardon hinaufkämpft. Von dort führt die Fahrt zum Playa del Garcey und somit zu einem der berühmtesten Schiffswracks der Welt: dem Atlantikliner „American Star“, der hier 1994 auf dem Weg zur Abwrackwerft gestrandet ist und seitdem zusehends verfällt.

Eines der berühmtesten Wracks der Welt: Der ehemalige Atlantikliner „American Star“ strandete 1994 im Sturm vor Fuerteventura
Eines der berühmtesten Wracks der Welt: Der ehemalige Atlantikliner „American Star“ strandete 1994 im Sturm vor Fuerteventura / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Teneriffa und La Gomera

Um 18 Uhr heißt es wieder „Leinen los“, und die “Kristina Regina” schaukelt mit gemächlichen elf Knoten Fahrt ihrem nächsten Ziel Teneriffa entgegen. „Schaukeln“ ist genau so zu verstehen, denn die “Kristina Regina” verfügt über keine Stabilisatoren. Auch die Warnung der Reederei „On windy weather, the ship will rock“ ist etwas untertrieben, denn ein sanftes Auf und Ab vernimmt man als Passagier auch dann, wenn das Wetter ganz und gar nicht „windy“ ist. Unterdessen kann man zu allen Tageszeiten und Gelegenheiten beobachten, wie Passagiere untereinander, aber auch mit den Besatzungsmitgliedern zwanglose Gespräche führen, miteinander scherzen und sich freundlich grüßen – auf größeren Schiffen mit vielen verschiedenen Nationalitäten unter Passagieren und Besatzung eine Seltenheit.

Das „Café Navigare“ gehört zu den gemütlichsten Plätzen an Bord der kleinen „Kristina Regina“
Das „Café Navigare“ gehört zu den gemütlichsten Plätzen an Bord der kleinen „Kristina Regina“ / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Im Gegensatz zu Lanzarote und Fuerteventura begrüßt Teneriffa seine Gäste am nächsten Morgen mit Nieselregen. Zwei Tage Liegezeit bieten aber reichlich Gelegenheit auch für längere Ausflüge, und so besteige ich einen Bus nach Los Christianos, dem Hafen an der Südspitze Teneriffas. Von hier aus verkehren Fähren nach La Palma, La Gomera und El Hierro. Gomera war bis 1492 auch das Ende der Welt, zumindest derjenigen, die man in Europa zu diesem Zeitpunkt kannte. Mit etwas Mühe bahnt sich meine Fähre ihren Weg durch die kabbelige See, und kein Anblick könnte passender sein für das Ende der Welt als der der Inselhauptstadt San Sebastian: Dicke tiefgraue Regenwolken hängen über der Insel, und die Lavaklippen, die sich wie soeben erst emporgewachsen plötzlich vor dem Bug der Fähre auftürmen, wirken so bedrohlich als wollten sie sagen: Bis hierhin, und nicht weiter.

Die Fähre aus Teneriffa steuert die enge und felsige Hafeneinfahrt von San Sebastian de la Gomera an
Die Fähre aus Teneriffa steuert die enge und felsige Hafeneinfahrt von San Sebastian de la Gomera an / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Am nächsten Tag ist das Wetter wie ausgewechselt – strahlender Sonnenschein lädt zu einem Bummel durch den Hafen und die Innenstadt von Santa Cruz ein. Die Silhouette der Stadt ist geprägt vom Kolonialstil des 19. Jahrhunderts, und auch wenn diese Architektur nicht jedermanns Sache ist, so ist Santa Cruz in jedem Fall einen Stadtrundgang wert. Enge Gassen mit kleinen Läden warten hier auf die Besucher, und die bunt bemalten Häuser mit ihren verzierten Holzbalkonen sind jedes Mal aufs Neue sehenswert.

Die „Kristina Regina“ im Hafen von Santa Cruz de Tenerife
Die „Kristina Regina“ im Hafen von Santa Cruz de Tenerife / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

La Palma

Vor der abendlichen Abfahrt nach La Palma ist das Sonnendeck der “Kristina Regina” gut besucht. Nicht nur der rege Schiffsverkehr im Hafen, sondern auch die vielleicht letzte Gelegenheit, einen Drink an der Sky Bar zu genießen, locken die Passagiere auf die auch nach 45 Jahren noch nicht morschen Planken auf dem Boots- und Sonnendeck. Der eine ist in seinen Roman versunken, die nächste in ihre Handarbeit und wieder ein anderer erkundet mit dem Fernglas die Felsen und Vulkane im Hinterland von Santa Cruz. Keine aufdringlichen Kellner stören die Idylle an Deck, keine endlosen Durchsagen in sieben verschiedenen Sprachen, keine laut meckernden Mitreisenden, die „ihren“ Liegestuhl von jemand anderem besetzt wähnen. Herrlich.

Ein Anblick wie aus vergangenen Tagen: das holzgetäfelte offene Promenadendeck der „Kristina Regina“
Ein Anblick wie aus vergangenen Tagen: das holzgetäfelte offene Promenadendeck der „Kristina Regina“ / © FrontRowSociety.net, Foto: Kai Ortel

Als letzte Insel wartet La Palma auf die “Kristina Regina”. „La Isla Bonita“, wie die Insel auch genannt wird, sollte man unbedingt zu Fuß entdecken. Buslinien sind dünn gesät, Mietwagen haben auf den bergigen Pisten ihre liebe Not, und an Fahrradtouren sollte man besser gar nicht erst denken. Sandstrände sind auf La Palma genauso Mangelware wie historische Baudenkmäler, die größte Sehenswürdigkeit ist die grandiose Natur. Und wer sich die Mühe macht, zu Fuß den Hafen der Inselhauptstadt zu umrunden, kann an dessen südlichem Ende seine Füße an einem pechschwarzen Lavastrand baden. Am Abend heißt es dann leider Abschied nehmen von La Palma und von einer unvergesslichen Kanaren-Kreuzfahrt, die nur die Insel El Hierro ausgespart hat.

Im Dienst ist die “Kristina Regina” mittlerweile übrigens nicht mehr, der Nachwelt erhalten geblieben ist sie aber sehr wohl: Im Hafen von Turku dient sie inzwischen als Hotel-, Restaurant- und Museumsschiff.

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