Francesco Calòs Pizzen aus der Via Toledo Enopizzeria sind weit über Wiens Stadtgrenzen hinaus bekannt – im Interview erzählt der Pizzaiolo, Italiener und Wahlwiener von seiner Karriere und der perfekten Kruste.
Im Mai 2024 erreichte die Via Toledo Enopizzeria in Wien einen herausragenden Meilenstein: Bei den „50 Top Pizza Europe 2024“ Awards in Madrid wurde Chef Francesco Calò, der bereits 2019 in Neapel Weltmeister wurde, für seine spezielle Interpretation der klassischen Marinara, die „Nero di Marinara“, gleich doppelt ausgezeichnet. Diese innovative Kreation brachte ihm die prestigeträchtigen Auszeichnungen „Beste Pizza Europas“ und „Beste Pizzeria Österreichs“ ein. Darüber hinaus sicherte sich die Via Toledo Enopizzeria den beeindruckenden dritten Platz in der Gesamtwertung der besten Pizzerien in Europa. Wir haben den preisgekrönten und zu Recht stolzen Pizzabäcker nicht nur getroffen, sondern wurden von ihm auch kulinarisch verwöhnt.
Exklusives Interview mit Francesco Calò
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Francesco, wie fühlt es sich an, mit diesen Auszeichnungen belohnt zu werden?
Francesco Calò: Die beste Pizza Europas – das ist echt der Gipfel der Gefühle. Ich bin überwältigt und glücklich zugleich, weil das eine Auszeichnung von sehr, sehr hohem Wert ist. Prinzipiell sind solche Awards ja immer so eine Sache. Angefangen hat alles eigentlich 2019, als meine Frau Chiara in einem Magazin gelesen hat, dass es in Neapel eine Pizzaweltmeisterschaft gibt – und sie wollte unbedingt, dass ich mitmache. Für mich war die Idee verrückt – eine WM in der Hauptstadt der Pizza und ich, der kleine Pizzabäcker aus Apulien? Also bin ich ohne jegliche Erwartung hin – und habe gewonnen. Von da an ging es bergauf. Plötzlich habe ich nicht mehr 20 Pizzen am Tag verkauft, sondern 1.200.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Was hat dich inspiriert Pizzakoch zu werden und wie hast du deine Karriere in der Küche begonnen?
Francesco Calò: Meine Eltern hatten eine Bäckerei in der Nähe von Brindisi und ich bin sozusagen zwischen Mehlsäcken aufgewachsen. Besser kann es ein Pizzaiolo eigentlich nicht treffen. Trotzdem bin ich nach der Schule erst einmal zur Küstenwache nach Rimini gegangen, bis mich mein Vater nach drei Jahren zurückgeholt hat – weil er für meine Schwester, meinen Bruder und mich eine Bäckerei mit Cafeteria und Pizzeria eröffnen wollte. Aber leider wurde unsere Idee der außergewöhnlichen Pizza dort nicht wirklich angenommen – die Leute wollten die klassische Pizza zu niedrigen Preisen. Deshalb beschloss ich mit meiner Frau wegzugehen. Erst war der Plan, nach London zu gehen, aber dann hat uns ein Freund, der in Wien bei der italienischen Botschaft arbeitet, überredet, es hier zu versuchen. Angekommen sind wir, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, in einem kleinen Auto, einem riesigen Chow-Chow und mit 1.000 Euro in der Tasche. Wir haben bescheiden gewohnt und hatten nicht einmal das Geld für Winterreifen, weil man die in Italien ja gar nicht braucht.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Wie beschreibst du deine kulinarische Philosophie?
Francesco Calò: Prinzipiell findet man bei uns einen guten Mix aus alten Familienrezepten und neuen Kreationen, an denen ich gerne und lange tüftle. Generell kann man aber sagen: Je besser das Grundprodukt, desto weniger Zutaten braucht man für ein gutes Ergebnis.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Was ist dein Pizza-Geheimnis?
Francesco Calò: Ich denke, es ist der Teig. Ich habe 2020 eine eigene Mischung kreiert und die traditionelle italienische Mehlmischung aus meiner Küche verbannt. Meine Mischung besteht aus zehn bis zwölf verschiedenen Mehlsorten, es ist quasi ein Vollkornteig, der aber nicht wie ein Vollkornteig schmeckt. Der Teig ist auch nicht weiß, sondern ein wenig haselnussfarbig. Der Pizzateig soll wie frisch gebackenes Brot schmecken. Der Duft, das Krokante, muss genauso einzigartig sein, wie der Geschmack. Wichtig ist auch die stimmige Balance mit allem was auf die Pizza kommt.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Wein oder Bier zur Pizza?
Francesco Calò: In Österreich trinkt man zur Pizza hauptsächlich Bier. Das ist aber eher unpassend, weil beides zusammen zu viele Proteine hat. Das Perfect Match ist mit Wein. Denn dieser trägt das Feine der Pizza sehr viel besser.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Welche Rolle spielen Zutaten in deiner Küche?
Francesco Calò: Eine sehr große Rolle. Alle meine Zutaten beziehe ich aus Italien – die Basisprodukte aus Neapel beziehungsweise aus Kampanien. Das hat den einfachen Grund, dass Neapel die Pizza-Hauptstadt der Welt ist und man dort natürlich die besten Zutaten findet. Andere Zutaten, wie zum Beispiel Pistazien (aus Sizilien), beziehe ich auch aus Regionen, die dafür berühmt sind. Nur so kann ich sichergehen, dass ich auch den besten Geschmack auf meine Pizzen bringe.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Wie wichtig ist dir das Feedback deiner Gäste und integrierst du auch Kundenwünsche?
Francesco Calò: Dass wir heute 1.300 Pizzen pro Tag verkaufen, ist für mich das schönste Kompliment. Natürlich mussten wir mit der Einführung von Zwei-Stunden-Slots einen Schritt gehen, der nicht bei allen Gästen beliebt ist. Aber dazu möchte ich sagen: Im Gegensatz zu einem Sterne-Restaurant gibt es in der Pizzeria keine sieben Gänge, die Zubereitung dauert 15 Minuten, daher ist auch die Zeit ausreichend. Schließlich möchte ich nicht zu viele Gäste vertrösten müssen. Was die Wünsche angeht, bin ich ehrlicherweise nicht ganz so flexibel. Italiener essen Pizza anders als wir – eine Pizza mit Salami und Mais gibt es in Italien nicht. Meine Belegungen sind präzise ausgearbeitet, deshalb gebe ich auch auf Wunsch keine anderen Zutaten darauf. Für mich muss alles perfekt zusammenpassen.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Welche Pizzen stehen aktuell auf der Karte und hast du besondere Favoriten?
Francesco Calò: Wir haben aktuell zwanzig Pizzen auf der Karte, die wir ungefähr alle drei Monate abändern. Wobei Klassiker wie die Nero di Marinara, welche heuer Pizza des Jahres wurde, oder die Doc in the World, mit der ich 2019 in Neapel Weltmeister wurde, immer gibt. Letztere ist auch meine persönliche Lieblingspizza – marinierte Zucchini, Provolone de Monaco und frische Minze.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Was machst du in deiner Freizeit?
Francesco Calò: Da unsere Pizzeria täglich geöffnet ist, bleibt nicht viel Zeit für Freizeit. Meine Frau und ich haben eine kleine Tochter, die 2016 geboren wurde, sodass der Familienalltag im Mittelpunkt steht. In meiner Jugend war ich passionierter Fußballer und Rennradfahrer – und das gar nicht so schlecht.
Astrid Steinbrecher-Raitmayr: Via Toledo Enopizzeria quo vadis?
Francesco Calò: Pläne habe ich natürlich viele, de facto wollen wir am Standort Wien aber bei einer Pizzeria bleiben. Eventuell ein größeres Lokal, das wäre schön, weil wir täglich fast hundert Gäste aus Platzmangel abweisen müssen. Wir haben aktuell drinnen 94 Plätze, im Garten 45. Auch eine angeschlossene Bar wäre etwas, das mir gefallen würde. Ein ferner Traum von meiner Frau und mir ist es auch, eine Pizzeria in Madrid zu eröffnen. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
FrontRowSociety-Redakteurin Astrid Steinbrecher-Raitmayr führte das Interview mit Francesco Calòs, Inhaber der Via Toledo Enopizzer in Wien, im Mai 2024.