Ein optimaler Versicherungsschutz auf Reisen ist unabdingbar. Es sollte keine Fahrt in den Urlaub beginnen, ohne dass zuvor die nötigen Reiseversicherungen gecheckt worden sind.
Denn neben der Reiserücktrittsversicherung oder der Reiseabbruchversicherung dürfte insbesondere für gesetzlich Versicherte eine Auslandskrankenversicherung in Frage kommen, die alles zum Thema Krankheit außerhalb der EU absichert. Aber auch eine Reisegepäckversicherung oder die Reiseunfallversicherung bzw. eine Reisehaftpflichtversicherung kann in manchen Fällen hilfreich sein. Und wer einmal aus dem Urlaub zurücktransportiert werden muss, für den zahlt sich eine Reisekrankenrücktransportversicherung aus.
Über den optimalen Versicherungsschutz auf Reisen haben wir uns mit Karolina Wojtal ausgetauscht. Sie ist Leiterin EVZ Deutschland für den Fachbereich Recht und Öffentlichkeitsarbeit und ebenfalls Pressesprecherin.
Andreas Conrad: Welche grundlegenden Versicherungen sollten Urlauber in Europa abschließen, um sich optimal abzusichern, insbesondere im Hinblick auf medizinische Notfälle?
Karolina Wojtal: Absolut unverzichtbar ist eine Auslandskrankenversicherung. Eine private Auslandskrankenversicherung ist ein Muss, auch bei Reisen innerhalb der Europäischen Union. Sie deckt medizinische Kosten ab, die während Ihrer Reise anfallen könnten. Einige Anbieter bieten zusätzliche Leistungen wie medizinische Telekonsultation 24/7 und Rückführung & 24/7 Assistance.
Reiserücktrittsversicherung: Sie deckt die Kosten, die entstehen, wenn Sie Ihre Reise vor dem Beginn stornieren müssen. Vor allem bei Reisen mit Kindern oder aber wenn man sehr weit im Voraus bucht empfehlenswert.
Reiseabbruchversicherung: Sie deckt die Kosten, die entstehen, wenn Sie Ihre Reise nach dem Beginn abbrechen müssen. „Kann“, aber kein Muss, meist ruiniert einen dies nicht. Nur abschließen, wenn sie als Kombipaket mit einer Reiserücktrittversicherung zu haben ist.
Aus unserer Sicht verzichtbar:
Reise-Unfallversicherung: Sie bietet finanziellen Schutz im Falle eines Unfalls während der Reise.
Reise-Haftpflichtversicherung: Sie deckt Schäden, die Sie während Ihrer Reise an Dritten verursachen könnten.
Bei den beiden vorgenannten Versicherungen reicht in der Regel das auch sonst, nicht reisespezifisch, abgeschlossene Produkt. Hier muss man nur Prüfung, in welchen Ländern Deckung besteht.
Gepäckversicherung: Sie deckt den Verlust oder die Beschädigung Ihres Gepäcks während der Reise. Nicht notwendig, ist der Transporteur (Airline, Bahn, Bus) für den Verlust oder Schaden verantwortlich, haftet dieser. Außerdem sind die Bedingungen, unter denen die Versicherung zahlt, oft so eng, dass ich das Gepäck sowieso die ganze Zeit sicher verwahren und im Auge behalten muss.
Andreas Conrad: Gibt es spezifische Unterschiede in den Versicherungsanforderungen je nach Reiseziel innerhalb Europas, auf die Urlauber besonders achten sollten?
Karolina Wojtal: In der Regel decken die einzelnen Produkte alle Mitgliedstaaten und in der Regel auch den EWR an. Allerdings gibt es einige Punkte, die Reisende insgesamt beachten sollten:
Geltungsbereich: Stellen Sie sicher, dass Ihre Auslandskrankenversicherung in dem Land, in das Sie reisen, gültig ist.
Dauer des Versicherungsschutzes: Prüfen Sie bei längeren Aufenthalten unbedingt die Dauer des Versicherungsschutzes.
Versicherung für Mietwagen: Wenn Sie im Ausland einen Mietwagen fahren, sollten Sie bei den Versicherungen aufpassen. In der Regel schließen Sie mit dem Mietvertrag zumindest auch eine Kfz-Haftpflichtversicherung ab, besser noch einen Vollkaskoschutz ohne Selbstbeteiligung.
Gesundheitskosten: Die Gesundheitskosten können von Land zu Land variieren. In einigen Ländern können die Kosten für medizinische Behandlungen sehr hoch sein.
Medizinische Versorgung: Die Qualität der medizinischen Versorgung kann je nach Reiseziel variieren.
Andreas Conrad: Welche Rolle spielt die Reisekrankenversicherung im europäischen Kontext, und wie können Urlauber sicherstellen, dass sie angemessen abgesichert sind?
Karolina Wojtal: Durch die EHIC, die Europäischen Krankenversicherungskarte, besteht bei einem Notfall ein gewisser Basisschutz: Notfall im Ausland: Die Europäische Krankenversicherungskarte (evz.de). Oft wähnen sich Urlauber durch die EHIC aber in falscher Sicherheit und glauben, dass alles, bis auf den letzten Euro, übernommen wird. Dies ist nicht der Fall! Zum einen gilt das EHIC-System nur für gesetzlich Versicherte, diese finden die Karte in der Regel auf der Rückseite Ihrer Versicherungskarte.
Für Privatversicherte gilt: Wer innerhalb der EU privat versichert ist oder aus einem Nicht-EU-Land kommt, kann keine EHIC erhalten.
Für Privatversicherte gilt in der Regel der übliche Krankenversicherungsschutz auch im Ausland. Erkundigen Sie sich dennoch rechtzeitig bei Ihrem Vertragspartner oder der Beihilfestelle. Entscheidend ist der jeweilige Versicherungsumfang, der sich ausschließlich aus dem Versicherungsvertrag ergibt.
Es ist nicht selbstverständlich, dass die Kosten für besondere Leistungen wie Chefarztbehandlung, Einbettzimmer, medizinische Bäder oder Rücktransport in das Heimatland von der Beihilfe übernommen werden.
Mit der EHIC haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf medizinische Versorgung im EU-Ausland. Das bedeutet: Sie können wie Einheimische zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen, um sich behandeln zu lassen. Ihre gesetzliche Krankenversicherung übernimmt dann die Kosten, die nach dem jeweiligen ausländischen Recht erstattungsfähig sind.
Doch Vorsicht: hier können dennoch substantielle, finanzielle Belastungen auf jeden zukommen. Denn wenn beispielsweise auch nach nationalem Recht nicht alle Kosten übernommen werden oder Zuzahlungen bestehen, werden diese Kosten auch für Sie nicht übernommen. Sie sind aus eigener Tasche zu zahlen. Gegen diese Deckungslücken kann und sollte man sich unbedingt mit einer privaten Auslandsreisekrankenversicherung schützen. Diese ist auch für Familien für kleines Geld zu haben und sollte auf jeden Fall bestehen. Sie ist insbesondere auch wichtig, damit man zurück nach Hause transportiert wird, denn dies ist weder von der Krankenversicherung noch vom EHIC-Erstattungssystem umfasst.
Für weitere Details zur EHIC verweise ich auf unsere Seite, Sie können hier vollumfänglich zitieren: Notfall im Ausland: Die Europäische Krankenversicherungskarte (evz.de)
Achten Sie darauf, wie lange Sie sich ununterbrochen im Ausland aufhalten dürfen, damit die private Auslandsreisekrankenversicherung noch Schutz gewährt. Dauerhaft Weltenbummler oder Rentner, die irgendwo „überwintern“ möchten, benötigen ggf. ein spezielles Produkt.
Dinge, die jeder vor der Reise prüfen sollte:
Geltungsbereich der Versicherung: Stellen Sie sicher, dass Ihre Versicherung in dem Land, in das Sie reisen, gültig ist.
Dauer des Versicherungsschutzes: Überprüfen Sie, ob Ihre Versicherung den gesamten Zeitraum Ihres Aufenthalts abdeckt.
Leistungsumfang der Versicherung: Prüfen Sie genau, welche Leistungen von Ihrer Versicherung abgedeckt sind.
Rücktransport: Stellen Sie sicher, dass Ihre Versicherung die Kosten für einen Rücktransport abdeckt und zwar nicht nur, wenn dies medizinisch notwendig ist, sondern auch, wenn dies Ihrem Wunsch entspricht, sofern Sie transportfähig sind.
Selbstbeteiligung: Achten Sie darauf, ob Ihre Versicherung eine Selbstbeteiligung verlangt.
Informieren Sie Ihren Versicherer rechtzeitig: Wenn Sie Ihre Reise aufgrund einer Krankheit stornieren müssen, informieren Sie Ihren Versicherer so schnell wie möglich und reichen Sie alle erforderlichen Nachweise ein.
Andreas Conrad: Welche Fallstricke könnten Urlauber bei der Auswahl ihrer Versicherungen übersehen, und wie können sie diese vermeiden?
Karolina Wojtal: Grundsätzlich gilt: Verbraucher schätzen das Risiko, dass etwas passieren kann falsch ein, sie unterschätzen es in der Regel. Gleichzeitig überschätzen Sie ihren Schutz, glauben also für alle Eventualitäten abgesichert zu sein und kennen den eigentlichen Geltungsbereich der Versicherung gar nicht. Man kommt leider um das Lesen der AGB nicht herum.
Automatische Vertragsverlängerung: Verbraucher übersehen oft, dass das Produkt weiterläuft, wenn Sie nicht kündigen.
Gibt es einen Selbstbehalt/Selbstbeteiligung? Wie hoch? Möchte ich dies? Was kostet es, diesen rauszunehmen? Was lohnt sich eher?
Wer ist im Schadensfall mein Ansprechpartner und bei wem muss ich einen Schaden melden? Verbraucher verwechseln oft den Vermittler mit der eigentlichen Versicherung (Risikoträger).
Welche Mitwirkungspflichten habe ich? Wie schnell muss ich einen Schaden melden? Brauche ich z. B. ein ärztliches Attest. Kann und sollte ich mich vom medizinischen Dienst/Kundendienst der Versicherung beraten lassen, wie am besten vorzugehen ist?
Andreas Conrad: Inwiefern können bestimmte Aktivitäten oder Abenteuer während einer Europareise spezifische Versicherungsanforderungen mit sich bringen, auf die Urlauber besonders achten sollten?
Karolina Wojtal: Bei der privaten Haftpflichtversicherung ist darauf zu achten, dass sie auch die Nutzung von angemieteten Dingen umfasst ist, bei älteren Policen ist dies nicht immer der Fall. Auch sollten Risikosportarten abgedeckt sein, auch und vor allem bei der Unfallversicherung.
Andreas Conrad: Wie können Urlauber sicherstellen, dass sie eine ausreichende Deckung für unvorhergesehene Ereignisse wie Naturkatastrophen oder politische Unruhen haben, insbesondere in weniger stabilen Regionen Europas?
Karolina Wojtal: Das ist schwierig, denn bei solchen Ereignissen greifen z. B. Reiserücktrittsversicherungen nicht. Man kann sich leider nicht gegen alles absichern, manches gehört auch zum allg. Lebensrisiko und ist schlicht nicht versicherbar. Vor der Entscheidung für ein Reiseziel empfehlen wir unbedingt einen Blick auf die Seite des Auswärtigen Amtes, auf dieser Grundlage lassen sich gut Entscheidungen treffen. Diese Informationen gibt es auch als App: App Sicher Reisen – Auswärtiges Amt (auswaertiges-amt.de). Wer länger bleibt, sollte sich auf die Auslandsliste des Auswärtigen Amtes setzen lassen, so wird man in schwierigen Situationen informiert und erhält Unterstützung: ELEFAND Anmeldung (diplo.de).
Andreas Conrad: Welche Rolle spielen persönliche Umstände wie Gesundheitszustand, Alter oder Reisedauer bei der Auswahl der geeigneten Versicherungen für eine Europareise?
Karolina Wojtal: Unvorhergesehene Krankheiten oder Unfälle können natürlich auch von Menschen mit Vorerkrankung versichert werden. Bei bereits bekannten Erkrankungen ist jedoch besondere Vorsicht geboten: Ich empfehle Verbrauchern sich in einem solchen Fall ein Attest vom Arzt geben zu lassen. Darauf sollte vermerkt sein, dass Sie reisetauglich sind, da Sie beispielsweise medikamentös gut eingestellt sind. Aber ehrlicherweise zeigt unsere Erfahrung, dass solche Fälle auch mit Attest haarig bleiben: Oft stellen sich Versicherer trotzdem erstmal quer.
Und: ab einem gewissen Alter bekommt man ggf. gar keine Versicherung mehr. Oder es fallen höhere Prämien an. Wer bereits z. B. eine Auslandsreiseversicherung hat, der sollte sie einfach durchlaufen lassen und so lange behalten, so lange Reisen noch körperlich möglich und gewünscht sind. Diese Produkte kosten zum Glück nicht viel Geld. Kündigen kann die Versicherung aufgrund des Alters nicht, aber der Neuabschluss kann schwierig bis unmöglich sein.
Andreas Conrad: Gibt es bestimmte Versicherungsanbieter oder -pläne, die sich als besonders vorteilhaft für Europareisende erwiesen haben, und worauf sollten Urlauber bei der Auswahl eines Anbieters achten?
Karolina Wojtal: Konkrete Empfehlungen dürfen wir leider nicht geben, aber die wichtigsten Produkte werden regelmäßig von der Stiftung Warentest geprüft, auch ein Blick auf die Seite von Finanztip – Deutschlands Geld-Ratgeber lohnt sich.
Andreas Conrad: Welche allgemeinen Ratschläge oder Tipps würden Sie Urlaubern geben, um sicherzustellen, dass sie optimal abgesichert sind und mögliche Fallstricke bei der Versicherung für ihre Europareise vermeiden können?
Karolina Wojtal: Versicherungsschutz prüfen: manche haben bereits Versicherungen abgeschlossen ohne es zu wissen. So beinhalten beispielsweise einige Kreditkarten bereits einen guten Schutz. Man kommt aber nicht drumherum genau in die Bedingungen zu schauen, denn der Umfang des Versicherungsschutzes ist nicht gesetzlich festgelegt, jeder Anbieter bestimmt ihn selbst. Wichtige Fragen: wer ist versichert? Reicht die Versicherungssumme? Was muss ich tun, um den Schutz zu aktivieren? (in der Regel ist z. B. Automobilclubs bieten Ihren Mitgliedern ebenfalls Versicherungspakete an, oft zu vergünstigten Tarifen.
Sollte sich die Versicherung einmal quer stellen: Stellen Sie sicher, dass die Versicherung bei einer Schlichtungseinrichtung angeschlossen ist, in Deutschland ist dies der Versicherungsombudsmann, oder eines der Pendants im EU-Ausland: Schlichtung: Liste mit Streitbeilegungsstellen in der EU | evz.de
Wir danken Karolina Wojtal, Leiterin EVZ Deutschland für den Fachbereich Recht-Öffentlichkeitsarbeit für die aufschlussreichen Antworten.
FrontRowSociety-Herausgeber Andreas Conrad führte das Interview mit Karolina Wojtal im August 2024.
Weiterführende Informationen sind zu bekommen bei Karolina Wojtal, LL.M. (Brügge)
Leiterin EVZ Deutschland – Fachbereich Recht/Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecherin