Autorin: Lina Gohrke
Der stilvolle Empfang im Gourmetrestaurant Cinc Sentits in Barcelona gibt bereits einen Vorgeschmack auf den exquisiten Ideenreichtum des darauffolgenden Menüs des Abends: In elegantem, ruhigem Ambiente stehen nur wenige Stehtische aus massiven Baumstämmen. Der Welcome-Drink, selbstgemacher Wermut, wird von leisem Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern begleitet.Mit dieser Szenerie gelingt es Küchenchef Jordi Artal, eine liebgewonnene Kindheitserinnerung sanft zu integrieren: Er erinnert an einen Baum im Garten seines Großvaters und knüpft eine lebendige Verbindung zu seiner Heimat Tarragonien und der Natur.
Geboren in Kanada, verlor Artal nie seine spanischen Wurzeln: In jungen Jahren stander gemeinsam mit seiner Mutter und Großmutter in der Küche, durfte die Geheimnisse der heimischen Gerichte Tarragoniens kennenlernen und stellte so mit Leidenschaft die Weichen für seinen späteren Berufsweg. Für die Eröffnung eines eigenen Restaurants entschied sich der passionierte Koch im Jahr 2002. Im Jahr 2008 erhielt er seinen ersten Michelin-Stern,ein zweiter Stern folgte im Jahr 2020.
Nur 12 Tische im Restaurant
Cinc Sentits ist ein kleines und sehr persönliches Restaurant. Nur 12 Tische sind in großem Abstand scheinbar willkürlich im Raum platziert, die dezente Farbgestaltung und der Einsatz von Naturmaterialen bilden eine minimalistische Eleganz. Umspielt wird das Interior mit einer harmonisch eingesetzten und sehr dezenten Beleuchtung. Eine harmonische und geschmackvolle Atmosphäre, die den feinen Gerichten dennoch nicht die Show stiehlt.
Während in der Küche ursprüngliche katalanische Rezepte kreativ neu interpretiert werden, werden exklusive katalanische und spanische Weine von kleinen Boutique-Weingütern gereicht, die sich auf alte und regionale Rebsorten spezialisiert haben. Auf der Karte finden sich ausgefallene Degustationsmenüs mit exquisiten Aromen, verschiedenen Texturen und aufregenden Kontrasten. Jordi Artal legt besonderen Wert auf Regionalität und bezieht für seine individuelle Interpretation der modernen katalanischen Küche ausschließlich Produkte von kleinen, lokalen Lieferanten. Auf einem beleuchteten Zylinder wird der Gast direkt zu Beginn schon einmal mitgenommen in die Welt der Zutaten wie zum Beispiel Shrimps, Ochsenschwanz, Forelle, Sellerie, Safran und Pinie.
Das Menü wird mit einem ganz besonderen Schaumwein begonnen: Es wird ein perfekter Sabaté i Coca Reserva Familia Brut Nature gereicht, degorgiert am 29.06.2022. Nur 6460 Flaschen dieses frischen und konzentrierten Schaumweins existieren, der mit einem breiten aromatischen Profil, Ausgewogenheit, Cremigkeit und Komplexität begeistert und wunderbar mit den Aromen der ersten Speisen wie Kastanien, Wachtel-Ei und Jakobsmuscheln mit Schinken harmoniert.
Spannende Weinbegleitung
Weitere Weine, die zum Menü serviert werden, sind der Sierra Cantabria – Eguren: Organza 2010, Ramon Do CasarNobre (Flasche Nummer 7524 von 8000), Antigues Reserves 2000 (Flasche Nummer 1571 von 3600), Dido la Solució Rosa 2020, Cava Mas Via Gran Reserva Brut 2005 und ein Teixar 2017 MontsantVi di Finca. In dieser Weinbegleitung wird die Besonderheit der zuvor erwähnten ausgewählten Weingüter deutlich. Sehr aussagekräftige und exklusive Weine rahmen das Menü wunderbar ein.
Vor jedem Gang lassen sich auf kleinen Kärtchen Hintergründe zu den einzelnen Speisen nachlesen. So handelt es sich bei ‚Porrusalda‘ beispielsweise um ein klassisches Gericht aus dem Norden des Landes. Jordi Artal interpretiert es neu: „Ich serviere es mit kalter Mousse und Kaviar von Forellen aus SantIscle de Vallalta“. Und klassisch kommt die Speise nun wirklich nicht daher: Zarter Schaum von Lauch und Kartoffel, Baby-Lauch-Confit, knusprige Saitenkartoffeln und geräucherte Forellenrogen bilden einen weiteren, vielversprechenden Einstieg in das Menü.
Meeresfrüchte von den Fischern aus Palamos
Im nächsten Gang spielt die Garnele die Hauptrolle und wird facettenreich serviert. Krabben-Knoblauch-Öl, knusprige Garnelen und cremige Garnelenkroketten bilden eine aromatische Einheit mit der Tiefsee-Garnele, die, um ihren süßlichen Geschmack zu bewahren, bis zu 30 Minuten in einer Algenlake eingelegt wird. Sie stammt direkt von den Fischern aus Palamos, einem Hafen an der Costa Brava, der für seine exzellenten Garnelen bekannt ist.
Die gebratene Jakobsmuschel wird wunderbar mit Topinambur, Sunchike-Püree und Zwiebelglasur kombiniert, währendbei der Kastanie herbstliche Aromen Einzug nehmen: Die regionale Spezialität ‚La Castagnata“ von gerösteten Kastanien, gegrillte Süßkartoffel, geräuchertes Kastanienpüree sowie Kastaniencreme mit Lorbeerblatt, überzeugt.
Die Bergforelle stammt aus dem kristallklaren, kalten Gebirgsbach der Picos de Europa. Das Wasser dieses Baches fließt direkt aus den Hochgebirgsseen, ohne zuvor eine Stadt zu passieren. Die Flussforelle wird bei einer Temperatur von 43 Grad schonend erwärmt und sorgt zusammen mit Kiefernblätteröl und -staub, gealterter Sherry-Essig-Soße, einer Pfeffer-Emulsion und über Pinienrinde geräucherten Waldpilzen für ein äußerst kreatives Spiel an Geschmacksaromen.
Gericht aus mittelalterlichem Kochbuch
Für das Gericht „mittelalterliches Rindfleisch“ ließ sich Jordi Artal vom Libre de Sent Sovi von 1324 inspirieren, einem der ältesten gedruckten Kochbücher. Im Mittelalter verwerteten die Köche das gesamte Tier und wusste dabei ganz genau, dass die leckersten Stücke oft die sind, die am unscheinbarsten scheinen. Meist benötige man nur eine sehr lange Garzeit für einen hervorragenden Geschmack. So wurde der Ochsenschwanz 16 Stunden geschmort und gereicht mit gebratenem Kalbsbries, wilde Pfifferlingen und Kürbis.
Ein kleiner Bauernhof im Norden Kataloniens lässt seine Tiere im Freien aufwachsen und füttern eigen angebauten Mais und liefert für unseren nächsten Gang das Schweinefleisch. Hier in einer Kreation Schweinlendchen mit grünem Apfelgel, Cider-Kugeln, knusprigen Knoblauchkrümeln, im Ofen gebratenem Knollensellerie und gebratener Schweinsfüßchenglasur.
Der Übergang von „herzhaft“ zu „süß“ wird durch den Titel des Desserts „Mandarine und Safran“ geschaffen: „Der Safran wurde im Mittelalter von den Mauren eingeführt. Katalonien galt bis zum Spanischen Bürgerkrieg als ein Zentrum des hochwertigen Safrananbaus. Erst in jüngster Zeit hat eine Gruppe junger Landwirte die traditionellen Anbaugebiete in Montsec im Westen Kataloniens zurückgewonnen“. Das Dessert besteht aus Mandarinen-Sorbet, Safran-Quark und Vanille-Sahne und verbindet süße und fruchtige Aromen sehr überzeugend.
Feigen vom Familienbaum
Auf der Speisekarte begegnet eine ganz besondere Zutat immer wieder: Die Feige. Sie wurde erstmals vor 9000 Jahren kultiviert. Jordi Artal beschreibt: „Ein riesiger Feigenbaum markiert in unserem Dorf den Eingang zum Garten meiner Familie. Er steht dort schon seit vielen Generationen. Wir wissen nicht, wie alt er ist. Aber er bringt eine enorme Fülle an Früchten hervor.“ Der Koch serviert seine persönliche Interpretation mit gebratener und fermentierter Feige, Walnuss-Kekskrümel, stickstoffgefrorener Feigenblattcreme sowie Sirup aus Hibiskus und Honig.
„Zitronenkuchen, katalanische Creme und Schokolade mit Olivenöl, Salz und Brot“ bilden den Abschluss dieses feinen, spannenden und kreativen Menüs und lassen die charakteristischen Aromen noch lange nachklingen.
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