Nachtfähren über die Nordsee hatten es schwer in den letzten 20 Jahren. Umso überraschender geht nun mit Holland Norway Lines ein Newcomer an den Start, der mit einer modernen Kreuzfahrtfähre die Niederlande mit Südnorwegen verbindet – ideal für eine Kurzkreuzfahrt oder den Start in den Winterurlaub.
20 Jahre habe man gewartet, um zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Schiff die richtige Route eröffnen zu können, erklärt der stolze CEO Bart Cunnen anlässlich der Pressevorstellung der neuen Linie. Dabei habe ihm und seinem Team die Corona-Pandemie geholfen, denn diese habe nicht nur dafür gesorgt, dass mit der „Romantika“ tatsächlich endlich das perfekte Schiff verfügbar war, sondern dass man nun auch ein Minikreuzfahrtprodukt vor der eigenen Haustür anbieten könne.
Unsere Reise beginnt in Eemshaven gleich hinter der deutsch-niederländischen Grenze. Der Hafen ist zugegeben nicht gerade der Nabel der Welt, mit seiner perfekten Anbindung an den Großraum Groningen-Leer-Emden aber ideal für Reisende aus dem Nordwesten Deutschlands und den Benelux-Ländern. Am Kai liegt die „Romantika“, die Holland Norway Lines (HNL) von der estnischen Reederei Tallink gechartert hat. Diese hat die Linie Stockholm – Riga nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie vorübergehend eingestellt und ihre 2002 gebaute Nachtfähre nun gewinnbringend verchartert.
Eine Stunde vor der Abfahrt um 15 Uhr geht es an Bord. Zu Fuß über die Bugrampe, denn ein Terminal mit Gangway gibt es noch nicht. Am Fahrstuhl hinauf in die öffentlichen Räume entsteht ein kleiner Stau, aber Treppensteigen geht natürlich auch. Es ist erst die sechste Abfahrt nach der Premierenfahrt, dafür sind die Auto- und Frachtdecks schon erstaunlich gut gefüllt. Offenbar hat HNL seine Hausaufgaben gemacht, denn ohne die Einnahmen aus dem Transportgeschäft kann keine noch so ambitionierte Fährreederei lange überleben.
Der erste Rundgang durch das Schiff gleicht einem Déjà-Vu. Wir kennen nicht nur die „Romantika“ selber bereits von früher, sondern auch ihre vier Schwesterschiffe, die für Tallink Silja Line zwischen Schweden, Finnland, Estland und Lettland verkehren. Es gibt zwei Restaurants an Bord, ein Pub mit Live-Musik, ein großes Show-Theater, Konferenzräume, Spa, Sauna, Tax Free-Shop, kurz: alles, was das Herz begehrt, wenn man nicht einfach nur von A nach B fahren, sondern aus der Schiffsreise eine Mini-Kreuzfahrt machen möchte.
Auch die Kabine ist in Top-Zustand. Klappsofa und Teppichboden sind in Weinrot gehalten, und auch Platz ist ausreichend vorhanden. Keine Spur von den beengten Vierbettkammern unter dem Autodeck so mancher Ostseefähre vergangener Tage. Das ist auch kein Wunder, denn die Werft im finnischen Rauma hat auch schnittige Kreuzfahrtschiffe wie „Delfin Clipper“ und „Sally Albatross“ oder die weltgrößte Kreuzfahrtfähre „Color Magic“ gebaut.
Als das Schiff Eemshaven verlässt, haben sich viele Passagiere in der Frühlingssonne auf dem Achterdeck versammelt. In vier Sprachen (Englisch, Niederländisch, Norwegisch, Deutsch) informiert Kapitän Mark Kask über die bevorstehende Nachtfahrt nach Norwegen, während er seine „Romantika“ an der Borkum-Fähre „Münsterland“ vorbei und hinaus auf die Nordsee steuert. 450 Passagiere sind heute an Bord, bis zum Sommer soll die Auslastung auf 1.500 Passagiere anwachsen. Auch der Shop wird bis dahin noch aufgestockt. Da Norwegen kein EU-Mitglied ist, können vor allem Norweger an Bord günstig einkaufen – ein wichtiger Faktor für die Kalkulation bei Holland Norway Lines.
Das Abendbüffet an Bord der „Romantika“ ist mehr als reichhaltig und schließt auch Wein und Bier ein. Edler und intimer speist man indes im Grill House mittschiffs. Nur im Rest des Schiffes will am frühen Abend noch nicht so richtig Kreuzfahrt-Atmosphäre aufkommen. Im „Starlight Palace“-Theater versammeln sich die wenigen mitreisenden Kinder zur Kinderdisco, und im Pub müht sich um kurz vor 20 Uhr der Troubadour, die vorbeiflanierenden Passagiere zum Einkehren zu bewegen. Bei dem Eagles-Klassiker „Lyin Eyes“ ist man fast versucht, es sich dort tatsächlich mit einem Bier gemütlich zu machen, wenn man eben nur nicht neben dem Musiker der einzige wäre. Ein bisschen kann einem der Mann an der Gitarre Leid tun.
Auf der Kommandobrücke plaudert unterdessen Kapitän Kask aus dem Nähkästchen. Er berichtet, dass die „Bareboat“-Charter (bei der eine Reederei ein Schiff ohne Besatzung übernimmt) genau genommen keine ist. Denn der Este stammt wie auch sein Chief Engineer und drei, vier weitere treue Seelen von der Tallink-Crew, die die „Romantika“ wie ihre Westentasche kennt. Außerdem erzählt er von dem Einsatz seiner Fähre zwischen Frankreich und Marokko im letzten Sommer. „Das waren die schönsten Wochen meines Berufslebens!“, schwärmt er. „Jeden Tag Sonne und 30 Grad!“ Klar, derlei Wetter ist rar in Nord- und Ostsee.
Als im weiteren Verlauf des Abends die Hausband im Starlight Palace auftritt, ist das Theater zwar lange nicht voll, doch der eine oder andere lauscht dann doch den Klängen des Ensembles, das seine Sache bei Klassikern wie „Lay down Sally“, „Who stopped the Rain“ und „Ob-la-Di, Ob-la-Da“ sehr gut macht. Und die See ist ruhig, als hinter den Fenstern des Theaters die Sonne untergeht. Auch das hat man zwischen Holland und Norwegen schon anders erlebt. Die Band bekommt dafür nach jedem Song aufmunternden Applaus und bedankt sich artig beim Publikum. Ein Anfang. Mehr Kreuzfahrt-Feeling geht nach sechs Rundreisen noch nicht.
Wie schon das Abendessen ist auch das Frühstücksbüffet am nächsten Morgen opulent. Und wer schon um 6:30 Uhr auf den Beinen ist, kann hier durch die großen Panoramafenster nicht nur den Blick in Fahrtrichtung des Schiffes genießen, sondern hat überdies den Vorteil der freien Platzwahl im noch menschenleeren Restaurant.
Nach dem Frühstück nähert sich die „Romantika“ bereits der norwegischen Küste, auch das ist ein Traum. Die Frühlingssonne gibt sich erneut ein Stelldichein, und die entgegenkommenden Dänemark-Fähren ein willkommenes Foto-Motiv, als sich die „Romantika“ vorbei an einigen Schären in den Hafen von Kristiansand schiebt. Spätestens in diesem Moment wünscht man sich, dass der Markt die neue Norwegenfähre möglichst schnell annehmen möge. Dann wäre die „Romantika“ das erste Schiff seit langer Zeit, das sich auf der Nordsee wieder das Prädikat „Kreuzfahrtfähre“ verdient hat.
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