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Vor 30 Jahren begannen Jonnie Boer und seine Frau Thérèse, lokale Produkte in den Fokus zu rücken und haben seither die Gastronomieszene in den Niederlanden geprägt. Von den Anfängen in Zwolle bis hin zu Restaurants in der Karibik teilen sie ihre Leidenschaft für authentischen Genuss und erzählen von den Herausforderungen auf ihrem Weg. Eine faszinierende Reise durch die Welt der kulinarischen Kreativität und des Erfolgs. Wir haben uns mit den beiden über ihre kulinarische Erfolgsgeschichte ausgetauscht.

Das Brass Boer Thuis ist mit getrockneten Kräutern und Fischen dekoriertDas Brass Boer Thuis ist mit getrockneten Kräuter und Fischen dekoriert / © Foto: Brass Boer Thuis

Exklusives Interview mit Sternekoch Jonnie Boer und Ehefrau Thérèse …

Christian Kolb: Was ist das Konzept Ihrer Restaurants?

Jonnie Boer: In Holland gab es keine Restaurants, die lokale Produkte verwendeten; sie importierten alle aus Frankreich, aus Paris, weil das als das Beste galt. Wir wollten die Dinge anders machen, weil wir ausgezeichnete lokale Ressourcen wie Lämmer, Kühe und Wildpilze haben. Das ist, wo wir angefangen haben, und 30 Jahre später machen wir es immer noch.

Christian Kolb: Sie haben verschiedene Restaurantkonzepte umgesetzt…

Thérèse Boer: Vor acht Jahren haben wir ein Restaurant namens „Brass Boer“ auf Bonaire eröffnet, und vier Jahre später haben wir das „Brass Boer Thuis“ in Zwolle eröffnet. Letztes Jahr haben wir auch ein „Brass Boer“ auf Curacao eröffnet.

Jonnie Boer: Wir schließen das „De Librije“ vier- oder fünfmal im Jahr, um in die Karibik zu gehen und unsere Restaurants zu überprüfen, zu essen und mit den Teams zu sprechen.

Christian Kolb: Was ist das Konzept des „Brass Boer Thuis“?

Jonnie Boer: Wir wollten ein hochwertiges Restaurant ohne zu hohe Preise. Wir haben eines in der Karibik eröffnet und eins in Zwolle.

Thérèse Boer: Es geht um gutes Essen, gute Getränke und guten Service, aber mit einer lockeren Atmosphäre. Das „De Librije“ ist immer ausgebucht, so dass wir vielen Gästen keinen Platz mehr anbieten konnten. Wir haben deshalb ein Konzept gemacht, das ein wenig an das „De Librije“ vor zwanzig Jahren erinnert. Mit gutem Essen und guten Getränken. Und entspannter Atmosphäre.

Im Brass Boer Thuis versteht man jeden Gang als kleines Kunstwerk
Im Brass Boer Thuis versteht man jeden Gang als kleines Kunstwerk / © Foto: Brass Boer Thuis

Christian Kolb: Gibt es in diesem Restaurant ein Signature Gericht?

Jonnie Boer: Jedes Brass-Restaurant hat seine eigenen Signature-Gerichte. Zum Beispiel könnten wir in der Karibik Klassiker aus dem „De Librije“ wie Lollipops von Gänseleber, die wir im „De Librije“ schon vor 30 Jahren hatten oder Ei mit Kaviar präsentieren. Wir haben auch einige Klassiker adaptiert, um diese an den lokalen Kontext anzupassen. Wir kochen es auf ähnliche Weise – mit den lokalen Zutaten.

Christian Kolb: Was verbindet Sie mit der Karibik?

Jonnie Boer: Unsere Verbindung zur Karibik begann vor über 25 Jahren. Wir sind immer viel gereist, aber wir sind immer wieder nach Bonaire, Curacao und Aruba zurückgekehrt. Andere Gegenden wie Costa Rica oder Panama haben uns weniger begeistert. Wir sind immer wieder zu diesen drei Inseln zurückgekehrt. Bonaire ist die beste.

Thérèse Boer: Nach Weihnachten, wenn die Arbeit hektisch war, machen wir für zwei Wochen eine Pause in der Karibik, um uns zu entspannen und neue Energie zu tanken. Das machen wir nun seit fast 30 Jahren. Wir mögen es dort sehr, alles ist sehr entspannt.

Jonnie Boer: Schließlich sprach uns jemand an, der ein Resort eröffnet und uns gefragt hat, ob wir dort die Restaurants übernehmen. Fünf Tage später saßen wir im Flugzeug – und haben den Vertrag unterschrieben. Jetzt sind es acht Jahre, und wir haben mit verschiedenen Konzepten im Resort expandiert. Wir haben das „Brass Boer“ als Hauptrestaurant. Es wurde schon fünfmal als eines der besten Restaurants in der Karibik ausgezeichnet. Dann haben wir eine Beachbar. Nach zwei Jahren ist daraus eine Beach-Brasserie geworden. Nun haben wir auch ein Grillrestaurant und ein orientalisches Restaurant in dem Resort eröffnet.

Christian Kolb: Wie ist es mit Ihrem Team?

Jonnie Boer: Wir haben ein Team; wir sind nicht nur zwei Personen. Unsere Manager und Köche sind seit vielen Jahren bei uns. Wir betrachten uns als eine große Familie, und so managen wir mehrere Restaurants. Wir schulen alle im „De Librije“. In 30 Jahren lernt man viele Menschen kennen. Der Chefkoch im „De Librije“ ist seit 15 Jahren bei uns, der Maître für mehr als zehn Jahre. Manchmal möchten Mitarbeiter etwas Neues machen. Dann fragen wir sie – wollt ihr etwas Eigenes machen oder für uns in der Karibik etwas für uns auf den Weg bringen. Nach den Herausforderungen der Pandemie, insbesondere auf den Inseln, wo das Personal dünner wurde, sind wir vorsichtig mit einer weiteren Expansion. Wir möchten sicherstellen, dass der Markt stabil ist, die Menschen arbeiten wollen und die Auswirkungen der Pandemie nachgelassen haben. Seit einigen Monaten ist alles wieder auf einem guten Weg. Wir wurden gefragt aus Afrika, aus Asien und gerade erst aus den Schweizer Bergen.

Thérèse Boer: Wir müssen sicher sein, dass wir gute Mitarbeiter finden. Wir können nicht alleine expandieren. Deshalb warten wir ein wenig bis klar ist, dass wir die nötigen Mitarbeiter dafür haben.

Christian Kolb: Was ist Ihr persönliches Lieblingsgericht?

Thérèse Boer: Ich genieße besonders Gemüse, vor allem Gerichte mit Blumenkohl.

Jonnie Boer: Meine Vorlieben sind saisonal und regional. Zum Beispiel freue ich mich während der Spargelsaison in Europa darauf, Spargel zu essen. Nach einer Woche freue ich mich aber auch wieder auf Abwechslung. Dann gibt es Lämmer. Dann gibt es Gemüse aus den Gärten. Ein gutes Stück Steinbutt schätze ich auch. Vor kurzem, als wir in der Karibik waren, fing ich beim Angeln einen Queen Snapper, und wir ließen ihn im Restaurant zubereiten. Es war fantastisch.

Viele Gänge werden am Platz inszeniert und mit ganz frischen Zutaten verfeinert
Viele Gänge werden am Platz inszeniert und mit ganz frischen Zutaten verfeinert / © Foto: Brass Boer Thuis

Christian Kolb: Was ist Ihr Rat an junge Köche?

Jonnie Boer: Es gibt Leute, die wären gerne schon mit 18 Jahren eine Marke. Doch das ist nicht möglich. Für aufstrebende Köche ist der Rat, zuerst ein guter Koch, Anführer und kreativer Kopf zu werden. Es braucht Zeit und Erfahrung. Sie müssen bereit sein, hart zu arbeiten.

Thérèse Boer: Außerdem ist es wichtig, die Finanzen gut zu verwalten. Wir haben gute Berater im Hintergrund, die uns unterstützen. Es ist besser, langsam zu wachsen, als auf externe Finanzierung angewiesen zu sein. Wir haben sehr klein angefangen mit einem Restaurant mit 20 Plätzen. Jonnie war in der Küche, ich im Service. Wir haben uns das gemeinsam aufgebaut. Die ersten 15 Jahre haben wir nichts verdient – alles haben wir wieder in das Geschäft investiert.

Christian Kolb: Was ist der Unterschied zwischen Restaurants mit einem und mit drei Sternen?

Jonnie Boer: Der Hauptunterschied zwischen einem Ein-Sterne- und einem Drei-Sterne-Restaurant liegt in den Details, der Magie und der Komplexität. Drei-Sterne-Restaurants haben eine einzigartige Magie, die spürbar ist. Es beinhaltet mehr Köche und komplexere Gerichte, was das Erlebnis außergewöhnlich macht. Auch in meinem eigenen Restaurant spüre ich die Magie. Ich bin immer aufgeregt, wenn die Gäste kommen. Das geht dann beim Kochen weg. Wir haben 25 Köche – bei einem Stern sind es nur sechs oder sieben.

Christian Kolb: Was war ihr größter Erfolg und Misserfolg?

Jonnie Boer: Der größte Erfolg für uns waren unsere Kinder, die inzwischen auch in der Branche sind. dem Geschäft beigetreten sind.

Thérèse Boer: Unser Sohn arbeitet als Koch im „De Librije“. Unsere Tochter arbeitet auf Bonaire im Service. Die beiden mögen das genau wie wir.

Jonnie Boer: Wir hatten einen finanziellen Zusammenbruch im Jahr 2011, als die Kosten für den Bau eines neuen Hotels in Zwolle unsere Erwartungen überstiegen. Wir kaufen ein altes Gefängnis und haben es zu einem Restaurant umgebaut. Geplant waren 6,5 Millionen, doch nach zwei Jahren stellte sich heraus, dass es 12 Millionen waren. Wir bekamen große Probleme mit der Bank, weil wir viel mehr Geld brauchten. Es brauchte harte Arbeit und einige Jahre, um sich zu erholen, aber es hat uns wertvolle Lektionen gelehrt.

Christian Kolb: Was empfehlen Sie Besuchern der Stadt Zwolle?

Jonnie Boer: Zwolle ist eine sehr schöne Stadt mit Museen, Kneipen und kleinen Restaurants. Wir sind nur zwanzig Minuten entfernt von Giethoorn, wo ich geboren wurde und Thérèse kennengelernt habe. Das ist der schönste Ort der Niederlande. Wenn Gäste aus Deutschland kommen und sich da ein Boot mieten, dann sind sie begeistert.

Christian Kolb: Vielen Dank für das Interview.

FrontRowSociety Autor Christian Kolb

FrontRowSociety-Redakteur Christian Kolb führte das Interview mit Jonnie und Thérèse Boer im Januar 2024.