Die Sonne strahlt, der Himmel ist blau, und Familie Meier bricht voller Vorfreude in ihren lang ersehnten Urlaub auf. Ihr fabrikneues Elektroauto, Symbol des Fortschritts und der Umweltfreundlichkeit, gleitet leise und sanft über die Straße. Die Stimmung ist ausgelassen, die Kinder singen auf der Rücksitzbank, und die Eltern träumen bereits von Strand und Meer.
Die erste Ernüchterung
Nach gut zwei Stunden Fahrt meldet sich der Assistent über das Navigationssystem: „Bitte die nächste Ladestation in 30 Kilometern anfahren“. Denn Familie Meier plant ihre Stopps weit im Voraus mit der App, aus Angst vor dem Liegenbleiben. Alles sieht gut aus, die Station sollte laut App in Betrieb sein und kein anderes Fahrzeug soll dort laden. Doch als sie nach 30 Kilometern die Station erreichen, erwartet sie der erste Schock: Die Ladesäule ist defekt, die Anzeige blinkt rot, und ein Schild warnt: Außer Betrieb! Hm, sollte die Ladesäule nicht in Betrieb sein?
Panik und Verzweiflung?
Panik und Verzweiflung, nein, aber eine erste Enttäuschung. Etwas besorgt fahren sie weiter zur nächsten Ladestation. Doch auch dort das gleiche Bild – defekt! Die Stimmung kippt, die anfängliche Euphorie verfliegt. Familie Meier schaut auf die verbleibende Reichweite ihres Elektroautos und stellt fest: Es reicht gerade noch bis zur nächsten Ortschaft, aber ganz sicher nicht weiter. Auch die Kids auf der Rückband sind ruhig geworden, trauen sich schon nichts mehr zu sagen, da sie merken, die Eltern sind mehr als angespannt.
Die Suche nach Rettung
In der Kleinstadt angekommen, beginnt die Odyssee. Familie Meier irrt von einer Ladestation zur nächsten, doch immer wieder werden sie von defekten Säulen empfangen. Das kann doch nicht sein! Die Panik steigt, denn die Batterieladung sinkt unaufhaltsam.
Aber dann die Rettung, in Sichtweite sind Ladesäulen zu sehen und fast alle sind noch frei. Freudige und strahlende Gesichter, man hätte es nie gedacht, das man eine solche Vorfreude aufs Aufladen haben kann.
Aber zu früh gefreut
Die Ladesäulen sind zwar alle in Betrieb, aber die Ernüchterung kommt schneller als gewollt. Die Ladesäulen nehmen weder Kreditkarte noch Geldkarte, auch Online-Payment ala Paypal & Co. lässt der Betreiber nicht zu. Vater Meier schimpft: Das gibt es doch wohl nicht und das mitten in einem Land wie Deutschland.
Die elfte App
Aber eigentlich ist das ja alles halb so schlimm, denkt Vater Maier, wir können ja kurzerhand die App herunterladen, obwohl es schon die elfte Lade-App ist, die er auf seinem Handy heruntergeladen hat.
Nach der Eingabe der Daten, bei denen sich Vater Meier fragt: „Was wollen die denn mit diesen vielen Details, … ich will doch nur mein Auto laden und kein Kraftwerk bauen“, ploppt die Anzeige auf: „Sie erhalten eine Mail, mit welcher Sie das Konto bestätigen müssen…“ – Na super bald ist’s geschafft denkt er noch.
Wenige Minuten später ist die Mail angekommen und jetzt nur noch den Klick zur Bestätigung durchführen und der Strom kann fließen. Und es wäre so schön gewesen, aber nach dem Klick auf den Bestätigungsbutton heißt es über die App: „Huch, wir haben ein Problem“. Vater Meiers erster Gedankengang: „Nicht ihr habt ein Problem, wir haben ein Problem und noch dazu ein viel Größeres!“
Abhilfe übers Callcenter – „Das ist aber jetzt echt blöd“
Abhilfe soll das Callcenters des Betreibers schaffen. Nach zirka 12 Minuten Dudelmusik meldet sich eine nette weibliche Stimme mit der Frage, wie man denn helfen könne. Vater Meier erklärt, wo das Problem mit der Registrierung der App liegt und erhält die Antwort (wortwörtlich): „Hm, das sollte eigentlich funktionieren. Das ist jetzt aber echt blöd“ – aber helfen könne man hier dann auch nicht, die Idee wäre eine andere Ladestation zu finden. „Super Tipp“,denkt Vater Meier noch, „wäre ich nie selbst drauf gekommen.“
Mit den letztem „Tropfen“ Strom
Mit den letztem „Tropfen“ Strom geht es an die zigste Ladesäule – denn Familie Meier hatte aufgehört zu zählen – und juhu, sie ist frei! Sie scheint zu funktionieren und nimmt auch Kreditkarten, endlich! Die Weiterfahrt ist gerettet und der Strand rückt näher.
Stecker rein, Kreditkarte vors Lesegerät gehalten und… ja und, was denn nun, warum startet die ‚blaue‘ Säule nicht mit der Stromversorgung. Keine Kommunikation, keine Info, was denn hier los ist?
Der nette Mitarbeiter aus dem ‚blauen“ Tankstellenshop
Gut, dass Familie Meier an einer öffentlichen Tankstelle steht. Hier kann der Mitarbeiter bestimmt helfen. Der nette Herr im Shop fragt Herrn Meier erstmal in alle Ruhe, ob er denn alles richtig gemacht habe und auch die Reihenfolge beim Ladevorgang eingehalten hat und auch seine Kreditkarte an die richtige Stelle gehalten hat.
Der nette Herr aus dem blauen Shop weiß natürlich nicht, dass Vater Meier Journalist ist und schon seit Jahren – unter anderem – auch Elektroautos testet, bevor deutsche Politiker das Wort „E-Mobilität“ gekannt haben. Vater Meier blieb weiterhin ruhig und bejahte alle Fragen. Der nette Herr tritt nun selbst an die Säule und versucht sein Glück.
„Hm, komisch, sollte eigentlich…, aber das haben wir gleich“, sagte der nette Mann und zog sein tragbares Telefon heraus. Nach 8 Minuten – diesmal nicht mit nerviger Dudelmusik – meldete sich ein Herr vom Callcenter. Ihm kurz das Problem erklärt, fragte auch dieser nochmals den Vorgang ab, ob man denn alles richtig gemacht hätte. Nach dem Bejahen:
„Alles kein Problem, ich werde die Ladesäule aus der Ferne nun runterfahren und neu starten, dann klappt es sicherlich. Das dauert jetzt ein paar Minuten. Bitte ewarten Sie.“
Ladesäule wurde resettet – aber weiterhin geht nichts
Getan, gehabt, die Ladesäule wurde resettet und der Vorgang von neuem durchgeführt. Aber nichts geht! Vater Meier erklärt, dass er das schon mal hatte, auch an einer ‚blauen‘ Säule in der Stadt Bochum, dem Hauptsitz des Anbieters.
Die damalige Callcenter-Mitarbeiterin hätte dann für 10 Euro kostenfrei Strom aufgeschaltet, so dass die Fahrt weitergehen konnte. „Ja, das können wir auch machen“, so der nette Mitarbeiter des Callcenters. Nach viel Getippe auf der Tastatur, welches im Hintergrund zu vernehmen ist, kommt dann die Stimme: „Hm, ich kann nicht auf die Säule zugreifen und kann kein Stromkontingent freischalten, das ist sehr verwunderlich.“
Gestrandet in der Dunkelheit
Als die Sonne untergeht und die Dunkelheit hereinbricht, steht Familie Meier mitten in der Stadt, ohne funktionierende Ladestation und ohne Möglichkeit weiterzufahren. Der Akku ist leer, die Kinder quengeln, und die Eltern sind verzweifelt.
Hilfe in letzter Minute
Nach Stunden des Bangens und Hoffens taucht endlich ein rettender Engel auf: Ein Pannenhelfer, der zufällig vorbeikommt und Familie Meier mit seinem Diesel-Abschleppwagen zur nächsten Werkstatt bringt.
Ernüchterung und Zweifel
In der Werkstatt angekommen, wird der Akku des Elektroautos aufgeladen. Doch die Familie ist ernüchtert und frustriert. Der Traumurlaub ist geplatzt, die Kosten für den Abschleppdienst und die Reparatur sind hoch, und der Glaube an die Zukunft der Elektromobilität ist stark erschüttert.
Ein Appell an die Politik
Familie Meier beschließt, ihre Geschichte zu erzählen, um auf die Probleme der Ladeinfrastruktur aufmerksam zu machen. Sie fordern von der Politik, dass endlich in ein flächendeckendes Netz an zuverlässigen Ladestationen – mit einheitlicher Bezahlstruktur – investiert wird. Denn nur so kann die Elektromobilität eine echte Zukunft haben und darf nicht zum Albtraum auf der Autobahn verkommen.
Dieses Horrorszenario ist nicht fiktiv, sondern (fast) so abgelaufen. Nur das es sich bei Familie Meier um die Herausgeber des Magazins FrontRowSociety gehandelt hat, die keine Kinder in Fond hatten und auch nicht auf Urlaubsreise waren, sondern auf einer Testfahrt.
Und übrigens: Der Konzern, der die ‚blauen‘ Ladesäulen betreibt, wollte sich telefonisch im Nachgang melden, um aufzuklären, woran es gelegen hat. Auf diesen Anruf warte die Redaktion noch heute. Servicewüste Deutschland 🙁